Die Magie der Winterstrände an der Nordsee, Teil 2
Konrad Daniel
Föhr (Weltexpresso) - Es geht weiter in den Norden, hinüber auf die Inseln – dort liegen die großen Strände; riesige, leere Räume mit viel Platz für sich selbst. Das Wasser ist weit abgelaufen, erfrischender Wind weht über die offene Wattfläche.
Wenn das Watt im Sommer manchmal muffig riecht, dann an diesem Morgen so, als ob man die Kühlschranktür öffnet und die Nase in einen Sack kalter Miesmuscheln steckt; nach dem Meer, klar und köstlich. Am Horizont stehen wie akkurat ausgeschnitten die Silhouetten der Halligen – Langeneß und Hooge vor dem reinen, ausgefrorenen Himmelsblau.
Allein die Möwen und deren sehnsuchtsvolle Rufe begleiten den einsamen Wanderer auf der zunehmend leerer werdenden Strecke von Wyk nach Westen. Föhr hat seinen Sandstrand im Süden der Insel zwischen Wyk und Utersum, das verspricht stille Stunden Spazierengehen. Zeit für den Gang durch den Sand und Muße, sich darin und dabei zu verlieren. Strandhafer in der Farbe von Messing wippt einsam im Wind, übrig geblieben vom letzten Sommer. Und leise klirren die Schritte dort, wo aus stillem Nordseewasser über Nacht Eis geworden ist.
Niemand stört oder steht dem Blick bis zum Horizont im Weg. Vor dem blauen Himmel wirken die Silhouetten der Kiefern beinahe schwarz, die Dünen leuchten im Kontrast. Das kalte, nordische Licht flutet auf eine aufgeräumte und vom Winterwind leergefegte Bühne. Bald ist der Weg nach Nieblum erreicht; wer mag, kann sich beispielsweise gleich hier im „Kliff-Café“ mit Kaffee und Kuchen, mit Waffeln und beim Meerblick stärken oder im nahen Friesendorf Nieblum mit seinen Bilderbuch-Reetdach-Häusern aufwärmen. Etwas weiter liegt das Dorf Alkersum, dort empfiehlt sich „Grethjens Gasthof“ im Museum Kunst der Westküste für einen stilvollen Ausklang.
Winterwanderungen am Strand führen oft zu einer Losgelöstheit; ist es die Leere, ist es das besondere Licht? Die Klarheit und die Reinheit? Alles zusammen? Oder liegt es daran, dass die Gedanken in dieser Aufgeräumtheit plötzlich Platz haben zu fliegen? An einer selten erlebten Unbeschwertheit und Leichtigkeit? Oder sind es – neben der Stille und Aufgeräumtheit – die ungezähmten Naturgewalten, wenn das Meer tobt und kracht und man selbst allenfalls eine Randnotiz ist und Spielball im Wind? Am winterlichen Strand findet sich etwas, das unbezahlbar doch völlig kostenlos ist: Ruhe. Auch innere. Und überhaupt: Kann man das aushalten. Es nennt sich Freiheit.
Foto: www.nordseetourismus.de