
2023 wieder in Teneriffa, Teil 2
Puerto de la Cruz / Teneriffa (Weltexpresso) - Es rappelt und klappert und klickert in den Straßen um den alten Hafen - und unter unserem Balkon. Winzige Kinder bis alte Großeltern schleppen oder ziehen scheppernde Blechdosen hinter sich her. Wen sie damit vertreiben wollen oder wer sich davor fürchten soll, erschließt sich uns nicht – aber es ist alles sehr lustig. So wird stundenlang lautstark der Geburtstag für den Heiligen Andreas am nächsten Tag eingerasselt.

Etliche Frauen sammeln von den Besucherinnen und Besuchern mitgebrachte Dosen, bohren Löcher hinein, ziehen sie auf Fäden und reichen sie zurück ins Publikum. Ein kostenloser Service des Rathauses. Einige Eltern haben aus den Dosen kunstvolle Gebilde geschaffen: Doppelte Zwillinge, große Herzen, Weihnachtsmänner. Jedes Jahr am 29. November begeht Puerto de la Cruz das letzte Fest des Jahres, das Topf- und Kastanienfest oder die „Fiesta del Cacharro y la Castaña.“ Gefeiert wird seit alten Zeiten die Öffnung der Weinkeller und das Verkosten des neuen Jahrgangs, zu dem geröstete Kastanien und Sardinen gereicht werden.
Im Laufe der Abenddämmerung mischen sich dann in das blecherne Getöse, südamerikanische Gitarrenklänge und Percussion-Rhythmen. Nach „La Bamba“ mit „Yo no soy capitano, soy marinero” folgt weiterer Lation Rock von der Bühne, bevor es regionaler wird. Die nun dargebotene spanische Volksmusik fährt nicht so stark in Bauch und Beine, aber dazu tanzen Folklore-Gruppen und singen Chöre. Aber gelegentliche heisere Flamenco-Schreie sorgen doch für Gänsehaut.

Der Latin-Rock wird heute durch unglaubliches Papageiengekreische ersetzt. Wir sind sehr überrascht, wie aufwendig der Park gestaltet ist und dass riesige Landschaften für die meisten Tiere vorhanden sind. Ganz offensichtlich sorgen die Veranstalter für das Tierwohl, retten bedrohte Arten und arbeiten mit Naturschutzinitiativen und Behörden zusammen:
Also kein greenwashing (Versuch von Institutionen, sich durch Geldspenden für ökologische Projekte oder PR-Maßnahmen als besonders umweltfreundlich darzustellen).

Heute ist unser letzter Tag in Puerto, wir werden in unserem preiswerten Lieblingsrestaurant „Bajio“ (Untiefen) Cabra oder Conejo essen gehen, Ziege oder Kaninchen. Die Reste des Spartan-Festivals sind blitzschnell verschwunden, ebenso eilig wurde in wenigen Tagen der Weihnachtsmarkt mit Achterbahn, Wikingerschaukel und anderen gruseligen Belustigungen aufgebaut. Heute Abend ist die Eröffnung.
Zum Abschied noch ein kleiner Bilderbogen, aber Vorsicht, er kann von identitären Gemütern als rassistisch empfunden werden.
Wir kauern am wilden Surferstrand und schauen einem Mann zu, der ohne Wasserschuhe über das Geröll ins wilde Getöse des Meeres klettern will. Seine Frau filmt ihn mit dem Smartphone, hält seinen unvermeidlichen Sturz fest und freut sich wohl auf ihr Witwenleben. Doch mühselig überlebt ihr Held die hohen Wellen und kommt, am Hintern blutend zu ihr zurück. Statt des Smartphones hat sie nun Brillenputztücher zum Desinfizieren und Pflaster zur Hand.
Am Rand des alten Hafens kauern auf den Treppen zum Wasser gut zwanzig Schwarze, dazwischen und am Rand tummeln sich einige blonde, mindestens doppelt so alte Frauen und himmeln die (wirklich) knackigen Jungs an. Die posieren und räkeln und zeigen sich, klettern auf das nahe gelegene blaue Boot, springen elegant in Wasser. Einige schwarze Kinder sind auch noch dabei, die sich wie selbstverständlich auf dem kleinen Schiff tummeln. Man könnte meinen, die Besucher seien keine Flüchtlinge, sondern mit ihrem Boot mal eben vorbeigekommen. Doch nach einer (gefühlten) Stunde verschwinden sie nach und nach und lassen das leere Schiff zurück.
Wird fortgesetzt
Fotos
© Hanswerner Kruse
Zum Teil 1