Der laufende Kahlschlag im Taunus brachte einen vom Schrecken begleiteten Wandertag mit sich
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wer nimmt sich schon noch das Bewandern eines an die tausend Meter hohen Bergs in Greifweite der Metropolregion vor. Es sind nur Minderheiten. Kaum jemand begegnet einem. Nicht-Hessen können es kaum fassen, dass wir in unmittelbarer Nähe einen zum Greifen nahen hohen Berg von fast 1000 Meter zur Verfügung haben. Aber der wird links liegen gelassen, der Blick kennt ihn schon kaum mehr.
Das sagt viel über das Naturverhältnis aus, das Naturverhältnis des Zauberlehrlings, der sich alles unter den Nagel zu reißen vorgenommen hat und entsprechend zulangt, d.h. raubbaut. Konservative und Sozialdemokraten sind in dieser Art Prozess der Zivilisation vereint, den Grünen ist eine Koalition wichtiger als „die heilige, hehre Natur“, die durch den Homo Sapiens radikal verändert, d.h. fertiggemacht wurde, mit bekannten Folgen, wie der Einschlag für die A49 erneut belegt; und weil ein fortexistierender mechanistischer Materialismus des 19. Jahrhunderts es so will. Für Giordano Bruno war die Natur eine gegenwärtige Unendlichkeit (deus sive natura). Ebenso auch für Hölderlin.
Nietzsche - der mit der Herren-Moral – war immerhin doch so wach und helle, dass er die „Vergewaltigung der Natur und des Selbst durch die Maschinen und die Ingenieur-Erfindsamkeit“ in der instrumentellen Moderne nicht übersehen wollte. Weil er ein redlicher Denker gegen den Strom war, wie auch Schopenhauer. Der beobachtete, wie der Mensch das Erdenrund in seinen Beschlag nimmt und gleich einem Ungeziefer begierig alles kahl frisst.
Die Wanderung markierte eine Periodenwende
Das Klima geht vorerst nicht in Richtung Eiszeit, sondern Hitzezeit. Am vergangenen Mittwoch ging es mit einem langjährigen ‚Kumpel über die Zeiten‘ mit der U3 zur Hohen Mark und von dort fest beschuht auf den östlichen Wanderweg hoch zum Sandplacken. Anzusteuern war der Große Feldberg. Eigentlich ist das eine Sache für mindestens mal ein jedes Vierteljahr, aber das klappt nicht so ganz. Es ging also auf den ansteigenden Panoramaweg und zwar in der ein wenig steileren und daher etwas kürzeren Variante, an deren Ende die Wanderung den Sandplacken erreicht. Alles schien zunächst wie immer. Aber nach etwa dreihundert Metern lag der zuvor die Straße zum Großen Feldberg verdeckende Hang linkerseits kahlgeschlagen. Das Anrührende des sich aufwärts schlängelnden Wegs war dahin. Es musste ausfallen.
Später dann, am Kolbenberg, wo der letzte Abschnitt zum Sandplacken eine Wendung macht und es eine gesteigerte Anstrengung braucht, tat sich unvermittelt der nächste Kahlschlag auf. Ein Harvester dröhnte und rumorte im Hintergrund. Fäll-Minister Al Wazir wurde kürzlich ein Harvester-Modell verliehen. Stämme wurden von schwerem Fahrzeug an vorgesehene Stellen verfrachtet und dort gestapelt. Die Wanderschuhe waren noch nie so schwer mit Schlamm und dicken Brocken klebriger Erde bespickt. Der Horizont und gleißende Himmel tat sich frei und grell über der kahlen Kuppe auf.
Schlussendliche gestaltete sich der Aufstiegsweg zum Großen Feldberg wie üblich. Noch ohne Schnee. Diese letzte Strecke, die ein Stück weit des Limes entlang verläuft, lag wie gewohnt dunkel unter Bäumen, der Wald verbreitete seinen satten Geruch.
Der Große Feldberg war einigermaßen gut besucht, nicht wenig auch von Motorrädern samt Aufsassen. Wer war da sonst wohl heraufgewandert? War nicht zu erkennen. Das alte Lokal, das auf die ersehnte Modernisierung wartet, liegt weiterhin kläglich im Dämmer der Erwartung. Hat wohl mit Finanzierung zu tun, über die sich leicht Streit entspinnt.
Der Wanderweg ins Tal verlief über den Fuchstanz. Hier fand sich wie üblich die der Gegebenheit gemäße einfache Gastronomie, überwiegend mit Kaffee und Kuchen, wobei das eigentliche Lokal geschlossen blieb und daher die durchaus nicht reizlose Bude gegenüber dem Hauptgebäude die Wanders- und Fahrrads-Leute versorgte. Setzen durften sie sich nicht, aber alle standen um die Absperrung herum und klönten.
Nie hätten wir gedacht, dass wir von einem noch größeren Schrecken gepackt werden würden. Nach Zweidritteln des Pflasterwegs, der weiter ins Tal führt, in Nähe der Weißen Mauer, gelangte der Wanderer eigentlich an eine lauschige und idyllisch anmutende, dem innersten Befinden immer wieder Herzensnahrung spendende Gabelung. Zur rechten wartet unten ein letzter Abschnitt des Altenhöfer Wegs, der - Varianten sind möglich – dann auf den Stuhlbergbachweg stößt, zu dessen linker Seite bald die Emminghaushütte erreicht wird, von der aus mit Gefälle die Haltestelle Hohe Mark (der U3) im Endspurt angesteuert wrd.
Das war schlicht die schlechte Krönung
Wir nahmen aber den Serpentinenweg zur linken, der recht steil abwärts, zur Auto-Highway hin nach vielen Wendungen bis an den Urselbach geleitet, wo der nun ebenerdige Weg die Wandersleute (oder Offroader) entlang des Urselbachs zurück zur Hohen Mark lenkt.
Doch halt, nun wäre doch fast was vergessen worden. Nämlich auf den neuen Schrecken zu kommen, der uns traf als direkt hinter der ehemals so friedlich gelegenen Gabelung – besonders zur Winterzeit, wenn die weiterführenden Wege zunächst gar nicht so leicht zu erkennen sind – uns die weitere Extension des Kahlschlags die Socken auszog und voll ins Auge schoss, so dass das Vertrauen ins Augenlicht und die Auffassungsgabe beinahe fast aussetzte. Denn hinter der Gabelung war mal Wald ohne Ende.
Der Weg den Hang abwärts, der in Serpentinen mäandert, war rein nur noch vom absoluten Kahlschlag gesäumt. Von daher stammen die meisten der gezeigten Aufnahmen. Auf der anderen Seite der Schlucht wurde morgens gar nicht mal an die Kamera gedacht, so war einer überrascht, perplex. Wo vorher Wald war, der die Orientierung erschwerte, war nun auch auf dieser Seite Kahlschlag. Das, was sich auf der anderen Seite abspielte und dann nochmal weiter oben, war für die Ausnahme gehalten worden und nicht die Regel. Aber das war die blanke Illusion, es wollte nicht recht an das zu Sehende geglaubt werden.
Warum hat die FR hierüber nicht oder zumindest gar wenig berichtet, verlautet. Oder war mir im Urlaub etwas entgangen, in dem ich nur einmal die taz las? – Ist da Verdrängung im Spiel? Was berichtete die Hessenschau dazu? Es handelt sich nicht um eine Kleinigkeit. Die schlaffen hessischen Grünen müsste es schwer zu denken geben und sie eigentlich dazu veranlassen, ihre Politik im Dannenröder Forst (A49) augenblicklich und umgehend zu korrigieren. Denn sonst wären sie auf lange zur Unglaubwürdigkeit verdammt. Zumal sie im Fall des Bruchs der Koalition mit der CDU - auch des verbreiteten umweltpolitischen Schreckens wegen - Prozente hinzugewinnen würden. Vom angezählten Taunus-Forst wird wenig gehandelt, viel mehr aber von der A49.
Gut, dass es das Netz gibt, denn da findet sich schnell was zur Sache, auch wenn weiter geforscht werden muss, indem die Sache nicht nur bestürzt, sondern erschüttert. Der Grund für die Fällungen lautet – wenn auch nicht alleine –: der Borkenkäfer. Um ihn zu bekämpfen bleibt nur übrig, die befallenen Fichtenbestände zu fällen und zwar inzwischen auf einer Fläche von mehreren hundert Fußballfeldern. Wobei das Ende nicht abzusehen sein dürfte. - Entwaldeter Taunus? Die Möglichkeit besteht.
Wo bleibt der Aufschrei zum sofortigen Stopp der Zerstörung des Waldes
Die Bäume sind so krank und geschwächt, dass sie gegen den Borkenkäfer keine Chance haben. Sie müssen fallen, damit dem Käfer das Brutmaterial entzogen wird. Schaut nach, wie es nahe des Freilichtmuseums Hessenpark ausschaut. Auch hier mussten an die 400 Hektar Wald gelegt werden. Und das alles dürfte nicht das Ende sein, sondern erst der Anfang.
Und überdies leiden die Bäume an der Trockenheit der vergangenen beiden Jahre und auch noch an den Folgen des Sturms Friderike aus dem Jahr 2018. Die Fichten sind so krank und geschwächt, dass sie sich nicht mehr wehren können und aufgeben müssen, wie Michelle Sundermann, Sprecherin von Hessen Forst, andeutet. Ob die Fällungen das gewünschte Ergebnis zeitigen, bleibt offen. Das geschlagene Holz ist nicht viel wert, das zeigen die Schnittflächen der gestapelten Stämme. Die Fällungen sind also sozusagen selbstlos. Obwohl Hessen Forst von der hessischen Regierung doch vor nicht geraumer Zeit dazu verdammt ward, den Wald verstärkt der Verwertung zuzuführen, wie das so grabeskalt lautet.
Fotos:
© Heinz Markert