Mit dem Wattpostboten nach Hallig Süderoog, Teil 2/2
Eike Holly
Hamburg (Weltexpresso) - Es geht nun über festes Sandwatt, Muschelfelder sind auf den erhöhten Sandbänken zu erkennen, Knudsen führt die Gruppe daran vorbei. Man kann drüber laufen, aber schön ist das nicht, besonders für diejenigen, die keine Neoprensocken oder Ähnliches anhaben. Ihn selbst stört das kaum noch, er läuft barfuss und das bis in den November hinein...
„…aber dass ich die Muscheln gar nicht mehr merke, stimmt nicht, natürlich schneide ich mich auch mal, nur mit der Zeit bin ich halt nicht mehr so empfindlich." Der beständige Wind zerzaust die wilde Mähne des Wattpostboten noch mehr, als er das Gesicht dreht und mit dem Kompass die neue Richtung peilt, nun führt der Weg auf 215 Grad näher an die Hallig heran. Wieder werden Priele gequert, kaum höher als bis zu den Waden reicht das Wasser – es läuft immer noch der Nordsee hinterher.
Im sanften Licht des späten Nachmittages leuchten die Sandbänke fast golden wie aus dem Reiseprospekt, das Wasser in sattem Blau, sogar türkis – Meereswelten wie aus dem Bilderbuch. Die Gruppe ist eine gute Stunde unterwegs und längst liegt die Hallig deutlich zu erkennen auf der rechten Seite, doch Knudsen führt beständig daran vorbei weiter nach Südwest, schwenkt nun aber auf 235 Grad. „Längs der Hallig verläuft ein dicker Priel, der ist ziemlich verschlickt und auf direkten Zugang nach Süderoog kaum zu queren. Deshalb folgen wir ihm noch eine knappe halbe Stunde bis zum kleinen Anleger“, erklärt der Watt-Postbote. Die Priele werden wieder tiefer mit klar definiertem Prall- und Gleithang. Die Sandbänke erscheinen höher und steiler als draußen im weiten Watt zwischen Hallig und Insel. Von einer Sandbank führen zwei Schritte in einen weiteren, knietiefen Priel und hinaus geht es auf eine weite Schlickfläche. Dieser Priel ist mit seltsamen dünnen Stämmchen markiert – das war schon von Weitem zu erkennen. „Das sind Pricken“, sagt Knudsen, „sie markieren einen Schifffahrtsweg – dieser Priel führt zum kleinen Anleger der Hallig.“ In knapp acht Stunden werden hier wieder drei Meter Wasser stehen.
Je näher die Gruppe der Hallig kommt, desto tiefer wird der Schlick, die Schritte schmatzen. Der Meeresboden erscheint rückwärtig beinahe hügelig, zum Anleger schaut man beinahe auf. Vor dem kleinen Pier liegt das Boot auf der Seite, ein paar Schritte noch und die Steinschüttung ist erreicht. „Willkommen auf der Hallig Süderoog“, sagt der Watt-Postbote. Eine Fahne knattert im Wind, ein Traktor steht am Weg, Knudsen öffnet ein Tor. Hinter dem Gatter stehen die ersten Schafe. Bald ist die Warft erreicht. Darauf steht umgeben von Blumen und Büschen ein wunderschönes Reetdachhaus; Gänse schnattern, eine Pute läuft durchs Gatter, Hühner gackern – das hier ist auch ein Bauernhof.
Ein ganz Besonderer sogar und mit besonderen Tieren: Seit Nele Wree und Holger Spreer diese Stelle übernommen haben, kümmern sie sich um den Erhalt bedrohter Haustierrassen – ein „Arche-Hof“ mitten in der Wasserwelt des Wattenmeeres. Hauptberuflich sind die beiden beim Landesbetrieb für Küstenschutz angestellt und halten Hallig wie Reetdachhaus in Schuss. Sie sind Küsten- ebenso wie Tierschützer, denn auch der Vogelschutz gehört zu ihren Aufgaben. Und – darauf freuen sich die Teilnehmer der Tour – die Versorgung der Wattwanderer. Köstliche Kleinigkeiten gibt es; heute eine Kartoffelsuppe und selbstgemachte Minz-Limetten-Limonade. Der Postbote und die Halligbewohner klönen, Zeit für eine Tasse Kaffee und wenigstens einen kurzen Schnack ist immer. Ganz nebensächlich packt er seinen Rucksack aus, die Beiden suchen ein paar Unterlagen zusammen, tüten sie ein, Adress-Aufkleber drauf.
Danach, es ist heute noch Zeit dafür, zeigt Holger Spreer den wunderschönen Hof. Man mag so gern dableiben und wenigstens einmal übernachten, aber das geht nicht. Nur Knud Knudsen musste einmal hierbleiben: „Obwohl alles im Zeitplan lag, bin ich auf dem Rückweg von einem ungewöhnlich hohen Wasserstand überrascht worden – keine Chance dadurch zu kommen. Ganz selten kann es solche ungewöhnlichen Wetterlagen geben, dann bin ich eben zurückgegangen.“ Heute ist – wie sonst auch – alles gut. Die Sonne steht tief und taucht alles in ein goldenes, sanftes Licht. Die Gruppe macht sich fertig und Knud Knudsen packt das Päckchen ein, schließt das Gatter, winkt zum Abschied, tritt ins Watt, quert den ersten Priel, peilt Pellworm – und ab die Post!
Foto: (c) Nordseetourismus
Info:
Weitere Informationen zu den Erlebniswattwanderungen mit Knud Knudsen nach Südoog auf www.nordseetourismus.de und www.pellworm.de