IMG 5376Kaltenbronn im Nordschwarzwald

Sabine Zoller

Kaltenbronn (Weltexpresso) - Geschichte und Geschichten ziehen Menschen an. Daher war der Ausstellungsraum im Infozentrum Kaltenbronn beim Vortrag von Friedbert Zapf bis zum letzten Platz gefüllt. Für Kristina Schreier, Leiterin des Infozentrums, der beste Beweis dafür, dass der in Reichenbach geborene Referent „nicht nur über fundiertes Wissen verfügt, sondern zudem die Geschichten rund um den Kaltenbronn auch wirklich lebhaft erzählen kann.“

IMG 4993Rund 40 Personen lauschten dem studierten Forstwirt, der eigens aus seiner neuen Heimat am Schluchsee angereist war, um Wissenswertes rund um die Jagd und Forstwirtschaft auf dem Kaltenbronn sowie die Besiedelung und den Tourismus in den vergangenen 300 Jahren zu berichten. Seine Recherchen belegen den Bau des ersten Jagdhauses, der in die Regierungszeit von Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden fällt. Der als „Türkenlouis“ bekannte Feldherr regierte  bis 1707, war aber viel unterwegs und daher kaum auf dem Kaltenbronn zu Gast. Anders dagegen sein Sohn Ludwig Georg, der als „Jägerlouis“ die Geschichtsbücher ziert. Er liebte die Auerwildjagd, die einst zum Hochwild zählte und daher nur dem Adel vorbehalten war. Für den begeisterten Jäger wurde ein zweistöckiges Domizil gebaut. Genutzt wurde das aber nur im April zur Auerhahn-Jagd, „da der Markgraf nie zur Rotwildjagd auf dem Kaltenbronn war.“

IMG 5030Wilderer nutzten daher die Gelegenheit, sich im markgräfliche Jagdhaus einzuquartieren. „Die Akten sind voll davon“, so Zapf, der höchst amüsant darüber berichtet, wie man versuchte, diesem Unwesen entgegenzuwirken. Ziel war, vertrauenswürdige Personen in das Jagdhaus einzuquartieren. Nach einigen Anläufen wurde mit Mattheis Heiter der passende Mann gefunden. Der in den 1750er-Jahren aus Tirol zugereiste Heiter war schon damals als „Facharbeiter“ ein gesuchter Mann für die Waldarbeit. Denn einst wurden die großen Schwarzwälder Tannen über die Eyach, Enz, Nagold, Murg und den Rhein bis nach Holland geflößt, um dort für den Schiffsbau und die Grundsicherung der Stadt Amsterdam verwendet zu werden – ein lukratives Geschäft, das wenige Jahre später den Kahlschlag auf dem Kaltenbronn zur Folge hatte.

IMG 5015 Foto Zoller Gelber EnzianFür Heiter gab es mit dem Einzug in das Jagdhaus neue Aufgabenbereiche. Neben der Holzfällerei hatte er „Wilderer und Strolchgesinde“ zu beobachten und durfte im markgräflichen Jägerhaus als erster Wirt auch Wein und selbstgebrannten Schnaps ausschenken. Für das Jahr 1780 verbrieft, ist die Herstellung aus den Wurzeln des gelben Enzians, den Zapf als Besonderheit betont, da diese Pflanze mit ihren gelben Blüten und einer beeindruckenden Höhe von bis zu 1,5 Metern heute im gesamten Nordschwarzwald nicht mehr zu finden ist. Beeindruckend ist zudem die Aktenlage, die Zapf zur napoleonischen Zeit schildert: „1797 zogen rund 5000 Soldaten und 1050 Reiter aus dem Nachbarland über den Kaltenbronn ins Enztal und plünderten dabei die Schnapsbrennerei.“

IMG 5018Nachdem das hölzerne Jagdhaus abbrannte, wurde 1808 ein neues aus Stein errichtet. „Das ist die Keimzelle des heutigen Hotel Sarbacher“, in der der am Kaltenbronn ansässige Förster und Waldhüter mit seiner Familie wohnen. Doch Platz für große Jagdgesellschaften gab es nicht.  So wurde 1820 als Anbau das Logierhaus errichtet, in dem der Großherzog samt Gefolge zur Auerhahnjagd logierte. Während bislang überwiegend Waldarbeiter und Jäger vom Ausschank im Jagdhaus profitierten, ist ab 1843 dokumentiert, dass dort auch „Fremde eine wirtliche Unterkunft“ fanden. Im Sommer kamen immer mehr Gäste aus dem nahen Wildbad, die Zapf als die „ersten Touristen“ bezeichnet. Doch das Zusammentreffen mit Fremden im eigenen Jagdhaus gefiel dem Großherzog nicht.1869/70 entstand nach Plänen des großherzoglichen Domänenamtes das imposante Großherzogliche Jagdhaus gegenüber dem heutigen Hotel, in dem fortan hochgestellte Persönlichkeiten zur Jagdsaison übernachteten. Nach Zapfs Ausführungen gab es 1775 auf dem Kaltenbronn 95 Hähne – eine Zahl, die zeigt, wie reich der Kaltenbronn einst an Auerhähnen war. Knapp ein Jahrhundert später ist Kaiser Wilhelm II. von Preußen sogar viermal zur Jagd vor Ort, und eine Schützenscheibe, die noch heute im Hotel Sarbacher hängt, erinnert daran. Das Gasthaus floriert durch den zunehmenden Fremdenverkehr, der 1880 mit den neu gegründeten Schwarzwaldvereinen und dem 1887 eröffneten, 20 Meter hohen Hohlohturm viele Ausflügler auf den Kaltenbronn lockt. An schönen Wintertagen gab es durch die Gründung des Skiclubs in Pforzheim sogar „regelrechte Pilgerfahrten“, und aus dem Jahr 1905 wird berichtet: „Der Schneeschuhsport hat einen ungeahnten Aufschwung genommen.“

IMG 5071Auch die großen Jagdgesellschaften genießen einen guten Ruf, und Einträge im Jagdtagebuch verzeichnen Namen wie Prinz Philip von Griechenland, später Herzog von Edinburgh und Prinzgemahl von Königin Elisabeth II. so dass es erneut zu Engpässen bei der Unterbringung von Jagdgästen kam. 1905 gleich nebenan das „Rasthaus“ erbaut, in dem die weniger prominenten Gäste des Großherzogs in 13 Zimmern logierten, und auch der Leiter des Forstamtes Kaltenbronn mit Sitz in Gernsbach übernachten konnte. „Das ist unser heutiges Infozentrum“, bemerkt Zapf verschmitzt und wendet sich in seinen Ausführungen der weiteren Entwicklung des Gasthauses zu, das ebenfalls 1905 durch den aus Forbach stammenden Franz Mast einen neuen Wirt bekam. Als Koch und Konditor verstand der es der rührige Unternehmer mit seiner Küche zu punkten. Zapf zitiert aus dem Speiseangebot: „Ein Mittagessen, das 1909 aus Suppe, Ochsenfleisch und Beilagen bestand, kostete eine Mark. Die Flasche Bier gab es dazu für 30 Pfennige.“

In den 1920er- und 1930er-Jahren profitiert das Haus vom touristischen Aufschwung bis im Zweiten Weltkrieg der Unternehmer einen tragischen Tod fand. Erst 1940 wurde das desolate Ausflugsziel saniert und 1951 feierte der neue Wirt Andreas Sarbacher die Eröffnung unter dem neuen Namen Kurhotel. 1979 übergab Sarbacher das Haus an seinen Sohn, der das Hotel von den staatlichen Liegenschaften ebenso wie das großherzogliche Jagdhaus erwarb. Ein Novum, das für viele Gäste im Raum zu einem Raunen führte, waren die Informationen , bei denen Zapf, der betonte, „dass auch nach Ende der Monarchie dem Großherzog Friedrich II. und seiner Frau Hilda das Jagdhaus samt seiner Einkünfte als Nießbrauch bis ins Jahr 1952 zur Verfügung stand. Ein Gedenkstein gleich neben dem Jagdhaus erinnert daran“, so Zapf, der im Anschluss auf die aktuellen Begebenheiten auf dem Kaltenbronn verwies.

IMG 5067Bei einer Fragerunde berichtete Annemarie Knaus aus Enzklösterle, dass ihre Mutter von 1932 bis 1938 als Bedienstete bei Mast angestellt war und oftmals im Service für die Großherzogin Hilda zuständig gewesen sei. „Diese legte Wert darauf, dass man Manieren und gute Umgangsformen hatte“, so Knaus, die betonte, dass man in dieser Zeit stolz darauf war, hochgestellte Persönlichkeiten zu bedienen. Für Ulrich Wurster aus Bad Herrenalb, der erstmals für einen Vortrag in Kaltenbronn war, war nicht nur „der geschichtliche Rückblick, sondern auch der Blick über den Tellerrand faszinierend.“


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