Serie: 900-Jahr-Jubiläum 2014 Stift Klosterneuburg vor den Toren Wiens, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Klar, wir müssen die Geschichte des Stifts straffen, denn wir wollen ja auch zu den Festivitäten kommen, die 2014 gefeiert werden. Aber ohne das Wissen, daß Klosterneuburg, am Rande des Wienerwalds vor den Toren Wiens gelegen, einst das Zentrum der dortigen Welt ward, kann man die Bedeutung des Jubiläums kaum einschätzen.

 

Barockisierung nennt man die bauliche Umgestaltung von romanischen oder gotischen, kurz mittelalterlichen Bauten, die meist erst einmal im Inneren den Formenreichtum des Barock auf alle Bauteile anwendet: auf Wände, auf Säulen und Pfeiler, auf Decken und Böden, besonders gerne Orgeln barock prunken läßt, aber auch den Altären gilt, die eine barocke Fassung erhielten, wobei insbesondere die Plastik die vielleicht bewegteste Form erreichte und zum Ausdruck des barocken Kunstwerkes schlechthin wurde: innen meist hohl, vom Boden abhebend, dramatischen Schritts dem Himmel entgegen.

 

Das heißt, wir müssen uns jetzt stärker als bei den anderen Stilen, die einem Gottesgefühl entsprachen, damit beschäftigen, daß die Kirche mit ihren Gotteshäusern auch die Machtfrage in der Welt stellt, bzw. diese gleich beantwortet. Das galt unmittelbar mit der Gegenreform im 17. Jahrhundert in vielen Details, erhielt aber meist im 18. Jahrhundert erst den alles durchstilisierenden Impetus, verbunden mit neuen Anlagen um die Bauten herum, die man genuin barock gestalten konnte, weil sie zuvor keine große Rolle spielten.

Die Gegenreformation, also der Sieg des Katholizismus über seine religiösen und weltlichen Widersacher, ist übrigens auch der Grund dafür, daß der Barock als jubelnder Ausdruck dieser neu geschaffenen besonderen Beziehung der Kirche zum Himmel über Bayern hinaus kaum nach Norden vordrang, denn dort hatten sich die Protestanten festgesetzt, die dann nur solche Blüten zuließen, wie beispielsweise das barocke katholische Fulda.

 

Auf jeden Fall wurde es 1730 in Klosterneuburg ernst. Kaiser Karl VI. hatte die von seinem Verwandten, dem spanischen König Philipp II. zwischen 1563 bis 1584 im Stil der Renaissance erbaute prachtvolle Schloß- und Klosteranlage als Vorbild für die Umgestaltung von Klosterneuburg erkoren, wobei das Besondere daran ist, daß kirchliche Macht und weltliche Macht eine Einheit bilden sollen.Es gibt aber noch eine Reminiszenz nachzuholen. Denn der spanische Escorial war auch deshalb als Modell angesagt, weil er gerade den Habsburgern verloren gegangen war. Denn die französische Linie Anjou war zum Erben des kinderlos verstorbenen spanischen Königs bestimmt, was auch der Spanische Erbfolgekrieg nicht änderte, weshalb Kaiser Leopold in den sauren Apfel beißen mußte und sein Sohn Karl VI. die Großmachtgelüste in die Planung von Klosterneuburg steckte, nachdem er erst zum römisch-deutschen König gewählt und dann am 22. Dezember 1711 in Frankfurt zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gekrönt wurde.

 

Nun nahmen die Umbaupläne Fahrt auf und das kaiserliche Hofbauamt schaltete sich ein, dessen Hausarchitekt Joseph Emanuel Fischer von Erlach die bisherigen Barockisierungspläne von Donnato Felice D'Allio – was ja nichts anderes als Knoblauch heißt - noch steigerte: der gesamte Bau wurde um ein Stockwerk erhöht und bis 1735 mit zwei der geplanten neun Kuppeln versehen, die beide Kronen vereinten, die Reichskrone und den Österreichischen Herzogshut. 1733 war der barocke Kaisertrakt fertiggestellt, aber der Kaiser selbst, der dies alles vorangetrieben hatte, der verstarb sehr plötzlich mit 55 Jahren 1740. Rechtzeitig hatte Karl VI. allerdings die Pragmatische Sanktion erlassen, die seine Tochter Maria Theresia zur Erbin machte. Ihr aber war der Moloch Klosterneuburg eher unsympathisch – obwohl das Stift auch die kaiserlichen Bauten bezahlt hatte. Die volkstümliche Kaiserin, die wir heute mit Schloß Schönbrunn und anderen Bauten verbinden, denn die französische Schlösser wie Versailles wurden populärer und Vorbild, betrachtete Klosterneuburg dann eher als Steinbruch und ließ Säulen und anderes abtransportieren, was sie im übrigen auch mit dem immer noch weithin unbekannten Schloß Neugebäude im manieristischem Stil in Simmering machte.

 

So blieb die Sala terrena, der geplante Gartensaal, bis heute im Rohbauzustand des Jahres 1740 und stellt mit seinen acht Atlanten die wohl gewaltigste einzigartige barocke Baustelle dar, die heute attraktiv umgewidmet ist und als Besucherempfang dient, mit Kassen und Shop. Immerhin ließ das Stift andere Lücken noch füllen und die angefangenen Teile vollenden. Der prächtige Marmorsaal mit dem Fresco von Daniel Gran wurde 1749 fertig, aber erst über 80 Jahre später wurde einer der ursprünglich vier geplanten Innenhöfe vollendet. In der Konsequenz bedeutet das, daß gerade mal ein Viertel der ursprünglichen Planung Wirklichkeit wurde.

 

Stellen Sie sich also die auch so schon auffällige Anlage Klosterneuburg vervierfacht vor. Das käme einem heute als Gigantismus vor. Aber, weil Gebäude ihre Geschichte haben, soll diese anläßlich des 900 Jahre Jubiläums unbedingt erzählt werden. Fortsetzung folgt.

 

INFO:

 

Allgemeines:
Das Stift Klosterneuburg wurde 1114 gegründet und 1133 den Augustiner Chorherren übergeben, um ein religiöses, soziales und kulturelles Zentrum zu bilden. Das Stift ist heute ein wichtiges kulturtouristisches Ziel, eine religiöse und soziale Institution und ein bedeutender Wirtschaftsbetrieb. Es besitzt unter anderem das älteste und eines der renommiertesten Weingüter Österreichs.
Internet: www.stift-klosterneuburg.at

 

Information:
Stift Klosterneuburg, Stiftsplatz 1, 3400 Klosterneuburg (Niederösterreich)
Tel.: +43 (2243) 411-212
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.stift-klosterneuburg.at



Anreise:
Öffentliche Anreise: U4, ab Heiligenstadt: Buslinien 238 und 239 bis Klosterneuburg-Stift, von dort kurzer Fußweg (ca. 5 Minuten) oder S 40 (S-Bahn) bis Klosterneuburg-Kierling, von dort kurzer Fußweg (ca. 15 Minuten)
Vienna Sightseeing Tours Hop on Hop off zum Stift Klosterneuburg: Abfahrt Burgtheater/Rathaus, grüne Linie bis 4. Okt. 2014.
Auto:
B 14, Parkgarage und Parkplätze im Stiftsbereich.