Serie: Unterwegs auf dem Schluchtensteig, Teil 1/4
Thomas Adamczak
Südschwarzwald (Weltexpresso) - Das für Wanderfreundinnen und - freunde fabelhafte Buch »Lob des Gehens« des französischen Autors David Le Breton (Matthes & Seitz Berlin, 2015) endet mit folgendem Fazit:
»Zum Glück gehen wir ... in den Städten ... ,in den Wäldern, Bergen und Wüsten, um neue Bilder und Empfindungen aufzunehmen, neue Orte und Gesichter kennenzulernen, einen Vorwand zum Schreiben zu finden, den Blick zu erneuern, ohne jemals zu vergessen, dass die Erde eher für die Füße als für den Reifen geschaffen ist und dass, wenn wir einen Körper haben, es angebracht ist, ihn einzusetzen.«
Nehmen wir zur Illustration dieser These beispielsweise die Fernwanderungen durch den Schluchtensteig im Südschwarzwald: Naturschutzgebiet seit 1939. Länge: knapp 120 km. Er führt vom Ort Stühlingen direkt an der Schweizer Grenze bis nach Wehr und ist in sechs Etappen gut zu bewältigen. Der niedrigste Punkt liegt auf 342 m, der höchste bei 1148 m über dem Meeresspiegel. Insgesamt sind 2500 Höhenmeter zu bewältigen, die wenigsten (239 m) auf der 2. Etappe, die meisten (739 m) auf der 1. Etappe.
Solche und manch andere nützliche Angaben finden sich im Hikeline Wanderführer »Schluchtensteig« des Autorenteams Sabine Malecha/ Joachim Lutz, einem nützlichen und hilfreichen Begleiter auf der Wanderung.
Das Symbol dieses Wanderwegs ist die Schluchtensteigraute, ein Zeichen, das unerwartet durch die Kanzlerin an Bedeutung gewonnen hat. Auf diesem Steig können Sie, so verstehe ich die stillschweigende Aufforderung der Raute am Wegesrand, zur Ruhe kommen, sich auf sich und diese außergewöhnlich eindrucksvolle Landschaft konzentrieren. Und das ist gut so!
Was erwartet den Wanderer auf dem Schluchtensteig?
Zunächst und vor allem: eine nahezu unberührte Natur, Herman Schorhammer, dem »Vater des Naturschutzgebietes Wutachschlucht« sei Dank. Schorhammer übernahm 1921 die Leitung des Wasser-und Straßenbauamts Bonndorf und wurde 1922 Vorsitzender des dortigen Schwarzwaldvereins. 1928 beschloss der Badische Landtag auf Schorhammers Initiative hin die Einrichtung des Naturschutzgebietes »Wutach-Gauchachtal«, das 1939 verwirklicht wurde.
Einige Stichworte zu der weitgehend unberührten Natur. Mich beeindruckte bei der Wanderung im Juni vor allem die vor Grün nur so strotzende urwaldähnliche Flora. Ein gigantisch anmutender Naturwald, bemooste Steine, riesige Farne, undurchdringliches Gebüsch, schmale, manchmal regelrecht wild wirkende Steige, Wurzelwerk auf den Pfaden, kleine und größere Wasserfälle, abwechslungsreiche Schluchten, in denen die Flüsse Wutach und später Wehra mehr oder weniger ungestüm sich ihren Weg bahnen.
Gelegentlich drohen die vielfältigen Eindrücke den Wanderer zu überfordern, zumal gutmeinende Informationstafeln wiederholt völlig zu Recht mahnen, wegen des oft nassen, rutschigen Untergrunds beim Gehen Vorsicht walten zu lassen. Die Wege führen am Grund der Schlucht dicht an steilen Felsen entlang, neben dem Flüsschen. Dann wieder führt der Weg aufwärts und man entfernt sich vom Wasser, entdeckt Felstürme, genießt weite Blicke von Felskanzeln und Felskuppen.
Plötzlich eine offene Hochweide, ein Moor, bunte Blumenwiesen, ein Tannenforst, dichtester Wald, der an heißen Tagen wie die Wege in den Schluchten angenehme Kühle bietet.
Dem Wanderführer ist zu entnehmen, dass das Naturschutzgebiet Wutachschlucht ein Eldorado für Hobbybotaniker ist. 1200 Pflanzenarten der 2500 in Mitteleuropa vorkommenden Pflanzen sollen hier zu finden sein. Darunter Seltenheiten wie Hirschzunge, Felsennelke, Türkenbund und im Herbst sogar Silbertaler. Dreißig verschiedene Orchideenarten! (Gerade mal zwei davon entdecke ich.) Zudem sind 500 Schmetterlingsarten zu entdecken und allerlei seltene Vögel wie Eisvogel, Wanderfalke, Dohle.
Wie bereits erwähnt, ist eine solche Vielfalt bei der erstmaligen Wanderung auf diesem Steig unmöglich zu erfassen, aber dass diese Landschaft vielfältig und abwechslungsreich ist, bekommt der Wanderer sehr wohl mit und staunt demzufolge unentwegt. (Fortsetzung folgt)
Foto: Eindrücke vom Schluchtensteig: die Schlucht © manfred.neeb
Info:
https://www.stuehlingen.de/index.php?id=3
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/5286-lob-des-gehens