An der Nordsee: unterwegs zur Hallig Langene, Teil 2/2
Eric Fischling
Hamburg (Weltexpresso) - Die kleine Gruppe, die meisten der Teilnehmer sind erfahrene Wattwanderer und einige mit Wintererfahrung, läuft der Nordsee hinterher. Bernd Dummer plant die Wattwanderung so, dass „…wir auch bei hohem Wasserstand möglichst günstig durch den großen Priel kommen – denn da müssen wir nachher durch!“
Nachher, dass ist kurz vor der Hallig Langeneß. Die Tour führt von Dagebüll vorbei an der Hallig Oland, die linkerhand die Gruppe auf der gesamten Tour als Wegmarke und Silhouette begleitet, zum östlichen Ende der langestreckten Hallig. Steten Schrittes verlässt die Gruppe das Festlandsufer und taucht ein in den großen, leeren Raum, der so seltsam verlassen unter einer fahlen Morgensonne liegt.
Während im Sommer mancherorts hunderte von Leuten im Watt unterwegs sind, ist die Zahl der Wanderer im Winter auf ein Minimum beschränkt; die Gruppen sind klein und man hat nun das Gefühl, wirklich allein unterwegs zu sein. Auch dies macht die Faszination einer Wattwanderung im Winter aus; die Exklusivität. „Weil wir so wenige sind, wird es gelegentlich ganz von alleine still. Dabei nimmt man unbewusst die Weite und die Naturgeräusche um sich herum wahr. Seien es Vögel, der Wind oder einfach nur die Stille“, hat Bernd vor der Tour versprochen. Wohl wahr: Man geht nebeneinander und kommt dann und wann ins Gespräch … oder man geht einfach nur mal so für sich – genießt die Umgebung oder hängt seinen Gedanken nach. Eben ohne den nächsten Nachbarn in unmittelbarer Hör- und Reichweite (und genau deswegen ist das später folgende abendliche Beisammensein mit Grünkohl und Musik noch ´mal so schön).
Die Tour von Dagebüll quer rüber nach Langeneß führt über sehr gut zu laufendes Sandwatt, bis auf eine Strecke von 20, 30 Meter reichen dafür normale Gummistiefel aus. Wie wir das mit dem Priel erledigen, sehen wir gleich. Es ist an diesem Morgen bislang auch völlig windstill. Auf der ebenen Wattfläche steht noch immer eine Handbreit Wasser und diese wirkt wie ein riesiger Spiegel; grau und glatt von Horizont zu Horizont. Wo die Schritte in das Wasser schlagen, zerreißen die Wellen den Schatten der Läufer zu einem bizarren Zerrbild.
Bernd nimmt einmal mit dem Kompass Maß und geht an Oland vorbei in südwestliche Richtung auf die Hallig Langeneß zu. Immer weiter driftet die Gruppe vom Festland ab und verliert allmählich den Bezug dazu; im Osten begrenzt der Lorendamm diese Wattfläche im Nordwesten strömt die gewaltige Norderaue – einer der größten Priele im Watt. Eisgrau der Himmel und es reicht nach Schnee. Aber bald schon lösen sich die Wolken auf und verschwinden wie Nichts und die Farbpalette ändert sich mit stetig stärker strömenden Lichts von sanften, pastelligen Rot- und Orangetönen, zu eiskaltem Blau; von diffuser Dämmerung zu kristallklarer Reinheit. Dieses Licht lässt eine Schar Enten, die entfernt auf einer Sandbank sitzt, magisch aufleuchten, so als würden sie von Innen strahlen.
Nun flutet dieses typische Licht aus dem Himmel, das es nur im Norden gibt. Hier und heute ist es besonders klar und rein; strömend und strahlend, kalt wie aus dem Weltraum. Auch die Luft ist frisch, erfrischend für Körper und Geist, ebenfalls rein wie ein Kristall. Die Kameradschaft, auch das fällt schnell auf, ist eine ganz andere als sonst; angenehmer und schöner. Ein unausgesprochener Zusammenhalt, schließlich wird man über Nacht bleiben und nachher noch zusammensitzen. „Wir ticken hier doch auf gleicher Wellenlänge“, sagt einer; wohl war.
Etwa zwei Stunden nach dem Start hat die Gruppe den Priel erreicht, er trennt die Wattfläche von Langeneß von der des Festlandes, noch immer strömt das Wasser der Nordsee hinterher. Bernd, wie immer vorneweg, geht vorsichtig und Schritt um Schritt in diesen „Fluss des Meeres“, testet die Tiefe. „Das Watt unterliegt einer unglaublichen Dynamik, du weißt nie ganz genau, wie sich der Priel verändert hat – das kann innerhalb weniger Wochen ganz anders sein“, sagt er. Und kehrt um, auch der größte Mann in der Gruppe, zwei, drei Leute sind Bernd gefolgt, kommt zurück – zu tief, die Gummistiefel würden beim nächsten Schritt volllaufen.
Dabei ist das gegenseitige Ufer zum Greifen nah. Bernd holt aus seinem Rucksack eine Rolle großer, blauer Mülltüten – und gibt jedem Teilnehmer zwei Stück. Mülltüten? Ja, klar! „Davon zieht Ihr euch jetzt über jedes Bein eine. Für die zwanzig, dreißig Meter durch den Priel reicht das aus!“ Wir stützen uns gegenseitig ab, lassen die Tüten vom – inzwischen aufgekommenen Wind – aufpusten und ziehen sie uns über die Gummistiefel, ziehen sie hoch. Stolpern und staksen dann in den Priel. Der unheimliche Sog des Wassers drückt auf Tüte und Bein, ein merkwürdiges Gefühl.
Die Hallig Langeneß ist jetzt schon klar zu erkennen, weit ist es nicht mehr. die Strecke läuft Bernd zu Beginn einer jeden Wintersaison nochmals ab und ermittelt die beste Route – diesmal, wo der Lorendamm auf die Hallig trifft. Dorthin wollen auch wir. Nun ändert sich der Untergrund abermals: Die einstige zusammenhängende und völlig ebene Fläche weicht einer wilden Abfolge von Sandbänken, Seen und Prielen. Dann plötzlich versinken die Stiefel in tiefem Schlick - und es riecht nicht. Hier wird ein weiterer Aspekt einer winterlichen Wattwanderung deutlich: Die Luft ist immer frisch. Das klärt den Kopf, erfrischt den Geist. Räumt auf und macht Platz für Eindruck, Erlebnis und Erfahrung. Und gleich gibt´s Grünkohl.
Foto: Nordsee Hallig Langeneß, Nordsee-Tourismus
Info:
Weitere Informationen und Anmeldung zur Wintertour zur Hallig Langeneß bei Bernd Dummer; Tel: 0461-992 7681,Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Die nächsten Termine für die Wattwanderung zur Hallig Langeneß mit Übernachtung und Grünkohlessen satt/Rückfahrt mit dem Schiff finden statt am:
Samstag, 07. Januar bis Sonntag, 08. Januar 2017
Samstag, 21. Januar bis Sonntag, 22. Januar 2017
Samstag, 04. Februar bis Sonntag, 05. Februar 2017
(genaues Programm/Preise auf Anfrage)
Informationen zur Hallig Oland und Hallig Langeneß auf www.langeness.de
Weitere Tipps für unterhaltsame und besondere Wattwanderungen unter www.nordsee-natuerlebnis.de und auf www.nordseetourismus.de