Die Süd-Ost-Asienreise, Teil 5

Hanswerner Kruse

Saigon (Weltexpresso) - Es wird spät, als wir endlich unser Hotel in Saigon erreichen, Vietnam Airline hat uns endlos lange hingehalten, weil ganz offensichtlich unser geplanter Flug überbucht war. Das schmale Haus liegt in einer abgelegenen, stinkenden Gasse in der Nähe eines Busbahnhofs.

In einer nahen, teuren Touristenkneipe treiben wir etwas zu essen auf. Wir sind sehr enttäuscht, obwohl das Zimmer im 4. Stock sehr, sehr schön und großzügig ist und vom Balkon aus einen großartigen Blick über die beleuchtete Stadt ermöglicht. Doch am nächsten Morgen weckt mich Hannah begeistert, unser Quartier liegt direkt über einem großen Markt der Einheimischen, auf dem es Fisch, Früchte und Essen zu kaufen gibt. Die meisten Händler verkaufen direkt aus oder vor ihren Wohnzimmern, in denen sie abends auch ihre Motorroller aufbewahren.


In Hanoi dachten wir bereits, das Chaos durch die Rollerfahrer sei nicht zu überbieten - doch im Vergleich mit Saigon kommt uns die Stadt im nachhinein eher wie eine große Fahrschule vor. Denn in Saigon tobt wirklich der Wahnsinn, tagelang streifen wir durch die Stadt, immer gejagt von tollwütigen Rollerfahrern. Die rasen cool über Zebrastreifen, Bürgersteige, rote Ampeln und halten mit Blickkontakt „als druff“ - Fußgänger sind Freiwild. Als ich einen, mit einem Beutel voller Wasserflaschen erwische, ist der auch noch empört... Zwischendurch machen die ganz Harten ein Schläfchen auf ihren Rollern.


Überall sieht es sehr westlich aus, auch auf den langen Busfahrten durch die ganze Stadt. Saigons China Town ist - außer einem kleinen Früchtemarkt - nicht so umwerfend, auch nicht der Touristenmarkt xxx und andere Sehenswürdigkeiten. Alle Händlerinnen versuchen uns ständig übers Ohr zu hauen und ein paar Dong zusätzlich zu verdienen. Nee, die Stadt macht keinen Spaß. Doch beim „Nachsehen“ der Fotos fällt uns jetzt auf, dass wir sehr viele kleine, nicht so spektakuläre, jedoch sehr schöne Bilder und Szenen gesehen haben: Das schlafende Mädchen, die Friseure auf den Straßen, die kleinen Tempel zwischen den Hochhäusern, die Drachenskulptur im Park, die Eis produzierende Frau, seltsame Bäume...  


Sehr gut gefällt uns der Kulturpark mit zahlreichen modernen Skulpturen neben dem Museum der Wiedervereinigung (in das wir nicht gehen, weil die korrupte Kassiererin den Presseausweis nicht anerkennen will). Begeistert sind wir auch von der riesigen Auswahl zeitgenössischer Vietnam-Kunst im Museum Of Fine Art, das sehr gepflegt ist (und natürlich den Presseausweis akzeptiert). Die Bilder und Objekte sind wesentlich radikaler als diejenigen, die wir in Hanoi sahen. Die Künstler in Süd-Vietnam hatten und haben wohl mehr Kontakt zur westlichen Kunstwelt und sind von ihr stark beeinflusst, das zeigt sich in vielen aufgelösten Formen (Fotos).  Doch die faszinierende  Verbindung von surrealen westlichen Gestaltungsweisen mit der mythologischen Welt der thailändischen Kunst fehlt in Vietnam völlig.


Kunstpädagogik ist hier auch zu Hause, kleine Kinder malen im Hof und in Nebenräumen des Museums; von ihnen werden hinreißende Bilder präsentiert. Wir essen etwas im Art Café, hören dazu schleimige amerikanische Musik - aber Englisch spricht niemand. Mit einem nordvietnamesischen Maler, der in einem Nebengebäude des Museums ausstellt, kommen wir ins Gespräch. Er verwendet traditionelle Lackmalerei für moderne Themen und freut sich über unser Interesse an seiner Arbeit.