Puccinis MAMDAMA BUTTERFLY an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

 

Claudia Schulmerich

 

Düsseldorf (Weltexpresso) – Das wollten wir nun genauer wissen. Nach dem sicher dank Volkes Stimme und auch der Oberbürgermeisterwahl in Duisburg, die durch Scheidungsabsichten verstörte 110jährige Opernehe zwischen Düsseldorf und Duisburg doch weitergeht, haben wir schnurstracks kurz vor dem Ende der Saison je eine Vorstellung in beiden Häusern besucht. Ganz normales Repertoire also. In Düsseldorf endete die Butterfly mit brausendem Beifall für alle, und enthusiastischem für Nataliya Kovalova als Cio-Cio San, die halt lieber Madame Butterfly und noch lieber Mrs. Pinkerton genannt wird.

 

Dabei hatte es durchaus sperrig angefangen. Wenigstens für uns. Das Bühnenbild (Paul Steinberg) mit dem riesigen schwarzen Schiffsbug vor einer mit Reispapier durchfensterten sehr japanischen Wand, wo oben auf Deck der Herr Leutnant der amerikanischen Marine, B.F. Pinkerton (Mikhal Agafonov), empfängt und sein ebenso kolonialistisches wie machohaftes Gehabe – er trinkt auf den Tag, „an dem er eine wahre Amerikanerin heiratet“ - in tenoralen Wohllauten verströmt, dieses Bühnenbild hat uns bei aller Einsichtigkeit mißfallen. Einsichtig ist das Oben und das Unten, wo sich am Boden sowohl die japanischen Bediensteten wie die Hauptperson Cio-Cio San niederwerfen vor der Macht der Amerikaner, verkörpert durch diesen Pinkerton.

 

Die Oper spielt um 1900 in Nagasaki; das ist der Zeitraum zwischen den militärischen Erfolgen der Japaner gegen die Chinesen (1894/95) und die Russen (1904/05). Amerika ist das gelobte Land. Japan ist im eigenen Verständnis rückständig und hin und her geworfen zwischen unverrückbarer Tradition und Modernismen. Puccini hatte sich auf der Höhe seines Erfolges – die Tosca war 1900 - und der politischen Aktualität von Fernost des Stoffes angenommen, weil ihm die tragische Situation der Madame Butterfly für die emotionale Wucht seiner Musik angemessen schien, weshalb er die Oper auch im Untertitel „Tragödie einer Japanerin“ nannte, was inkorrekt meist als japanische Tragödie gilt.

 

Es ist eine Tragödie, aber selten haben wir uns bei einer Aufführung dieser Oper so gefragt, was einen Südeuropäer dazu bringt, ein Frauenschicksal aus einem anderen Kulturkreis so selbstverständlich zu seinem Handlungsträger für schwelgerische Musik zu machen. Was würden Deutsche zu einer Vertonung des urgermanischen Nibelungenstoffes durch einen japanischen Komponisten sagen – beispielsweise.

 

Daß wir auf solche Gedanken kommen, hat viel mit der Lesart dieser Butterfly zu tun, wie sie vor 13 Jahren Robert Carson erdachte und wie sie nun erneut seit 2008 auf dem Spielplan steht. Anders nämlich als all die opulenten Aufführungen, die die Madame Butterfly in die seidigsten japanischen Gewänder stecken und mit den durch „Stricknadeln“ gehalten Haarprachten so ein richtig fernöstliches Aussehen verleihen, kommt uns hier Cio Cio San als westlich Gekleidete und mit weißem Brautschleier daher, noch dazu alles in einfachster Ausfertigung, wie überhaupt die ganze Inszenierung und auch das Bühnenbild Reduktion zum Ziel hat.

 

Das ist auf der einen Seite sehr einsichtig, sehr japanisch, und räumt gleichzeitig mit dem Plunder, dem sowohl orientalischen wie fernöstlicher Prunk auf der Bühne auf. Auf der anderen Seite nimmt dies dem Geschehen und auch der Butterfly den letzten Rest von nationaler, hier japanischer Identität, die die Butterfly beispielsweise erst dann gewinnt, wenn sie – die uns nicht nur in westlichen Kleidern, sondern auch rauchend als westlich modern suggeriert wurde – in der von ihr als ausweglos empfundenen Situation der Rückkehr des Geliebten mit seiner amerikanischen Ehefrau nun auf einmal den dunkelvioletten Kimono überstreift und den rituellen Selbstmord verübt. Vorher hat sie dem Kind noch einen ebensolchen Kimono übergestreift, ihm eine Maske vorgebunden und läßt ihn zuschauen, während Puccini den Knaben rücksichtsvoll in die Kulisse zum Spielen schiebt.

 

Wir haben also bei dieser Aufführung – es ist die nicht erfolgreiche Urfassung vom Februar 1904 als Zweiakter, wo im 2. Akt die beiden Bilder aufeinanderfolgen, die in der erfolgreichen Endfassung im Mai 1904 drei Akte erhielt – an zwei Inszenierungsentscheidungen zu knabbern. Das eine ist die oben erwähnte Reduktion, die insbesondere durch das Bühnenbild eintritt, das andere das Problem der Überidentifikation der Butterfly mit Amerika in Kleidung und.äußerem Verhalten. Letzteres ist mit dem Inhalt durchaus vereinbar, auch wenn die Aufführungspraxis das Fernöstliche der Cio Cio San betont, einfach, weil es auf der Bühne so fremdartig wirkt und dadurch etwas Besonderes ist. Wer sich so in den Mann Pinkerton verliebt, hat sich schon zuvor in das verliebt, was er ihr bietet: ein Leben in einer anderen Welt.

 

Andererseits spricht aber das Engagement des Amerikaners, indem er sich ja auf eine japanische Hochzeitszeremonie einläßt, für seine Gefühle der japanischen Geisha gegenüber, aus seinen gesungenen Worten allerdings hört man nicht nur heraus, daß diese Gefühle temporär sein werden und er jetzt schon weiß, daß er sie ablegen wird, sondern auch, daß ihm die Frau Cio Cio San eher wie eine japanische Blume scheint. Uns aber nicht, denn wir sehen eine westlich gekleidete, leicht unterwürfige Frau. Da fehlt auf der Bühne dann doch wieder die Fernost-Exotik, die als Topos durch Literatur und Bildende Kunst geistert.

 

In gleicher Widersprüchlichkeit zeigt sich die vorgenommene Reduktion. Im ersten Akt verlieren sich auf der großen Bühne mit dem riesigen schwarz bedrohlich wirkenden Schiffsbug unten am Boden die Szenen mit Butterflys Verwandtschaft beispielsweise. Was sonst an Komik, an in Krauss'schem Sinne Familienbande sich dort sonst ereignet, geht als Schurkenstückchen hier unter. Noch plastischer läßt sich das Reduktionsproblem im zweiten Akt zeigen, der im Innenraum des Hauses spielt, das Pinkerton der Butterfly überläßt. Die mit Reispapier gerasterten Wände nehmen die ganze Bühne ein, in der im vorderen Bereich als einzige Einrichtung die als Tisch dienende Kiste - hier auf dem Foto mit ihren amerikanischen Devotionalien - steht, die Cio Cio San als ihr Eigentum, als Aussteuer mitbrachte. Die musikalische Delikatesse, die in den Zwiegesprächen zwischen Herrin und Dienerin Suzuki (Katarzyna Kuncio), die Mutter und Schwester in einem ist, müssen auf der großen Bühne verloren wirken. So wird dieser Raum, der ja das Gefängnis der Butterfly darstellt, das sie sich selbst verordnet hat, zu einem weiten überdimensionierten Gefängnis, was im Gegensatz zu der Enge ihres Inneren steht. Das Intime geht deshalb verloren.

 

Warum unsere Überlegungen dann dennoch im Verlauf der Aufführung keine entscheidende Rolle mehr spielen, hat mit der Intensität der Darstellung und dem inniglich strömendem Gesang zu tun, dem sich der zweite Akt hingibt. Schon im ersten hatte das Liebesduett VOGLIATE MI BENE die lyrischen und dennoch das Haus füllenden Qualitäten der ukrainischen Sopranistin nach anfänglichen etwas schrillen Höhen aufgezeigt. Im UN BEL DI VEDREMO im zweiten Akt faßt sie ihre Situation als verlassene, aber die Hoffnung auf die Rückkehr des 'Ehemannes' nicht aufgebende Geliebte in derart schmelzende Töne, die Steine erweichen müßten und in den Zuhörern auch Empathie auslöst. Spätestens ab hier folgte ihr ein ganzes vollbesetztes Opernhaus willig und atemlos.

 

CON ONOR MUORE schließlich faßt in der Todes- und Schlußarie ihr Elend noch einmal zusammen und läßt sie gegen unseren Wunsch, sie möge weiterleben, entweder den ungeliebten, aber wohlhabenden Yamadori heiraten, noch besser, einfach ihr Kind nehmen und auf und davon gehen und sich und ihm ein gutes Leben leben, einfach sterben. Nein, nicht einfach, sondern dramatisch mit dem Dolch ihres Vaters, den dieser aus den Händen des Kaisers für seinen eigenen Selbstmord erhielt, sich selbst richtend. Damit ist die Ordnung auf der Opernbühne wiederhergestellt, wo in der Regel die Frauen sterben, meist an den Männern. Wer diese MADAMA BUTTERFLY in der Deutschen Oper am Rhein erlebt hat, kommt wieder.


P.S. Zu kurz kam bisher die Musik. Aber wir fanden obigen Schluß so gut! Puccini hat – Verismo hin oder her – eine dramatisch-innigliche spätromantische italienische Opernmusik geschrieben, die elegant Fremdländisches wie japanische Volksweisen, die amerikanische Nationalhymne und mehr in einer lyrisch strömenden Melodik mit außerordentlichem Farbenreichtum – einmal hörten wir sogar kurz Bizets PERLENFISCHER aufblitzen - einbindet. Die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Enrico Dovico waren den Sängern verläßliche Begleiter. Bei diesen sind unbedingt noch als ehrenvoller Konsul Sharpless Stefan Heideman, als gewitzter Goro Florian Simson und als Kate Pinkerton im Dreißig-Vierziger Jahre Look Maria Kataeva zu erwähnen. Sängerisch gab es auch bei den anderen keinen Ausfall. Wir überlegten uns aber, was eigentlich deutsche Opernhäuser heute ohne die gut ausgebildeten Stimmen aus Osteuropa täten.

 

www.operamrhein.de

 

 

Info:

 

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Wir haben vier verschiedene Restaurants und Bars gezählt – und ausprobiert, wobei das fünfte MORLEY'S ist, die Bar im Loungebereich, wo wir gespannt sind, ob Sie etwas Alkoholisches fänden, was es dort nicht gäbe.

 

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