Die Süd-Ost-Asienreise, Teil 6

Hanswerner Kruse

Saigon (Weltexpresso) - Kurz vor der Busreise erwischt mich noch ein Arschloch mit dem Motorrad. Ungebremst rast er zwischen zwei Bussen in die Fußgängerzone in mich rein: Knie geprellt, Kleiner Finger schwer gestaucht und geschwollen, Brille verloren... Nach drei Stunden erreichen wir die Provinzhauptstadt, der freundliche Beifahrer im Bus reicht mir ständig eiskaltes Wasser zum Fingerkühlen.


Kein guter Start und auch kein guter Anfang im Hotel in der Provinzhauptstadt. Das erste Zimmer hat getrennte Betten und keine Fenster. Beschwerde! Das zweite Zimmer ist ein Raucherzimmer und stinkt gewaltig. Beschwerde. Das dritte Zimmer hat zwar ein typisch vietnamesisches Hotelbett für Europäer mit üppigen 2 x 2 Metern (die Vietnamesen sind so klein, dass sie vielleicht alle Weißen für Riesen halten?). Aber die Wände sind voller Schimmel. Unsere dritte Beschwerde wird am nächsten Morgen abgestellt, wir ziehen endlich in das bei booking.com gebuchte Balkonzimmer.


Vom Bett aus sehen wir Ho Chi Minh und den Mekong (Titelfoto). Auf dem Balkon können wir stundenlang sitzen und den Besuchern der Stadt oder den vietnamesischen Familien zusehen, die sich vor „Onkel Ho“ fotografieren. „Das hat den ganzen Anfangsstress aufgelöst“, meint Hannah. Der Verkehr ist ruhig, man kann sogar ohne Lebensgefahr über die Straße zum Flussufer gehen. Die Stadt hat einen sehr schönen langen Früchte-, Fisch- und Gemüsemarkt, aber das war’s auch schon, deshalb verbringen wir viel Zeit am und auf dem Wasser.


Am zweiten Tag fährt uns eine junge Vietnamesin mit ihrem kleinen Tuckerboot stundenlang über den hier schon sehr breiten, aber völlig vermüllten Mekong-Fluss. Je weiter wir in die immer kleiner werdenden Seitenarme vordringen, um so sauberer wird das Wasser. Kinder baden darin, Frauen waschen ihren Reis, die Wäsche oder das dreckige Geschirr, Männer rasieren sich. Während wir so dahintreiben und durch das Tuckern des Motors, das Gluckern des Wassers und das Platschen der Ruder in einen meditativen Zustand geraten, bastelt unsere Kapitänin Fische, Vögel und Schmuck aus Schilfrohr.


Ziemlich entspannt buchen wir für den nächsten Tag die teurere Fahrt zu den „Schwimmenden Märkten“ bei ihr. Wir stehen um 4 Uhr auf, suchen im Regen unsere Seefrau, finden sie aber nicht. Nun müssen wir uns ein anderes Boot suchen - ein ziemlich alter Seebär fährt mit uns allein in seinem Riesenkahn (für mindestens zwanzig Passagiere) den Mekong runter. Es ist kalt und regnet, wir sind müde, aber die im Dunklen beginnende Fahrt ist ein Erlebnis. Einmal dürfen wir das Schiff sogar selbst steuern. Mein Vater, der bei der Kriegsmarine ausgebildete Steuermann, hätte seine Freude an uns. Langsam erleben wir, wie die Menschen am Fluss erwachen, zu arbeiten beginnen oder mit kleinen Ruderbooten oder Fähren zur Arbeit fahren.


Irgendwann sehen wir von weitem (unser Kahn ist zu groß) die großen Marktschiffe voller Bananen oder Gemüse. Später stranden wir neben einem kleineren Schwimm-Markt und gehen in eine äußerst rustikale Kneipe. Vom Dach beobachten wir, bei scharfer Suppe und bitterem Kaffee, wie unter uns ein wenig verhandelt und verkauft wird. Aber überzeugend ist das alles nicht, in einigen Jahren werden wahrscheinlich Schauspieler den schwimmenden Handel aufführen. Zurück im Hotel schlafen wir erst einmal eine Runde.


Da wir keinerlei Gebrauch von den touristischen Angeboten des Hotels machen, kümmert sich niemand mit Englischkenntnissen mehr um uns. Bei der kleinen Rezeptionistin schreiben wir am Ende unsere eigene Rechnung, die sie brav abschreibt. Auf der Rückfahrt regnet es fürchterlich. Noch einmal sind wir in Saigon zwei Tage in unserem geliebten Hotel mit der großartigen Aussicht vom Balkon, diesmal vom 6. Stock, und der leckeren Nudelsuppe zum Frühstück.

Fotos: (c) Hanswerner Kruse