Wolfgang Mielke
Durbach (Weltexpresso) - Aber Guy de Lusignan, den ich mir als einen unsoliden, geschickten Lebemann vorstelle, war damit noch nicht am Ende, denn der englische König Richard Löwenherz (1157 – 1199), der seine Finger ebenfalls im Spiel der Kreuzzüge hatte, im 'dritten' von 1189 – 1192 nämlich, verkaufte ihm die zuvor von ihm eroberte Insel Zypern. Auf diese Weise wurde Guy de Lusignan zum ersten König von Zypern; - gerade rechtzeitig nach dem Verlust Jesusalems. Er starb nur zwei Jahre später, 1194; aber seine Familie regierte Zypern bis zum Aussterben ihrer männlichen Nachkommen noch bis 1474.
Es gibt Vermutungen, dass die Melusinensage oder Motive von ihr durch die Beziehungen der Familie Lusignan über Zypern nach Südfrankreich gelangt sein könnten. Und es heißt, Melusine würde sich jedesmal öffentlich zeigen, wenn ein neuer Herr in die Burg Lusignan einziehe. Der durch die von ihm in Auftrag gegebenen Stundenbücher berühmt gewordene Herzog von Berry (1340 – 1416), der 1356 die Verwaltung über das Poitou erhielt, berichtete über solche Erscheinungen: Und im März-Bild seiner "Trés Riches Heures" (1410 – 1416), das zu den größten Werken der Buchmalerei überhaupt gehört, sieht man auch die Burg Lusignan dargestellt. Oben rechts auf der 'Tour Poitevine' sieht man die goldene, geflügelte Schlange; 'lusen' sollte ja aus dem Bretonischen kommen und eben 'Schlange' bedeuten; sie erinnert aber gleichzeitig auch an einen Drachen: Melusine, von der es heißt, sie habe diese Burg während einer einzigen Nacht errichtet ...
Ein solcher Drachen – oder eben eine solche Schlange – ziert auch den Dachfirst des Schlosses Staufenberg, oberhalb von Durbach, der allerdings, - und sicher nicht zufällig -, an ein See-Ungeheuer erinnert. 'Mer' im Französischen kann natürlich ebenso gut auch von 'la mer' – dem Meer kommen; dann hieße Melusine 'Meeresschlange' – und nicht 'Mutter mit Schlangenschwanz', was auf 'la mère' – 'die Mutter' zurückzuführen wäre. --- In beiden Fällen natürlich, und darauf kommt es an, handelt es sich um ein weibliches Wunderwesen, und die Tatsache, dass sowohl die im 19. Jahrhundert abgerissene Burg Lusignan durch ein solches Fabeltier geschmückt wurde wie auch die etwas jüngere, im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts entstandene Staufernburg zeigt, dass das Motiv der Mahrtenehe mehrfach in Europa verbreitet war. -- Melusine wurde sogar zum Logo des 1971 in den USA gegründeten Kaffee-Unternehmens "Starbucks Coffee"!
In Durbach-Staufenberg war es der historische Peter von Staufenberg, der sich mit einer solchen Wunderfee verband. Der - politisch - etwas schwammige Schriftsteller Herbert Kranz (1891 – 1973) hat in seinem Band "Die deutschen Volksbücher" von 1934 /1941 /1956 die Sage um Peter von Staufenberg nacherzählt. Die Bedingung, die ihm in dieser Verbindung auferlegt wird, ist die Forderung der Ehelosigkeit. Wann immer ihm danach ist, darf er die wunscherschöne Zauberfee rufen – und mit ihr Stunden und Nächte der Wonne erleben. Sobald er aber heiraten würde, müsste er innerhalb von drei Tagen sterben. Natürlich ist auch seine Fee für ihn die schönste Frau der Welt. #"'Sie muss vom Himmel herabgestiegen sein'"#, denkt sich schon sein Bursche, den er voraus schickte und der diese Fee daher zuerst erblicken darf. - Auch diese Wundergestalt schenkt ihrem Ritter, ebenso wie Melusine, deren Name hier nicht genannt wird, obgleich es sich ja laut dem Reiseführter von 1956 um Melusine handeln soll, Ruhm und Erfolg. Nicht anders erging es der Familie Lusignan. Aber auch hier drängt sich das Unheil von außen auf. #"Die Leute! Immer die Leute"# – heißt es in Goethes (1749 – 1832) "Clavigo". So auch hier: Der Kaiser selbst bietet ihm die Hand seiner Nichte an. Dem getraut sich Peter von Staufenberg nicht zuwider zu handeln. Nach der Zeremonie beginnt bereits sein Sterben: Er verfällt, wie es im Text heißt, #"von Stunde zu Stunde"# ... --------
Nach den Verheerungen durch die französische Expansionspolitik unter Ludwig XIV. (1638 – 1715) in dem durch den Dreißigjährigen Krieg stark geschwächten Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, durch die auch das Elsaß und Straßburg dem wachsenden Frankreich einverleibt wurden, kaufte 1693 der Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (1655 - 1707) die Burg Staufenberg. Dieser Markgraf hatte seinen Ruhm seit der Befreiung Wiens von der türkischen Belagerung, 1683, erworben; und in den darauf folgenden 'Türkenkriegen', die ihm wegen seiner Erfolge den Spitznamen "Türkenlouis" einbrachten. - Aber erst durch seine Nachfahren erhielt die Burg nach 1832 ihre heutige, romantisierende Gestalt.
FORTSETZUNG FOLGT
Foto:
Richard Lowenherz 1157-99
Richard Lowenherz 1157-99