Serie: Unterwegs im Harz auf dem Hexen-Stieg, Teil 1/10
Thomas Adamczak
Quedlinburg (Weltexpresso) - „Nichts ist dauernd, als der Wechsel; nichts beständig, als der Tod. Jeder Schlag des Herzens schlägt uns eine Wunde, und das Leben wäre ein ewiges Verbluten, wenn nicht die Dichtkunst wäre. Sie gewährt uns, was uns die Natur versagt: eine goldene Zeit, die nicht rostet, einen Frühling, der nicht abblüht, wolkenloses Glück und ewige Jugend.“ Börne
Diese Worte Börnes stellt Heinrich Heine seinem Fragment »Die Harzreise« voran.
Ich stecke die Reclam Ausgabe der »Harzreise« in die Hosentasche. Mal gucken, ob sich Börnes These auf dem „Hexen-Stieg“ in meinen Augen bestätigen wird.
Heine beginnt die »Harzreise« mit einem Rückblick. Er rechnet mit Göttingen, dem Ausgangspunkt seiner Wanderung, gnadenlos ab. Die Stadt sei »schön und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht«. Heine hat sich in Göttingen im Jahre 1819 immatrikuliert, wurde zwischenzeitlich wegen einer Duellgeschichte kurzzeitig exmatrikuliert und unternimmt in den Semesterferien im Herbst 1824 seine Wanderung durch den Harz. Er moniert das »graue, altkluge Ansehen« Göttingens. Es sei »eingerichtet mit Schnurren, Pudeln, Dissertationen,…, Wäscherinnen,… Taubenbraten, … Promotionskutschen, Pfeifenköpfen, Hofräten, Justizräten, Relegationsräten, Profaxen und anderen Faxen.«
Die Bewohner Göttingens teilt er ein in »Studenten, Professoren, Philister und Vieh«. Kein freundlicher Rückblick, sondern eine vor Ironie triefende Tirade. Raus aus dieser Stadt, dieser Stadt, das ist sein Ansinnen. Heine hat vom Stadtleben, dem Leben in dieser Universitätsstadt, die Nase gestrichen voll.
In dem die »Harzreise« einleitenden Gedicht heißt es:
»Schwarze Röcke, seidne Strümpfe,
Weiße, höfliche Manschetten,
Sanfte große Reden, Embrassieren –
Ach, wenn sie nur Herzen hätten!
….
Lebet wohl, ihr glatten Säle!
Glatte Herren! Glatte Frauen!
Auf die Berge will ich steigen,
Lachend auf euch niederschauen.«
Heine verlässt Göttingen früh am Morgen.
»Auf der Chaussee wehte frische Morgenluft, und die Vögel sangen gar freudig, und auch mir wurde allmählich wieder frisch und freudig zumute. Eine solche Erquickung tat not.«
Auch der Autor dieser Zeilen ist auf »Erquickung« aus. Ich komme allerdings nicht aus Göttingen, sondern aus Berlin, Berlin Kreuzberg, wo ich mich keineswegs über »glatte« Leute aufregen musste, sondern mal wieder über die Buntheit und das quirlige Leben in diesem Teil Berlins staunen konnte.
Als unerquicklich, um Heines Begriff aufzugreifen, erweist sich allerdings die Fahrt mit der Bundesbahn. Das Ticket hatte ich mir per Internet besorgt. Am Ostbahnhof die erste Ernüchterung: Der Regionalzug nach Spandau fällt aus. Herumgerenne. Kenne mich auf diesem Bahnhof nicht aus. Kriege mit Verspätung eine S-Bahn nach Spandau. Anschluss nach Braunschweig? Mein Zug ist längst weg. Der Service-Point in Berlin-Spandau – was‘ne alberne Bezeichnung -, den ich zu meiner vorschnellen Erleichterung entdecke, ist nicht besetzt.
Entdecke die beiden zuständigen Damen zufällig an einem Bahngleis. Sie müssen eine Person zu ihrem Abteil begleiten. Beide, frage ich mich, nicht die Damen.
Diese Service-Damen suchen mir eine Verbindung nach Göttingen heraus, wo ich umsteigen solle. Göttingen? Ich nicke begeistert, schreibe eifrig Abfahrts- und Ankunftszeiten mit. Zweimaliges Umsteigen! Solle aber unbedingt mit dem Zugbegleiter, Schaffner nennen die sich wohl nicht mehr, Kontakt aufnehmen. Mein Ticket müsse umgeschrieben werden!
Das Umsteigen in Göttingen erweist sich als Blödsinn, erfahre ich im Zug. Ich fahre, wie geplant, nach Braunschweig. Habe dort allerdings eine Stunde Aufenthalt. Dann Weiterfahrt nach Osterrode, Harz.
Wegen der erheblichen Verspätung erhalte ich von der Bundesbahn zwei Gutscheine, die ich für einen Imbiss im Braunschweiger Bahnhof nutzen kann. Burger King! Oh je!
Bestelle »Chickencrispy« oder so ähnlich mit Pommes und einer Dose Wasser. Kostet mich wegen der Gutscheine, die ich lässig über die Theke schiebe, zwei Euro. Eine knappe Stunde Aufenthalt im Burger King, Bahnhof Braunschweig.
Na, meine Harzreise beginnt also etwas anders als die von Heine. In so‘ner Bahnhofshalle überfallen mich Fluchtgedanken. Hier wie auch schon während der Zugfahrt entdecke ich dann doch »glatte« Gesichter, wie Heine sie in Göttingen sah. Manche Leute in den Zugabteilen setzen gar eiserne Gesichter auf, in die erst Leben kommt, wenn sie nach Smartphone oder Handy greifen. Kaum einer spricht beim Telefonieren leise. Man hört den anwesenden Gesprächsteilnehmer im ganzen Großraumabteil. Kann sich denken, wenn man will, was der jeweilige Gesprächspartner fragt und antwortet. Ich will nicht. Warum auch!
Ankunft in Osterode. Heinrich Heine kam in »pechdunkler Nacht« in Osterode an. Ich mit zweistündiger Verspätung, aber es ist noch hell. Während Heine der »Appetit zum Essen« fehlte und er sich »gleich zu Bette« legte, denn er war »müde wie ein Hund und schlief wie ein Gott«, kann ich in aller Ruhe zu Abend essen, finde dann aber kaum Schlaf, weil das Hotel an einer verkehrsreichen Straße liegt und ich durch den Verkehrslärm am Einschlafen gehindert und morgens sehr früh geweckt werde.
Motorengeräusche zu Heines Zeiten? Natürlich nicht! Der konnte noch schlafen »wie ein Gott«. Wie schlafen Götter eigentlich? Schläft Gott denn überhaupt? Hätte man mal Heine fragen können. Fortsetzung folgt
Foto: Altstadt von Osterrode, ©AugustusTours
Info: https://www.augustustours.de/de/wanderreisen/harz.html
AugustusTours organisiert seit 1998 individuelle Aktivreisen mit Gepäcktransport entlang der schönsten Rad- und Wanderwege Deutschlands. Neben genauer Planung der Reiseroute kümmert sich der Reiseveranstalter um die Buchung rad- und wanderfreundlicher Unterkünfte und übernimmt zudem den Transport des Reisegepäcks von Unterkunft zu Unterkunft. Auch Tourenräder oder E-Bikes können von AugustusTours für Radreisen zur Verfügung gestellt werden. Mit über 7700 eigenen Radkilometern und mehr als 400 Wanderkilometern in den Beinen ist das Team von AugustusTours aktiv reisen ein kompetenter Ansprechpartner für Rad- und Wanderreisen in Deutschland.
Der Harzer „Hexen-Stieg führt von Osterode bis nach Thale. Bei Thale ist der sehenswerte Rosstrappenfelsen, den Heine in der „Harzreise“ erwähnt. Außerdem sind „Hexentanzplatz“ („großflächiges Felsplateau mit umfangreicher touristischer Infrastruktur“), „Harzeum“ (Erlebnismuseum), „Walpurgishalle“ und Harzer Bergtheater (Naturtheater) für Besichtigungen zu empfehlen. AugustusTours bietet im Anschluss an die Wanderung eine zusätzliche Übernachtung in dem beeindruckenden Städtchen Quedlinburg an, das wegen der faszinierenden architektonischen Altstadt auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht. Die historische Altstadt beeindruckt den Besucher mit ca. 2000 Fachwerkhäusern aus acht Jahrhunderten, kopfsteingepflasterten Straßen, verwinkelten Gässchen, einer Vielzahl von Plätzen, sehenswerten Kirchen und Museen.