Ein großartiges Konzert in der Fuldaer Orangerie

Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Das charakteristische, manchmal geradezu heulende Keyboard. Heftige Riffs auf der Gitarre. Lange Instrumentalphasen. Überraschende Breaks. Die Stimme des Sängers zum in die Knie gehen. Der satte, rockige Sound. Bereits im ersten Stück machen die Musiker klar, wohin die Reise gehen wird: „Spirit in the night“, der schon früh von Manfred Mann gecoverte Song Bruce Springsteens, wird von der Earth Band unverkennbar interpretiert.  


Beim nächsten Stück kommt der Keyboarder, der die Gruppe vor 45 Jahren gründete und ihm seinen Namen gab, mit einem Umhängeklavier (korrekt dem „Mini Moog“) nach vorn. Der coole, hoch aufgeschossene Sechsundsiebzigjährige liefert sich mit dem Gitarristen Mick Rogers, ebenfalls Mitgründer der Band, gnadenlose instrumentale Duelle. Dann wieder verschmelzen die Klänge der Spielgeräte im Duett, so dass sie sich kaum noch unterscheiden lassen.


Ob frühe eigene Songs oder Coverversionen von Springsteen, T-Rex oder Bob Dylan, immer zelebrieren die Spieler sie als geilen Blues Rock mit Jazzelementen. Wenn man will, kann man ihnen auch das Etikett „Progressive Rock“ der 1970er-Jahre verpassen, das allerdings schon lange seine Trennschärfe verloren hat. Die alten, sehr unterschiedlichen Stücke bekommen durch die Interpretation der Gruppe jedenfalls etwas Geschlossenes und Zeitloses. Sie wirken weder nostalgisch noch peinlich, wie die frühen Ausflüge der Combo in die Popmusik.


Manfred Mann’s Earth Band ist eine exzellente Livekapelle, die es durchaus verdient hätte, noch größere Hallen zu bespielen. Doch die von ihnen in der Fuldaer Orangerie geschaffene Club-Atmosphäre mit einigen hundert Besuchern ist natürlich höchst angenehm. Das Quintett macht keine Show-Mätzchen, nutzt allenfalls einige Lichteffekte.


Zur Abwechslung werden gelegentlich abweichende Darbietungen präsentiert: Einmal lässt sich Sänger Robert Hart ebenfalls eine Klampfe geben und trägt den - dadurch gitarrenlastigen - Dylan-Song „You Angel You“ vor. Dann ist Rogers allein auf der Bühne, schruppt den langen Gitarrenhals rauf und runter, um Boogie- oder jazzige Soli zu Gehör zu bringen.


Der Sänger, mal mit sonorer, dann mit sehr hoher oder Reibeisen-Stimme, ist in gutem Kontakt zum Publikum, ermuntert es zum Mitklatschen und Mitsingen ohne zu nerven. „Dave is on the road again“, trällern textsicher die Besucher. Bassist Steve Kinch und der neue Drummer John Lingwood schaffen, oft unterstützt vom Synthesizer des Chefs, durchgehend einen mitreißenden Groove. Der fährt heftig in die Beine, doch obwohl das Publikum nicht sehr alt ist, tanzt seltsamerweise niemand.


Erst gegen Ende des Konzerts gibt es kein Halten mehr auf den Stühlen. Stehende Ovationen. Viele strömen nach vorne. Etliche tanzen. Und ganz zum Schluss, nach der letzten Zugabe - mit dem wenig überzeugenden „Pretty Flamingo“ oder „Do Wah Diddy“ - stehen die Musiker am Bühnenrand. Sie hören nur noch zu, wie die Fuldaer ihnen zum Abschied Bob Dylans surrealen „Mighty Quinn“ vorsingen: „Come all without, come all within / You’ll not see nothing like the mighty Quinn!“ („Kommt alle ran, kommt aller her / so was wie den großen Quinn, seht ihr so schnell nicht mehr!“).

Foto: (c) Foto vom Veranstalter:  Manfred Mann (Mitte mit Umhängeklavier)