Auf Tour im Riesengebirge, Teil 1/2
Harald Lutz
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Im Riesengebirge ist das ganze Jahr über Hochsaison. Neben den traditionellen Bergwanderern haben die Mountainbiker die Region für sich entdeckt.
Im Riesengebirge (poln. Karkonosze) mit seinen zwei berühmten Gipfeln Schneekoppe und Reifträger ist das ganze Jahr über Hochsaison: Neben den klassischen Wintersportarten bietet die polnische Mittelgebirgsregion an der Grenze zu Tschechien und nicht weit von der deutschen Grenze vom Frühjahr bis in den Spätherbst hinein sportlich Aktiven und kulturell Interessierten viele Möglichkeiten. Neben den traditionellen Bergwanderern haben vor allem auch die Mountainbiker diese Region für sich entdeckt.
Herr des Riesengebirges ist der zwiespältige Berggeist und Riese Rübezahl
Das Riesengebirge ist der höchste und schönste Teil der Sudeten. Für die Namensgebung werden von den Niederschlesiern gleich zwei verschiedene Varianten angeführt: „Wenn tief hängende Wolken die Berge berührten, hatten die Menschen von der Ferne den Eindruck, Riesen gegenüberzustehen“, erklärt unsere charmante Tourleiterin Emilia aus Warschau. Die zweite Version verweist auf die Mythologie und Sagenwelt der Region. Sowohl im Polnischen als auch im Deutschen geht der Sage nach im Karkonoscze ein zwiespältiger Berggeist und Riese um. Linenepea, Karkonosz und Rübezahl sind seine drei bekannten Namen. An einem Tag ist er gut gelaunt und großzügig, an einem anderen Tag treibt er schlecht gelaunt mit einsamen Wanderern und Bikern die makabersten Scherze!
Die Sportlergruppen Bergwanderer und Mountainbiker vertragen sich
Ausgangspunkt für die meisten Touren in das Riesengebirge und den Karkonoski-Nationalpark sind die beiden Ortschaften Karpacz / Krummhübel am Fuße der Sniezka, wie die Schneekoppe auf Polnisch heißt, und Szklarska Poreba / Schreiberhau mit Blick auf den zweithöchsten Gipfel Reifträger (Szrenica). Die Bergwelt des Riesengebirges kann sowohl per Pedes als auch per Pedale erkundet werden. „Zwischen Gebirgswanderern und Bikern gibt es bei uns keine Probleme wie oftmals andernorts. Beide Sportlergruppen vertragen sich im Karkonoscze sehr gut und respektieren einander“, berichtet Christoph, einer der Organisatoren des jährlich im August stattfindenden Bike Action Festivals in Szklarska Poreba. Dafür sorgt nicht zuletzt ein mit ca. 500 Kilometern gut ausgebautes separates Fahrradwegenetz in der Region mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Die Einheimischen sind überwiegend mit Mountainbikes unterwegs. Manche Strecken lassen sich aber auch mit einem berggängigen Touren- oder Treckingrad bewältigen.
Fliegende Untertassen auf dem höchsten Riesengebirgsgipfel, der Schneekoppe
Auf den ersten Blick scheint es, als ob Außerirdische mit drei fliegenden Untertassen auf der Schneekoppe - mit 1603 Metern der höchste Gipfel im Riesengebirge - gelandet wären. „Das ist nur die Wetterwarte“, beruhigt Wander- und Fahrradliebhaberin Britta aus Dänemark. Neben dem futuristischen Gebäude steht noch eine traditionelle Schutzhütte. Für den Aufstieg benötigt man zu Fuß von Karparcz aus gute drei Stunden: Kurz hinter der Bushaltestelle Bialy Jar schlängeln sich gleich mehrere gut ausgebaute und verschiedenfarbig markierte Wanderwege. Zu empfehlen sind der gelb markierte Weg über die Strzecha Akademicka (Hampelbaude), wo im Jahr 1790 bereits der „Frankfurter Bub“ und nationale Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe nächtigte, und der schwarz gekennzeichnete Weg über Dom Slaski, das ehemalige Schlesierhaus. Richtig spannend wird es allerdings erst, wenn man die Baumgrenze überwunden hat und bei schönem Wetter einen phantastischen Ausblick genießt. Leichtwanderer können etwa zwei Drittel der Strecke mit einem Sessellift abkürzen.
Die Kammwanderung im Riesengebirge führt entlang markanter Felsformationen
„Erfahrene Bergwanderer dagegen schätzen die berühmte Kammwanderung entlang der polnisch-tschechischen Grenze, für die mit Auf- und Abstieg mindestens zwei volle Tage und eine Übernachtung auf einer Gebirgsbaude einkalkuliert werden müssen. Für die Mühen belohnen die zwei kleinen Bergseen, der Große und Kleine Teich in unmittelbarer Nähe der Schneekoppe. Im Gebirge trifft man auf markante Felsformationen mit klangvollen Namen wie Abendschloss, Pferdekopfsteine, Dreisteine und Mittagstein. Mit etwas Zeit kann der Wanderfreund einen kurzen Abstecher zu den Elbquellen auf der tschechischen Seite machen und vieles mehr. Irena und Jan aus Tschechien haben die beeindruckende Kammwanderung bereits mehrfach sowohl auf polnischer als auch auf tschechischer Seite absolviert. Insbesondere die junge Frau aus Ostrau ist immer wieder von Neuem begeistert, warnt allerdings vor allzu großem Leichtsinn: „Auch im Sommer wird man in den Bergen oftmals von Nebel und Regen überrascht.“
Der Name Szkalrska Poreba erinnert an die Tradition der Glasmanufakturen
Aber auch von Szkalrska Poreba aus – was zu Deutsch in etwa Gläserne Lichtung oder Rodung heißt und an die Tradition der Glasmanufakturen im Riesengebirge erinnert – können sowohl die Kammwanderung begonnen als auch weitere schöne Touren in das Riesengebirge unternommen werden wie beispielsweise über den Zackelklamm und den beeindruckenden Gebirgswasserfall Zackenfall auf die Reifträgerwiese und weiter bis zum Gipfel.
Zu Fuß oder mit einem berggängigen Fahrrad erreicht man von Szklarska Poreba aus auch die Bergbaude Orle, die ehemalige Glasmanufaktur Carlsthal. Nicht weit von der polnisch-tschechischen Grenzbrücke über die Iser wärmen sich hier – einträchtig versammelt – müde Wanderer und Biker in urig-gemütlicher Atmosphäre mit heißem Tee oder genießen die leckeren Eierpfannkuchen mit Heidelbeeren.
Fortsetzung folgt...
Fotos: Harald Lutz
Autoreninfo: Harald Lutz lebt und arbeitet als Fachjournalist und Technikredakteur in Frankfurt am Main.