Serie: Das erste Biohotel in Schleswig-Holstein, MIRAMAR in Tönning, Teil 1/8
Hans Weißhaar und Anna von Stillmark
Tönning (Weltexpresso) – Kaum, so hoch im Norden – für Südländer - angekommen, geht es weiter. Das erste Bio-Hotel und alles Drumherum kommt später, denn die Sonne lacht und Fahrräder stehen bereit. Ziel ist das Eidersperrwerk – als Ereignis seit Kindertagen bekannt - und das Katinger Watt, eine weithin unberührte Naturlandschaft.
Der Weg vom Hotel aus ist leicht zu finden, nach links, die zweite Straße links und schon thronen wir oben auf dem Deich wie Weltenherrscher, links unten die Eider und rechts geringe Besiedelung, wo uns einige der Häuser gar zu gut gefallen, so schmuck sind sie. Das ist ein wunderbares Gefühl, dahinzuradeln, für Städter erst recht. Doch bald ist diese Herrlichkeit zu Ende, man muß runter vom Deich und die, die glauben, sie seien besonders gescheit und finden schon einen Weg auf dem Deich – wie wir - , wenn der offizielle Fahrradweg auf die Straße ausweicht, die, na die müssen halt ihren Umweg zurückfahren und kleinbeigeben: immer geradeaus.
Dann geht es nach links und wir nutzen den Fahrradweg an einer kaum befahrenen Straße. Wo das Radeln so eben und deshalb so mühelos ist, kann man um so besser rechts und links schauen. Die nächsten Kilometer freuen wir uns an dieser unaufgeräumten Landschaft, naturbelassen mit Rinnsalen, die manchmal Bächlein sind, dann wieder ganze Seen, in denen die Bäume wachsen. Das Gras am Boden ist noch weitgehend gelbbraun, aber insbesondere in der Nähe von Wasser sprießt schon das Grün aus dem Boden. Wir sind genau in der Jahreszeit, in der die ersten Vorboten zeigen, daß der Winter vorüber ist.
Der Wind bläst ins Gesicht, nicht kalt, aber er bläst, das ist hier immer so, denn von der Nordsee her, die ja ein Meer ist, weht es immer. Auf dem Weg zurück, werden wir das wohltuend im Rücken spüren. Aber erst einmal strampeln und sich umblicken und dann auf einmal: Schon lange ist die Eider weg. Man sieht auf der Linken ganz weit ins Land und wir denken, daß wir mitten auf dem platten Land sind. Erst von oben, vom Stauwerk aus, wird uns klar, daß die Eider, derzeit mit wenig Wasser, so tief liegt und das breite Watt ebenfalls, daß man aus ein paar hundert Meter Abstand die Vertiefung nicht sehen kann und die drübere Seite, Dithmarschen, als Eiderstedt wahrnimmt.
Was eine Todsünde ist, wenigstens für die Dithmarscher, die die durch die Eider getrennten Eiderstedter nicht leiden können, wie umgekehrt. Eine kundige Einheimische, Elke Peters mit ihrem Strandhotel direkt auf dem Deich, erzählt uns liebevoll die Geschichte, wie nach der Eiszeit der holsteinische Raum zergliedert war und die Nordseeinseln erst entstanden sind und hier bis ins 17. Jahrhundert drei Inseln bestanden. Die sind erst durch die Deiche und Aufschüttungen zu einer Halbinsel, zu Festland zusammengewachsen, das heutige Eiderstedt, dessen Zentrum immer Tönning war, das früher eine immense Bedeutung hatte, durch den Hafen, der die Handelsgüter nach England transportierte, vor allem auch nach Portugal. Das gibt es bis heute, diese Eiderstedter-Identität mit Trachten und Festen, selbstbewußt und bodenständig und doch welterfahren und offen.
Wie gut, daß wir sie trafen, diese Heimatverbundene, die uns auch gleich die Geschichte von der großen Flut 1962 und dem Bau des Eidersperrwerks erzählt. Das aber wollen wir ja selbst sehen und satteln die Räder und weiter geht es durch diese Landschaft, die einem wie eine Urlandschaft vorkommt. Schnell ist man am Ende der Welt angekommen, denn so kommt es einem vor, wenn geradeaus nur noch ein hoher Betonwall erscheint, der nach rechts und links unendlich weitergeht – genau sind es fünf Kilometer, der Deich, der das Land schützen soll, was nur mit Hilfe des regulierenden Eidersperrwerks gelingt. Das liegt auf der linken Seite und gemahnt an Kinoerlebnisse, so groß, so gewaltig, so hoch, so breit, so voller Steine und mit riesengroßen fünf Stahlschotten. Keine Ahnung, ob das die richtigen Worte sind, auf jeden Fall verstehen wir auf Anhieb das System.
Die Eider ist an dieser Stelle künstlich verengt. Auf der Dithmarscher Seite ist Land aufgeschüttet, so daß das ganze Sperrwerk an die 300 Meter beträgt – unter ihm führt im Tunnel die Straße durch, die dem Deich entlang problemlos von St. Peter Ording bis nach Wesselburen und noch weiter geht. Wir aber stehen oben und betrachten, was dieses menschliche Werk, von 1967-73 errichtet, vermag.
Ist normale Flut, Tide genannt, dann läuft das Wasser normal in die Eider und zurück. Die Eider selbst ist bis weit ins Land hinein deshalb ein Salzwasserfluß. Bei Sturm oder sonstigen Wassergefahren machen die Schotten aber dicht. Zwar kann das Wasser weiter hinausfließen, aber die Sturmflut prallt am Stauwerk ab. Bisher wenigstens. Das Bauwerk ist aber so geplant, daß auch bei heftiger Flut, die Wassermenge, die normalerweise beim Gezeitenwechsel durchflutet, das auch jetzt kann. Es reguliert also mehr, als daß es total sperrt, grob gesagt, wobei wir auch die Schleuse unterschlagen haben, ohne die die Schiffahrt nicht möglich wäre. .
Bisher ist alles gut gegangen, aber den Älteren merkt man die Erfahrung mit dem Hochwasser an. Es war seit jeher das Lebensschicksal. Das Wappen von Tönning, ein Schwan auf einer Heringstonne, ist ein gutes Beispiel. Damals nämlich war auch große Gefahr, die Leute retteten sich erst auf die Dächer, dann in die Kirche. Durch gemeinsames gottesfürchtiges Beten - sagt die Legende – legte sich der Sturm und als sie besagten Schwan, einen Süßwasservogel, vorbeischwimmen sahen, dankten sie dem Herrgott und gingen in ihre Häuser zurück.
Denn natürlich ist die Eider ein Süßwasserfluß und hört man diese Geschichte, dann fallen einem selbst Legenden ein, die man erzählen könnte, wenn sich Salzwasser gegen Süßwasser auflehnt, am Schluß jedoch den kürzeren zieht und ins Meer, hier die Nordsee zurück muß. 1976 gab es dann hier tatsächlich eine größere Sturmflut mit höhere Windgeschwindigkeit als die von 1962. Das 1973 fertiggestellte Sperrwerk hielt mitsamt dem langen Deich stand. Das galt für die gesamte Nordseeküste und ihre nach 1962 errichteten Schutzmaßnahmen. Diese Bewährungsprobe kann trotzdem die Urangst vor Hochwasser nicht ganz lindern. Der Kopf ist das eine, die Ängste und Bauchgefühle das andere.
„Gott schuf das Meer, die Friesen den Deich“, fanden wir dann noch als Sinnspruch.Der Auftakt war verheißungsvoll. Fortsetzung folgt.
Info:
Bio Hotel Miramar
Westerstraße 21
25832 Tönning
Telefon +49 (0) 4861-9090
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www.biohotel-mirarmar.de
Reiseführer:
Baedecker, Allianz Reiseführer, Deutsche Nordseeküste
Polyglott, Nordseeküste und -inseln