Die dritte Siam-Reise (4): Ein Himmel aus Laternen
Hannah Wölfel und Hanswerner Kruse
Unter siamesischem Himmel (Weltexpresso) - Abends, nach Einbruch der Dunkelheit, steigen sehr, sehr langsam „Milchstraßen von leuchtenden Ballonen zum Vollmond auf“ (Hannah). Unzählige Papierballons bedecken den Himmel über Chiang Mai, ein atemberaubender und berührender Anblick. In der Stadt haben sämtliche Geschäfte zahllose Kerzen an Straßenrändern, Treppen und auf Mauern aufgestellt. In den Läden und Kneipen hängen Lampions oder Laternen eng aneinander an den Decken. Doch am Schönsten sind die Pagoden und Klöster mit Lichtinstallationen geschmückt. In den großen Touristentempeln drängen sich zwar Tausende von Besuchern mit ihren Smartphones, da ist sehr viel Hektik und Unruhe, doch in den zahlreichen Wats in den Seitengassen ist ebenfalls alles illuminiert - jedoch herrscht hier kontemplative Ruhe, nur leise Gesänge der Mönche sind zu hören.
Am Platz vor dem Kultur- und Kunstzentrum sind viele, intensiv leuchtende Lichtinstallationen aufgebaut: Ein Labyrinth, das zu den verschiedenen buddhistischen Monaten führt, Massen von farbigen Ballonen, im Tempel nebenan hängt Hannah eine Laterne mit unseren Namen auf. Nirgendwo sehen wir elektrisches Licht oder Lichterketten (das würde sich ja anbieten), stattdessen ausschließlich Kerzen und Öllampen. Das schafft noch mal eine besondere Atmosphäre unter dem kräftigen Vollmond! Alles ist einfach poetisch, anrührend und beruhigend - ohne viel Aufwand. Auf dem Platz hocken im Halbdunkeln „Bastelgruppen“, in denen größere Kinder, Männer und Frauen Laternen oder Schiffe gestalten, die später im großen Fluss, dem Mae Ping, mit Kerzen ausgesetzt werden und nach Süden treiben.
In dieser Woche fallen in hier Chiang Mai das Loi Krathong - der buddhistische Tag des Vollmonds im zwölften Monat - mit dem nordthailändischen Yee Peng Festival, dem Laternenfest, zusammen. Unser Weihnachten wirkt dagegen ziemlich profan und kommerziell...
Zwischendurch stehen wir morgens einmal um sechs Uhr auf, quetschen uns in einen Kleinbus mit insgesamt 15 jungen Leuten eng zusammen und fahren in den Ithanon-Nationalpark. Eigentlich hatten wir diese Exkursion als Trecking Tour gebucht, doch ziemlich hektisch treibt uns die thailändische Reiseführerin zunächst an einen riesigen Wasserfall, in ein Bergdorf (in dem die Bewohner Kaffee anbauen, den wir probieren dürfen), auf einen Markt der Bergvölker und in einen Riesentempel, in dem fantastische Alltagsszenen der Thais an die Decke gemalt sind. Rolltreppen fahren übrigens zu den Tempeln hoch, die auf kleinen Bergen stehen. Über diesem bunten Unterhaltungsprogramm, zu dem noch ein hervorragendes Essen gehört, schwebt die unermüdlich wiederholte, düstere Drohung unserer Führerin, uns zu beeilen: „Hurry up, because we will go trecking.“
Irgendwann treibt sie uns dann tatsächlich - mit 21 Stationen - bis auf 2.500 Meter Höhe zwei Stunden lang durch den Urwald. Ein fantastischer Blick über den Nationalpark belohnt uns, auf dem höchsten Punkt in Thailand macht sie Fotos von uns. Auf dem Rückweg verständigt sie sich, ausschließlich schreiend über unsere Köpfe hinweg, mit den lokalen Führern. Auf Fragen von uns gibt es nur karge Antworten, erklären tut sie nichts: kommunikativ ist diese hektische Frau nicht:
„Are you ready?“ No answer (stöhnen, grummeln, schweigen). „Ok, let’s go...“
Aber in unserer Gruppe mit sechs kommunikationsfreudigen Vietnamesen*innen, zwei deutschen Kinderkrankenschwestern, einer US-amerikanischen TV-Journalistin und einem kanadischen Pärchen haben wir jede Menge Spaß und spannende Gespräche. Am Abend sind Hannah und ich erledigt (die anderen übrigens auch), doch erstaunlicherweise überstehen unsere alten Knie und Gelenke gut die hektische Wanderung, rauf und runter über mehrere hundert Meter Höhenunterschied.
Mein Muskelkater ist noch vom Vortag, an dem ein extrem junges und zartes Thaimädchen mir eine ziemlich heftige Massage verpasst hat: eine gute Vorbereitung für diese Tour.
Fotos:
Im Text erwähnte Eindrücke vom Lichterfest und unserer „Wanderung“ © Hanswerner Kruse