7. Internationale Deutsche Pianistenpreis im Rahmen der Musikmesse Frankfurt 2017 am 4. und 5. April, Teil 10: Das GRAND FINALE in der Alten Oper
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nach der Pause spielte Eric Lu Rachmaninows Drittes Klavierkonzert in d-Moll, das dieser schon 1909 und noch in Rußland schrieb. Da war der 1873 Geborene gerade 36 Jahre.
Rachmaninow hatte die Jahre seit 1906 im Ausland verbracht, hauptsächlich in Deutschland, dort in Dresden. Er war als Vizepräsident und Dirigent der Russischen Musikgesellschaft ernannt worden, kehrte deshalb 1909 nach Rußland zurück, bereitete aber auch eine Tournee durch die Vereinigten Staaten vor. Für diese komponierte er auf dem Familiengut, das seine Frau in die Ehe gebracht hatte und das heute als Rachmaninowmuseum dient, das besonders anspruchsvolle 3. Klavierkonzert, um das es heute Abend geht. Nicht umsonst haben gleich die Hälfte der sechs Wettbewerber in freier Wahl der drei Klavierkonzerte von Beethoven (5.), Brahms (3.) und eben Rachmaninows Drittes, sich für dieses entschieden.
Wie schwierig, aber eben spektakulär virtuos sein Klavierkonzert für Rachmaninow selber war, hat er oft betont. Auf der Überfahrt in die USA hatte er auf jeden Fall eine Klaviatur dabei, auf der er stumm übte, um die Fingerläufe fehlerfrei zu automatisieren. Denn Rachmaninow war ja nicht nur Komponist, sondern Pianist und Dirigent dazu. Von der Reaktion seines amerikanischen Publikums war er eher enttäuscht, verwahrte sich auch dagegen, er habe ein Kirchenlied oder ein russisches Volkslied genutzt. Denn seine Hörer vermeinten, einen typisch russischen Klang, ein eher einfaches Thema in Sonatenform zu hören. Heute ist dieser Klavierpart meist wie an diesem Abend ohne die noch schwierigeren Kadenzen zu hören. Es bleibt anspruchsvoll genug mit hohem Schwierigkeitsgrad.
Mit Eric Lu betrat sozusagen die personale Alternative von Fabio Martino die Bühne. Schlaksig, in der Wahrnehmung extrem schüchtern, zumindest verschlossen, fast autistisch, betrat der hochgewachsene 19jährige Amerikaner mit chinesischen Wurzeln die Bühne. Und ach, oh Wunder, seine ersten Töne ließen den Dirigenten aufmerken und er gab sehr viel engagierter die Einsätze und vor allem die Laut- und Leise Hinweise ans Orchester.
Keine Frage, die Aufführung durch Eric Lu war hervorragend. Er bewältigte die Schwierigkeiten virtuos und die beiden Großleinwände gaben seine Fingerfertigkeit optimal wieder. Ja, manchmal kam es sogar soweit, daß immer wieder das Auge und die Kamera den Fingern und dem Ohr hinterherhinkten und man die langen dünnen Finger in ihren Bewegungen dreifach als optische Täuschung wahrnahm. Die Interpretation reduzierte sich nicht auf die Technik. Er gab auch den einzelnen Passagen ihren Wert und konnte vor allem in Punkto Schnelligkeit sicher alle Klippen umschiffen, die im Verspielen und dem mangelnden Ausdruck liegen.Nimmt man alles in allem, gab er allen Ansprüchen Raum: er spielte dramatisch, poetisch, lyrisch, vorneübergebeut ins Geschehen vertieft – und das alles ausgesprochen artistisch.
Nein, dies Klavierkonzert ist einfach ein Renner im Musikgeschäft und sein Interpret an diesem Abend derjenige, der das Herz der Zuhörer gewann, denn sicher ist bei der Abstimmung auch Herzblut dabei, wenn immerhin fast 80 Prozent der Zuhörer, die das Smartphone beherrschen per App "idpp2017" ihm den Publikumspreis zuerkennen. Die Jury, die den Preisträger bestimmt, hatte ich auf Eric Lu geeinigt.
P.S. I Die Welt ist vergeßlich. Denn eigentlich müßte man Rachmaninows 3. Klavierkonzert auch mit seiner weiteren Rezension Ende des 20. Jahrhundert tradieren. Bis dahin war nämlich sein 2. Klavierkonzert das beliebteste und 'beste' gewesen. Der Film SHINE bereitete den Siegeszug des Dritten vor. Im Film Shine – Der Weg ans Licht geht es um den australischen Pianisten David Helfgott, der bei der Aufführung des Rachmaninowschen Konzerts in London einen Nervenzusammenbruch erlitt, eine 'schizoaffektive Störung, weshalb er viele Jahr in psyhiatrischen Kliniken verbrachte. Man kann das übrigens nachhören. Denn nach seiner Gesundung spielte Helfgott Rachmaninows dritten Klavierkonzert ein und war jahrelang auf Platz 1 der Klassik-Charts. Allerdings wird in der Alten Oper klar, daß seine Einspielung kein Vorbild für Eric Lu war und ist. Was gut ist.
P.S. II Keine Ahnung, warum alle Welt auf Deutsch Rachmaninow schreibt, dem wir uns anpassen. Wir hatten immer Rachmaninoff geschrieben, weil er sich selbst so schrieb.
Das Prozedere
Der achte Wettbewerb des Internationalen Deutschen Pianistenpreises hatte aus seinen Anfängen gelernt und das Programm für die Zuhörer reduziert. Denn ursprünglich hatten die letzten Sechs das Abschlußkonzert bestritten, von denen dann einer der Gewinner des Wettbewerbs war. Dazu war eine Menge Konzentration der Zuhörer nötig. Uns allerdings hatte die Vielfalt gefallen.
Den Wettbewerb zu gewinnen, erschöpft sich nicht im Geld, sondern schließt die Produktion von CD und Konzerten ein. Maryam Maleki, die diesen Preis kreierte und diejenige ist, die diesen Wettbewerb zusammenhält und insbesondere sehr fürsorglich für die jungen Pianisten sorgt, hat die gemeinsame Weiterarbeit zwischen Preisträger und dem Ausrichter des Preises, dem Internationalen Piano Forum hervorragend mit Leben erfüllt. Diesmal wird der Gewinner mit dem heutigen Orchester, der Staatskapelle Halle, in Halle auftreten.
In diesem Jahr sind nur sechs der 100 Bewerber ( es gab schon Runden mit 10 anwesenden Bewerbern) um den Preis sind nach Frankfurt eingeladen worden: fünf Pianisten, eine Pianistin. Am Konzerttag haben sich nach den Pflichtübungen vom Vortag dann die sechs in einem FINALE messen müssen, aus dem Fabio Martino und Eric Lu hervorstachen und in die Endausscheidung, dem GRAND FINALE in der Alten Oper gelangten.
Weltexpresso hat im Vorfeld über die einzelnen Bewerber und den Gesamtpreis berichtet.
Foto: © Internationales Piano Forum
Info: Nächster Wettbewerb im April 2018