Dritte Süd-Ostasienreise (8): Kambodscha
Hannah Wölfel & Hanswerner Kruse
Battambang/Kambodscha (Weltexpresso) - Morgens brüllen sich die Mönche des nahen Klosters ins Nirwana, nachmittags hört man dröhnende kambodschanische Populärmusik mit viel HuäHuäHuä und dazu erstaunlicherweise schräger Minimalmusik auf Blockflöten oder Bambushölzern. Die Hälfte unserer Reise ist bald herum, heute fliegen wir nach Bangkok zurück, dafür müssen wir dann noch mal über die holprige Strecke nach Siem Reap zurück rumpeln.
Wir leben hier in einem sehr schönen Garten-Ressort mit großzügigen Pavillons um einen fantastischen Pool, irgendwo recht abgelegen am Rande der Stadt Battambang. Die Anlage ist sehr gepflegt, sie probiert westlichen Standard, dennoch haben wir in unseren Zimmer schon 4 Kakerlaken gekillt, dafür aber jeden Tag frische Handtücher bekommen... Unsere Service-Frau Sunny hat uns in ihr Herz geschlossen, bei jeder Begegnung will sie uns französisch küssen.
Irgendwann kommen wir tatsächlich darauf, dass man hier auch einfach nur relaxen und es sich wohlergehen lassen kann. Anfangs war die feuchte Wärme unerträglich, die Luftfeuchtigkeit betrug 97% - das Klima ist anders als in Thailand. Battambang ist keine attraktive, sondern eine recht heruntergekommene Stadt! Der Lonely Planet behauptet zwar, es gebe die wunderschöne Kolonialarchitektur der Franzosen, aber im Vergleich - etwa mit Luang Pragang in Laos - hat diese zweitgrößte Stadt Kambodschas wirklich keinen Charme mit ihrer übel zugerichteten Architektur.
Die Provinz um Battambang war eine der Hochburgen der Roten Khmer, in der sie schlimm wüteten, natürlich ist das auch Thema auf einer kleinen Tour mit unserem Tuc-Tuc-Fahrer Sam. Wir sehen und erfahren zwar alles über die Weiterverarbeitung von Reis: Besuchen eine Manufaktur zur Herstellung von Reisnudeln, erleben das Erstellen von Reispapier für Frühlingsrollen mit anschließendem Imbiss oder bekommen sogar die Destillation von Reise Napp (Reisschnaps) erklärt. Wir besuchen tatsächlich auch eine Krokodilfarm, in denen es den Echsen mit Sicherheit besser geht, als den armen Schweinen in westfälischen Ställen.
Aber die Terrorherrschaft begegnet uns auch hier, wir besuchen den Tempel, der von den Khmer Rouge als Gefängnis genutzt wurde (anfangs schlossen sich sogar Mönche den Aufständischen an) und in dem sie über 10.000 Menschen massakrierten. Das Mahnmal mit aufgestapelten Schädeln und Knochen erinnert an die Ereignisse: In Halbreliefs im Stil der Ankor Wat Bänderreliefs wird (noch sehr milde) ausgedrückt, wie die Bewohner Battambangs auf Land getrieben, dort von ihren Familien getrennt und zu Tode gequält wurden. Natürlich haben die Roten auch hier ihre Untaten akribisch dokumentiert...
Sam, unser Fahrer, weiß ziemlich gut Bescheid. Mit einem Wortspiel auf englisch beschreibt er die damalige Situation, alle Menschen hatten zahlreiche pEYEneapple (Ananas-Augen) und überwachten einander. Als die Roten Khmer das Land terrorisierten, war er noch ein Baby und konnte nur deshalb überleben, weil seine Verwandten Farmer waren. Die Großmutter schaffte es auch, ihn und andere Kinder als Bauersfrau vor der Verschleppung in Kinderlager zu bewahren.
Die Stadt soll voller Kunst sein, doch die große Lotusgalerie ist ohne Begründung geschlossen, das Choco-Café oder kleinere Ateliers sind nun nicht gerade mit der thailändischen Kunst-Szene zu vergleichen. Wir finden stattdessen aber auch wieder den Kontakt mit der Geschichte Kambodschas:
(Wir diskutieren, ob wir zwischen den lustigen Reisebeschreibungen einfach die düsteren Dinge einfügen dürfen: „Ja, das ist doch die kambodschanische Realität“, meint Hannah, „außerdem aßen die viel Reis und mussten ihn vorher so bearbeiten.“ )
Wir fahren mit der alten französischen Bambusbahn 20 Minuten lang eine schnurgerade Strecke, warten 20 Minuten, in denen wir uns mit einer begnadeten Schauspieler-Verkäuferin anfreunden, dann fahren wir auf der schnurgerade Strecke wieder 20 Minuten zurück. Spannend wird es, wenn eine andere Bahn entgegenkommt: Schwuppdiwupp wird der Motor abgenommen, die Bambushölzer weggetragen und die Räder von den Schienen genommen. Tagelang tun unsere Rücken weh - eine besondere Khmer-Massage soll Abhilfe schaffen. Wir gehen zu den „Seeing Hands“, einer Blindenvereinigung, von der unser Guide Lonely Planet behauptet: „Blinde Fachkräfte bieten wohltuende Massagen an.“
Doch diese sogenannte Massage ist einfach nur blöd, es gibt kein Eröffnungsritual mit Füßewaschen und keine Schlussrunde mit Tee. In den hässlichen dreckigen Betonräumen mit grellem Licht (den Blinden ist es wurscht, was wir sehen müssen) wird einfach nur an uns herumgezuppelt. Mich (Hanswerner) hat es besonders hart getroffen, an mir streicht und reibt lustlos mit flachen Händen ein Lehrling herum: Arme rauf und runter, Beine rauf und runter, Rücken rauf und runter... Ein extrem unprofessionelles Projekt, als könnten blinde Menschen nicht richtig massieren lernen. Aber eine schlechte Erfahrung ist ja auch eine gute Erfahrung!
Anschließend lernen wir endlich die Lotusgalerie kennen: Als ich auf dem Fußboden der Malerin im ersten Stock der Galerie sitze, klebe ich mit dem, vom idiotischen Novizen nicht abgewischten Öl am Boden fest. Aber mich trösten die spannenden Gespräche über die Kambodschanische Kunstszene. Im Gegensatz zur kommerziellen Achse New York / Pnom Pen, sind die Kreativen hier betulicher und lokal orientiert. Leider können wir den Kontakt nicht vertiefen, am nächsten Tag reisen wir leider ab.
Aus einem Interview von Hannah und Hanswerner mit Jan Josef Liefers (54)
Der Schauspieler und Musiker reist gerne und findet es gut, mit seiner Band unterwegs zu sein: „Es ist so irre, dass viele wieder einen Zaun und die Nation haben wollen - dabei sind wir doch global citizens (Weltbürger). Diese seltsamen Ansichten werden gemildert, wenn wir uns bewegen, wenn wir woanders sind und Standpunkte und Perspektiven verändern: Dadurch wird man niemals dümmer als man hingeht!“
Fotos:
Im Text erwähnte Motive
© Hanswerner Kruse