Unterwegs auf dem „Vogtlandpanoramaweg“, Teil 1/6
Thomas Adamczak
Wiesbaden (Weltexpresso) - „In der vogte lande“, „terra advocatorum (Land der Vögte), diese Bezeichnungen finden sich in einer Urkunde des Kaisers Karl I. Der althochdeutsche Begriff „vogt“ stammt, wird vermutet, vom lateinischen (ad)vocatus, womit ein Hinzu-, Herbeigerufener gemeint wird. Vögte waren Reichsministeriale des Adelsgeschlechts der Staufer (deutsche Könige und Kaiser des 11. – 13. Jahrhunderts), also Beamte als Vertreter des Landesherren, für den sie Regierungsgeschäfte führten und als Gerichtsherren richteten.
Diese Informationen finde ich im Vogtlandmuseum in Plauen in der Ausstellung „8oo Jahre Land der Vögte (1209 – 2009)“. Das Selbstbewusstsein der Vögte, behauptet eine Infotafel im Museum, war so groß, dass sich die Bezeichnung „Vogtland“ als Landschaftsname durchsetzte und das Selbstverständnis der Einwohner bis heute prägt.
“Wo kommen Sie denn her?“ „Ich bin Vogtländer!“
Nach der Erklärung im Museum sind die Herren von Weida, Gera, Plauen, Greiz für die Bezeichnung des Territoriums verantwortlich. Allerdings heißt es an verschiedenen Stellen der Informationstafeln, sei die Herkunft nicht zweifelsfrei zu klären. Mir langen die, wie mir scheint, begründeten Vermutungen, um mir zu merken, dass es offensichtlich die Herren waren, die dem Landstrich den Namen gaben. Adlige Herren, nicht etwa lehenspflichtige Bauern oder nach deren Freisetzung im 13., 14. Jahrhundert Stadtbürger. Stadtrechte bekamen Schleiß (1297), Elsterberg (um 1300), Rechenbach (1271), Markneukirchen (1330), Greiz (1359).
Das Vogtland umfasst Teile der Bundesländer Sachsen, Thüringen, Bayern und ein Gebiet in der tschechischen Republik.
So’n Museum ist nicht schlecht als Einstieg in den ca 230 km langen Vogtlandpanoramaweg. Der beginnt in Greiz im Thüringer Wald, wechselt mehrfach nach Sachsen und wieder zurück, ermöglicht den Besuch der Spitzenstadt Plauen, führt durch die traditionsreichen Bäder Bad Brambach und Bad Elster. Der Vogtlandpanoramaweg streift den berühmten Musikwinkel um Markneukirchen und Erbach, führt über Klingenthal nach Rodewisch. Er verläuft im Gebiet des Naturparks Erzgebirge/Vogtland. Die größte Ziegelsteinbrücke der Welt, die Göltzschtalbrücke, liegt direkt am Weg, unweit von Greiz.
Etwa vierzehn Etappen benötigt man für die Wanderung. Zu überwinden sind 5700 Höhenmeter. Der niedrigste Punkt liegt an der Weißen Elster bei Greiz (260 m), der höchste auf dem Aschberg bei Klingenthal (915 m). Diese Informationen entnehme ich dem Hikeline-Wanderführer „Vogtland Panorama Weg – Der schönste Wanderweg durch das Vogtland“. Das Bändchen enthält allerlei hilfreiche Informationen, Kartenmaterial, genaue Wegbeschreibungen sowie Hinweise auf Sehenswürdigkeiten.
Im Museum notiere ich, dass der Deutsche Orden im Vogtland Fuß fasste, es romanische Dorfkirchen u.a. in Eichig, Schönberg, Wöhlsdorf und Thimmendorf gibt. Ob ich die unterwegs sehen werde? Das Gebiet des Vogtlandes wurde von Slawen zwischen 500 und 1500 besiedelt, die deutsche Besiedlung begann im 12. Jahrhundert, und zwar von Bauern aus der Oberpfalz, Franken und Thüringen. Die deutschen Siedlungen finden sich in Ortsnamen, die auf -reuth, - grün, -rode enden. Slawische Ortsnamen im Vogtland sind zum Beispiel: Göltzsch, Kürbitz, Oelsnitz, Zwota, Syrau, Leubetha.
Wie sich auf so’ne Fernwanderung vorbereiten?
Der Museumsbesuch vermittelte mir Grundwissen über das Vogtland. Natürlich hätte ich mir stattdessen bereits vorher Literatur über das Vogtland besorgen können.
Das Begleitmaterial des Veranstalters AugustusTours enthält alle möglichen Informationen und Hinweise, die ich mir vorab ungern einprägen möchte. Besser und auf alle Fälle weniger mühselig ist es, die Infos während der Wanderung bei Bedarf zur Kenntnis zu nehmen. So mache ich’s.
240 km also!
Auf der Autobahn locker in zwei Stunden zu bewältigen, zu Fuß sind es etwa vierzehn Tage, auf markierten Wanderwegen, die unschwer zu finden sind. Vor 200 Jahren gab’s keine Wegmarkierungen, schon gar nicht ausgewiesene Wanderwege, kein idiotensicheres Kartenmaterial, keine präzisen Entfernungsangaben, nicht die Möglichkeit, Quartiere vorher telefonisch zu bestellen. Es gab keine Literatur zu solchen Wanderungen, keine Wanderschuhe oder spezielle Wanderkleidung, von den albernen Walkingstöcken ganz zu schweigen. Und es gab keinen vorab organisierten Gepäcktransfer, ein Luxus, den ich mir leiste, ohne mich im Geringsten zu schämen. Wenig Gepäck auf dem Buckel! Wunderbar! Wanderer, was willst du mehr. Sei glücklich, Spätgeborener, dass du nicht dein ganzes Zeug mitschleppen musst. Ja schon, ja aber! Die Vorteile sehe ich wohl, allein alles hat seinen Preis. Von beidem soll die Rede sein.
Der automobile Wahnsinn!
Solange man drinsitzt, im Auto, im Schwarm dahin schwimmt, Gas gebend, bremsend, wirkt vom Wahnsinn gezeichnet, wer an einem vorbeirast, riskant überholt, zu dicht auffährt usw. Aber man selber doch nicht! Schließlich musste ich eben nur mal kurz beschleunigen, den überholen, weil er zu langsam dahinschlich, musste scharf bremsen, ausnahmsweise hupen. Meine Fahrweise ist doch in Ordnung, oder? Aber es gibt ein paar Verrückte, die dürften eigentlich nicht, denen müsste man doch glatt …
Bei einer vierzehntägigen Fernwanderung ist der Verzicht auf das Auto unabdingbar. Alles andere wäre Selbstbetrug. Die Abstinenz erlaubt einen veränderten Blick auf unser liebstes Verkehrsmittel. Auf der Tagestour nach Lengenfeld komme ich, das kann passieren, es genügt ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, vom markierten Weg ab. Zurück gehen?
Diese Möglichkeit besteht immer, aber ich gehe ungern zurück, hasse es gelegentlich regelrecht, weil ich es erniedrigend finde, nach dem letzten Markierungszeichen zu suchen. Ach, sagt die eine Stimme, irgendwie werde ich, wenn ich in diese oder jene Richtung abbiege, wieder auf den richtigen Weg kommen. Ich kann ja evtl. fragen. Außerdem. Warum nicht mal vom vorgezeichneten Weg abgehen und was der beschwichtigenden Versuche mehr sind. Also gehe ich einfach weiter, stoße unversehens auf eine Schnellstraße. Mist! Wäre ich doch lieber zurück gegangen: Schnellstraße! Ein geläufiger Begriff, aber was er wirklich bedeutet, erfährt man erst, wenn man ein Stück an solch einer Straße entlang geht und überlegt, ob es ratsam ist, diese Straße zu überqueren.
Die irrsinnig anmutende Geschwindigkeit, der betäubende Motorenlärm, die verbissenen Gesichtermasken hinter den Lenkrädern, dieser den wandernden Beobachter fassungslos machende Zwang, dass es schnellschnell gehen muss, um von hier nach da zu gelangen. Fahrende Geschosse. Automobiler Geschwindigkeitsrausch denke ich und weiß, dass ich bald selber wieder drin sitzen werde, in meiner Benzinkutsche. Und ich werde nix dabei finden, 200, 500, 700 km über die Autobahn zu brettern, um dahin oder dorthin zu gelangen.
Doch jetzt, hier, neben dieser entsetzlichen Schnellstraße, leuchtet mir kurzzeitig ein, dass diese bekloppten Automenschen, zu denen ich gehöre, für die Belastungen, die sie verursachen, gefälligst zahlen sollten. Maut für alle Straßen? Na klar doch! So viel zu meinem Wutanfall auf dem Weg nach Lengenfeld. Nehme mir vor, künftig besser aufzupassen, damit ich den markierten Weg nicht übersehe. Zurückgehen kommt mir nach dieser Erfahrung nicht mehr erniedrigend vor.
Fotos:
1: Altes Rathaus in Plauen, © Augustustours
2: Bank unterhalb des Galgenberges, © Augustustours
INFO:
AugustusTours organisiert seit 1998 individuelle Aktivreisen mit Gepäcktransport entlang der schönsten Rad- und Wanderwege Deutschlands. Neben der genauer Planung der Reiseroute kümmert sich der Reiseveranstalter um die Buchung rad- und wanderfreundlicher Unterkünfte und übernimmt zudem den Transport des Reisegepäcks von Unterkunft zu Unterkunft. Auch Tourenräder oder E-Bikes können von AugustusTours für Radreisen zur Verfügung gestellt werden. Mit über 7700 eigenen Radkilometern und mehr als 400 Wanderkilometern in den Beinen ist das Team von AugustusTours aktiv reisen ein kompetenter Ansprechpartner für Rad- und Wanderreisen in Deutschland.
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