SALOME von Richard Strauss an der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg
Claudia Schulmerich
Duisburg (Weltexpresso) - Tags drauf also die SALOME im Duisburger Opernhaus, dessen Hundertjähriges im September gefeiert wird und dessen ionischer Portikus aufgehübscht schon in weißem Glanz strahlt. Eine Offizielle vor dem Bühnenvorhang. Das bedeutet nichts Gutes. Die Salome wachte am Morgen ohne Stimme auf. Für die Stimme wurde Ersatz aus Berlin gefunden. Die Stimmlose dagegen spielt ihren Part. Nach der intensiven und geglückten Aufführung hätte man das für einen Einfall der Regie halten können, so sehr paßte die Doppelbesetzung, bzw. Trennung von Stimme und Spiel zur entrückten, später wahnsinnigen Salome als Ausdruck einer multiplen Perönlichkeitsstörung.
Mag sein, daß Morenike Fadayomi als Salome sonst nicht so hauruck-exaltiert auftritt, wenn sie auch noch auf die Stimme achten muß, die ihr heute Sabine Paßow aus Berlin lieh, die am Seitenrand der Opernbühne ihre Sache sehr gut machte und in ständigem Augenkontakt mit dem Dirigenten Stefan Klingele und einem aufmerksamen Orchester – die Duisburger Philharmoniker – vergessen ließ, daß dies eine Notlösung war. Es mag also dem Zurückhalten der Stimme geschuldet sein, daß die Sopranistin alles in das Spiel und die Artikulierung des Textes legte, was sonst aus ihr herausströmt. Gepaßt hat es allemal, denn nach dem Konzept der Regie durch Tatjana Gürbaca ist die Salome hier nicht nur eine getriebene, sondern eine übervorlaute durchtriebene Domina, die im Wahnsinn endet.
Der Schock beginnt schon bei der Öffnung des Vorhangs (Bühne und Licht: Klaus Grünberg). Was haben wir nicht alles schon als Ambiente zur Salome gesehen – die übrigens von Strauß dicht auf Puccinis Butterfly komponiert und 1905 uraufgeführt wurde, aber fast 1900 Jahre früher spielt. Also da gab es die Salome in der Nervenklinik, im Schlachthaus – das liegt hier nicht weit weg, am Schluß wenigstens -, im Krankenhaus, im 19. Jahrhundert, in der Antike, so wie man sich sie vorstellt, im orientalischen Palast von 1600, im Spielcasino...und hier in einem überfrachteten Wohnzimmer, das das moderne Wohnen aufzeigt und unweigerlich zwei Assoziationen wachruft: Horror Vacui wäre die eine, die andere aber die - hier abgebildete - Collage des ersten Popkünstlers Richard Hamilton „Just what is it, that makes today's homes so different, so appealing?“, einschließlich der Treppe.
Auf dieser Bühne fällt beides zusammen. Ein einziger Alptraum von Farben und Formen, von 'bequemen' Möbeln, die keinen Standort haben, sondern hin und hergeschoben werden, wobei der gleichfarbene, leicht türkis/korallenrote Teppich hier eine Hauptrolle übernimmt, unter den natürlich auch alles gekehrt wird, heiße es Jochanaan (John Wegner) oder Narraboth (Johan Weigel). Aber so weit sind wir noch nicht, denn erst einmal darf dieser in einem der schönsten Partien für lyrische Tenöre die Schönheit der Salome und die des Mondes besingen. Das dankt ihm diese nicht. Auf dieser Bühne noch weniger als sonst.
Läßt sie sich sonst nämlich noch anfänglich von seinen stimmlichen Flötentönen zum Innehalten motivieren, so fungiert sie in diesem klaustrophobischem Zuhause des gehobenen Bürgertums – nein, ein Palast ist das so wenig, wie Herodes ein König ist, ein Manager halt, der den Laden nicht mehr zusammenhalten kann, die Katastrophe aufhalten will, aber sie mitbeschleunigt und dann Schluß. Aber so weit sind wir immer noch nicht. Denn hier geht es einzig und allein um Salome, der die Regie auch noch die Funktion der Dea ex machina zuweist.
Wie sollen Männer dagegen ankommen? Da platzt das Zimmer am Anfang geradezu vor lauter Testosteron. Fast alle sind da: die Soldaten hier als militante Personenschützer (Young-Doo Park, Ulrich Burdack), die Nazarener als computersüchtig (Dmitry Lavrov) und Lebemann (Martin Blasius), Herodes im Schlafrock (Wolfgang Schmidt), später die fünf Juden irgendwie unspezifisch, Herodias (Renée Morloc) noch zurückhaltend, Narraboth den Wohlklang verbreitend und vom Pagen des Herodes ( Katarzyna Kuncio – am Tage zuvor Puccinis Suzuki!, Rollenwechsel!) angehimmelt, und dann kommt auch noch der virile Jochanaan aus seinem Verlies, der in dunkelgrauer Kapuzenjacke die aufgeheizte schwüle Atmosphäre dann wirklich zum Platzen bringt – für unsere Hauptperson, des Herodes Stieftöchterchen auf jeden Fall. John Wegner ist außerordentlich präsent und fasziniert alle Anwesenden: sie starren ihn an und hören seine machtvollen Verwünschungen. Er selbst läßt sich schon ein bißchen auf die weiblichen Reize der Salome ein. Dann wiederum widerstrebt er. Mehr kann sie beim lebenden Jochanaan nicht erreichen.
Die ganze Aufführung über gibt es viele kleine aberwitzige Regieeinfälle, die sinnvoll sind und zum genauen Hinschauen verpflichten: wie Herodes beispielsweise über die Heizung den aus dem Keller hochsingenden Jochanaan besser verstehen will. Da gibt es insbesondere der sexaufpeitschenden Einfälle so viele, denen das Publikum andächtig und oft leicht irritiert mit gespannter Aufmerksamkeit folgt. Morenike Fadayomi ist weniger Mädchen, mehr Frau, hauteng gekleidet, mit den Stiefelchen, mit denen sie – wie die anderen zunehmend auch – auf dem Bett, den Sesseln, der Couch herumhüpft, ein Ausbund an Vitalität, Nervosität und Erotik und doch auch ziellos und auf etwas wartend, was ihr Grenzen setzt, die nicht kommen. Also macht sie weiter, immer weiter, bis alle tot sind.
Stimmt, das steht so nicht in der Strauss'schen Salome, aber es ist durchaus eine Konsequenz dieser Inszenierung, die zum Massaker führt einschließlich der Selbstmordattentäterin Salome und am Schluß nur eine leben läßt, die eigentlich nur eine Assistenzfigur ist, hier aber ebenfalls eine tragende Rolle spielt und der Haupteinfall der Regie ist. Sie wird als hochbeiniges Servierfräulein von Alma Sadé verkörpert, die eigentlich nur der Sklave wäre. Hier aber wird sie zum alter ego der Königstochter und handelt ohne Federlesen in derem Sinne, ist ihr Ritter in der Not, dabei immer adrett anzusehen mit dem weißen Schürzchen auf dem knappen schwarzen Rock und langen schwarzbestrumpften Beinen (Kostüme: Silke Willrett). Gewollter Ausdruck dieser multiplen Persönlichkeitsstörung, zu der der Zufall aus Einanderfallen von Stimme und Spiel uns eh schon verleitete?
Das geht auf einmal sehr schnell. Herodes voll unterdrückten Verlangens nach Salome, verspricht ihr die ganze Welt, wenn sie für ihn tanzt. Der Schleiertanz ist immer ein Zentrum dieser Oper, weil mit ihm die Andeutungen zu Realitäten werden. Statt zu tanzen, fungiert Salome auch hier als Domina anderer Art über das Geschehen. Sie läßt hinter einem Vorhang, den sie dirigiert, sozusagen Lebende Bilder durch die Hofgesellschaft aufführen, die den sexbesessenen König und seine Entourage zeigen, was dieser selbst begeistert filmt.
Danach kommt die Konsequenz des Versprechens. Salome will den Kopf des Johannes auf einer Silberschüssel, damit sie ihn endlich küssen kann. Was sich sonst mit den schönsten Tönen,mit denen Salome um einen Kuß feilscht, verbindet und am Schluß drei Tote übrig läßt: den sich erdolchenden Narraboth, den ermordeten Jochanaan und die getötete Salome: der Donnerhall des Herodes: „Man töte dieses Weib!“ ist sonst die Erlösung aus dem Elend, findet hier nicht statt. Stattdessen bringt Salome der Reihe nach alle um, was nicht richtig ist, denn ihre Schwester im Geiste assistiert hier, hält ihr den Rücken frei. Was sonst die Vergeblichkeit des Tuns erkennen läßt, wenn Salome den Kopf des Jochanaan hält und seinen Mund küßt, war hier mit diesem blutigen Bündel ohne Silbertablett noch degoutanter. Was bleibt Salome, als sich, die keinen Meister gefunden hat, nun selbst zu richten und mit dem klassischen Pistolenschuß in den Mund sich auszulöschen?
Das Publikum war so verwirrt oder schockiert, daß es erst einmal fast stumm blieb und geringer Applaus erfolgte. Nach kurzem Durchschnaufen allerdings spendete es diesen reichlich. Die Leute hatten auch eine intensive, von den Salomes und von einer phantastischen Ensembleleistung getragene Aufführung erlebt, die in neuer Lesart -uns war zu viel Wahnsinn im Spiel und zu wenig psychoanalytische Zwischentöne - einen alten Stoff aufbereitete, dessen musikalische Süffigkeit mitsamt allen Orientalismen eine Schwüle erzeugt hatte, die nicht einmal durch dieses Ende erledigt war und sicher im Blut beim Heimgehen weiter pulsierte. Wir aber mußten an die erste Salome im Dezember 1905 denken. Die hatte nämlich bei den Proben zur Uraufführung die Verhaltenskonsequenzen der Salome auf der Bühne von sich gewiesen: „Ich bin eine anständige Frau, so etwas tue ich nicht!“ und dann doch gespielt. Ach, was würde diese Marie Wittich heute sagen? Und was tun?
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