Serie: Wandern in der Uckermark, Teil 3/4: Klarinettenkonzert auf der "Oderblickbühne" in Schwedt, Solistin: Varvara Venetikidou
Thomas Adamczak
Templin (Weltexpresso) - Es gibt auch andere Begegnungen. Zum Beispiel im Restaurant des Hotels in Angermünde. Älteres Ehepaar am Nachbartisch. Er hat sich um den WLAN Anschluss für sein Tablet bemüht. „Mist, jetzt habe ich wieder kein Netz. Eben hatte ich es doch noch!“
Oder der Großvater beim Frühstück zu seinem Enkel, sechs Jahre ist der Junge. „Du sollst nicht so viel babbeln!“ „Du sollst nicht immer so laut reden!“ Ich hätte dem aufgeweckten Kind gern länger zuhören mögen.
In Schwedt laufe ich durch die überschaubare Altstadt. Zwei Frauen sprechen mich an, weil ich in den Stadtplan schaue. Sie wohnen hier, gehen ein wenig spazieren. Schwedt ist ein Städtchen mit vielen Grünflächen. Ich frage, was ich mir denn auf alle Fälle ansehen solle. Sie empfehlen den Hugenottenpark mit den Uckermärkischen Bühnen und der Freilichtbühne direkt an der Hohensaaten-Friedrichsthaler- Wasserstraße. Als ich mich der Freilichtbühne mit herrlichem Blick auf den Kanal und den schmalen Landschaftsstreifen bis zur Oder und der polnischen Grenze nähere, ist Musik zu hören. Und was für welche!
Das Landespolizei Orchester Brandenburg probt für den Auftritt am Abend: „Aufforderung zum Tanz – Ein (be)-rauschendes Konzert“.
Irgendwie schaffe ich es, mich zwischen den Aufbauten durchzuschlängeln und auf der Zuschauertribüne Platz zu nehmen. Hole mein Schreibbuch heraus und mache mir Notizen. Das wirkt immer. Einer der schreibt, ist irgendwie anders. Den schickt man nicht einfach fort. Die Probe ist schließlich nicht öffentlich. Ich spreche einen Musiker an, einen Saxophonisten, der bei dem Stück, welches gerade geübt wird, nicht spielt. Später noch’n Gespräch mit einer Flötistin und der Solistin des Abends, Varvara Venetikidou, einer Klarinettistin. Mit der Solistin, ihr Name verrät die griechische Herkunft, will ich unbedingt über Griechenland sprechen. Zwei Sätze, mehr Zeit habe sie nicht. Frau Venetikidou ist erst vor drei Tagen aus Griechenland zurückgekommen. Der Aufenthalt sei für sie „erschreckend“ gewesen. Ihr „schlimmster Sommer“, seit sie denken könne. Für sie sei die Situation Griechenlands wie die Fahrt in einem Tunnel, ohne jegliche Hoffnung, dass am Ende des Tunnels ein Licht auftauchen könnte.
Varvara Venetikidou ist Solistin im „ Klarinettenkonzert“ von Artie Shaw. Artie Shaw war ein begnadeter Klarinettist und Komponist, und er führte ein bemerkenswertes Leben. Achtmal war er verheiratet und entschließt sich mit vierundvierzig Jahren, sozusagen auf dem Höhepunkt seiner Karriere, nicht mehr zu komponieren und von dem Zeitpunkt an die Klarinette nie mehr in die Hand zu nehmen. Das „Klarinettenkonzert“ ist zweifellos die Attraktion des Abends. Erstaunlich das Auf und Ab, welche Klanghöhen und Klangtiefen dieses Instrument, wenn es beherrscht wird, und Vavara Venetikidou beherrscht es eindrucksvoll, die Zuhörerinnen und Zuhörer bis zum grandiosen Finale mitfiebern lassen, dass alles letztlich gut werden möge, im Klarinettenstück, mit Griechenland, der EU und am besten auch noch in der Flüchtlingsfrage. Aber das waren vielleicht nur die Assoziationen eines einzigen Zuhörers.
Der Dirigent des Orchesters, Christian Koehler, hebt mir gegenüber die Sonderstellung dieses Klarinettenkonzerts von Shaw hervor: Es nehme „in den Solokonzerten für Klarinette eine absolute Sonderrolle ein. Es ist ohne Pause durchgängig komponiert, dabei sind jedoch die drei Abschnitte glasklar erkennbar. Der Beginn kadenzartig, dann der erste Satz gemeinsam mit dem Orchester und der komplette zweite Satz, sofern man ihn so beschreiben will, eigentlich nur im Wechselspiel mit dem Schlagzeug.“ Das sei einmalig. „Hinzu kommt natürlich die Jazzphrasierung, fast mit einem Hang zum Klezmer.“
Das Landespolizeiorchester Brandenburg gibt es seit 1998. Die Mitglieder des Orchesters sind Berufsmusiker, die von der brandenburgischen Polizei angestellt wurden. 200 Konzerte pro Jahr, 40 Auftritte in Schulen, Kirchenkonzerte, auch Konzerte in der Berliner Symphonie. Freundlicher Beifall der Zuschauerinnen und Zuschauer nach Stücken wir „Shall we Dance?!?“ von Walt Rodgers oder „Highlights aus Walt Disneys ‚Aladdin’“ von A. Menken.
Die „Oderblickbühne“ ermöglicht besondere Effekte: Boote schwimmen vorbei und verzögern ihre Fahrt, weil die im Boot Sitzenden der Musik eine Weile lauschen wollen, Jogger am gegenüberliegenden Ufer unterbrechen ihren Lauf, um die Musik zu genießen, auf der Wasserfläche des Kanals unmittelbar hinter der Bühne spiegeln sich ein paar Birken, Nadelbäume und das Schilfrohr.
Zurück zur Wanderung: Die Eindrücke von Landschaft und Natur sind vielfältig. Das schreibt sich leichthin, aber der Begriff Vielfalt passt für die Uckermark in besonderer Weise.
Die Seenlandschaft: Immer wieder bieten sich Blicke auf die Spiegelflächen der Gewässer. Mit Blütenteppichen aus Anemonen- und Leberblümchen, wenn man zur rechten Zeit daran vorbeischlendert. Und diese Vielzahl an Wasservögeln! Z.B. Kraniche, die besonders im September zu ihren Formationsflügen aufbrechen. Und war das nicht gerade ein Seeadler oder der dort ein Silberreiher? Schwarzstörche und Eisvögel sowieso. Im Wald hört man gelegentlich Grünspechte, Mauersegler und Mehlschwalben zeigen, wie das Wetter voraussichtlich wird. Auf einer Infotafel entdecke ich noch Rohrtrommel, Krick- und Knäkente. In den Gewässern tummelt sich Fischallerlei, Edelkrebse und Sumpfschildkröten. Fortsetzung folgt
Foto:
Stolper Turm Grützpott
Info I:
Die Uckermark kennzeichnen drei Nationale Kulturlandschaften: Naturpark Uckermärkische Seen, das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und der Nationalpark Unteres Odertal. Alle drei werden bei dem "Märkischen Landweg" durchquert. Fortsetzung folgt in Teil 4
Tourismusverein Angermünde e.V.
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01. April bis 31. Oktober: Mo bis Fr 9.00-18.00 Uhr,
Sa, So und feiertags 10.00-13.00 Uhr
01. November bis 31. März: Mo bis Fr 9.00-16.00 Uhr
Info II:
Zitate in der Serie entstammen dem Buch vonDavid Le Breton, Lob des Gehens, Berlin 2015, Matthes & Seitz
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Das Buch wurde vom Verfasser dieses Artikels rezensiert in
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