Funde von den ersten modernen Menschen in Europa schon 44 200 und 45 000 Jahre alt

 

Gerhard Wiedemann

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Immer älter werden sie, die Fundstücke vom ersten Europäer, dem Cro-Magnon-Mensch und Homo sapiens der letzten Eiszeit, die man nicht verwechseln darf mit den Neandertalern, die zwar Europa und insbesondere Neandertal besiedelten, aber genetisch nicht unsere Vorfahren sind, sondern ausstarben. Ein Backenzahn ist es, der jetzt in Wien mithilfe der Computertomographie eindeutig als Zahn des modernen Menschen identifiziert wurde und 43 000 bis 45 000 Jahre alt sein soll.

 

 

Ergebnisse der Studie, die eine Forschergruppe um Stefano Benazzi an der Universität Wien an alten Zähnen mit neuen Methoden und neuen Ergebnissen erstellt hatte, wurde gerade in der Zeitschrift „Nature“ vorgestellt. Demnach handelt es sich um zwei Milchzähne, vom linken Oberkiefer, also Backenzähne, die in Italien in der Höhle von Cavallo in Apulien 1964 gefunden wurden und bisher mehrheitlich den Neandertalern zugeschrieben wurde. Jetzt kam als Untersuchung ein ‚morphometrisches Verfahren‘ hinzu. Ottmar Kullmer vom Senckenberginstitut in Frankfurt – immer wieder muß man betonen, daß das Museum Senckenberg nur die Spitze des Eisbergs ist, dem mehrhundertköpfige Forscherabteilungen in der Bundesrepublik angeschlossen sind – war an den Untersuchungen in Wien beteiligt und begründet die Zuschreibung an den modernen Menschen auch dadurch, daß der Zahnschmelz verhältnismäßig dick und der Zahn in der Form eben modern sei, zudem: „Man kennt keine Milchzählen von Neandertalern, die mit denen aus Cavallo übereinstimmen.“

 

Im Ergebnis bedeutet diese Vordatierung, daß der Zeitraum, wo Neandertaler und moderner Mensch in Europa in Koexistenz lebten ein weiterer ist als bisher angenommen. Daraus muß man dann schlußfolgern, daß beispielsweise Gegenstände wie Schmuck aus Muschelschalen und Knochenwerkzeuge, die bisher als den Neandertalern zugehörig galten, schon zu den ersten modernen Menschen gehören. Bisher hatte man als ältesten Beleg für diesen in Europa Kiefernreste in Rumänien angesehen, die man auf 39 000 bis 40 000 Jahre ansetzt, was nun um bis zu 5 000 Jahre übertroffen wurde.

 

Die Wiener Forschungsergebnisse der italienischen Funde korrespondieren mit neuen Messungen in England. Dort wurde 1927 ein Oberkiefernfragment mit drei Zähnen in Höhlen bei Kent entdeckt, die eindeutig dem modernen Menschen zugeordnet und bisher auf 35 000 bis 36 000 Jahre datiert wurden. Ein ‚verläßlicheres Verfahren‘, von dem wir nicht wissen, welches es ist, es aber auch nicht überprüfen könnten, hat nun an der Universität Oxford den Fund erneut untersucht, demnach er auf mindestens 41 500, bis zu 44 200 Jahre bestimmt wrude, wie „Nature“ ebenfalls mitteilte.

 

 Diese Forschungsergebnisse passen gut zum derzeit öffentlich laufenden Film von Werner Herzog über die Felsenzeichnungen in der Höhle von Chauvet, die bisher älteste aufgefundene Höhle mit Zeichnungen in Europa. Diese, mit rund 32 000 Jahren stammen wie die späteren Höhlenmalereien aus dem Jungpaläolithikum, also vom anatomisch modernen Menschen, dem Cro-Magnon-Mensch. Die Masse der Höhlen, der bisher entdeckten Höhlen, muß man eindeutig sagen, liegen im mittleren und südlichen Frankreich und ziehen sich bis Nordspanien hin, weshalb ihre Kunst als frankokantabrische Höhlenkunst genannt wird.