Der Mythos des Weißen Rings
 
Notker Blechner
 
Lech/ Vorarlberg (Weltexpresso) -  Die mondäne Wintersportort Lech lockt nicht nur Nobel-Touristen an, sondern alljährlich im Januar auch Hobby-Skifahrer. Sie kommen zum längsten Skirennen der Welt, dem Weißen Ring - auf der Suche nach einem unvergesslichen Erlebnis oder dem besonderen Adrelanin-Kick.

 
Die Bedingungen waren ideal. Kaiserwetter, keine Wolken am Himmel, optimal präparierte Pisten, beste Sichtverhältnisse. Da hätte es nur noch gefehlt, dass der neun Jahre lang alte Streckenrekord von Patrick Ortlieb geknackt wird. Die Zeit von 44:35,07 Minuten war aber diesmal noch für Patrick Mädler unantastbar. Der Voralberger Lokalmatador brauchte für das 22 Kilometer lange Rennen mit 5.500 Meter Höhenunterschieden 46 Minuten und 30 Sekunden - also fast zwei Minuten mehr als 2008 der Olympiasieger von Albertville.
 
Kombination aus Abfahrt und Lift-Passagen
 
Sechsundvierzigeinhalb Minuten - das ist eine tolle Zeit. Denn das Volksskirennen besteht nicht nur aus Schussabfahrten, sondern auch aus fünf Sessellift-Passagen. Da vergehen oft quälende Minuten des Wartens. "Das Liften macht 70 Prozent der Zeit aus, die Abfahrt nur 30 Prozent", erklärt der 42-jährige Ex-Ski-Weltcupfahrer Pepi Strobl, Zweiter des Gesamtrennens hinter Mädler und Sieger bei den Älteren in der Klasse B.
 
Deshalb gewinnt auch der, der sich am geschicktesten bei den Lifts einreiht. Strobl: "Er muss gut liften können, sonst hat er keine Chance."


 
Schnelles Liften und Ausdauer gefragt
 
Darüber hinaus kommt es auf eine gute Ausdauer bei einem so langen Rennen an. Das ständige Hin und Her zwischen Speed und Pausen im Lift macht auch die Schnellsten müde. "Eine gute Kondition hier ist ganz wichtig", sagt Wolf Eberhard aus Stuttgart. Der 65-jährige Schwabe, der in der Klasse der Ältesten mit einer Zeit von unter einer Stunde (57:14 Minuten) gewann, kennt die Strecke bestens. Er kommt fast jedes Jahr zum "Weißen Ring".
 
Es sind nicht die besten Skifahrer der Welt, die bei dem legendären Rennen mitmachen. Es sind eher Altprofis wie Pepi Strobl, Ski-Begeisterte, die das besondere Erlebnis suchen, und Hobbyfahrer, die einfach nur ankommen wollen. 2017 nahmen 1.100 Läufer teil am Volks-Skirennen. Viele waren auf der Warteliste.


 
Vom Rüfikopf übers Madloch bis nach Lech
 
Das Rennen geht auf dem 2.362 Meter hohen Rüfikopf los. Alle 100 Sekunden setzt sich ein Block von 20 Fahrern in Bewegung. Zunächst müssen die Teilnehmer kraftraubende 100 Meter aufwärts gehen. Dann erst geht es im Schuss abwärts. Die Rundtour führt vom Rüfikopf ins benachbarte Zürs, über den Zürsee und das Madloch zur Siedlung Zug und schließlich über das Kriegerhorn und Oberlech zurück zur Schlegelkopf-Talstation nach Lech, wo das Publikum begeistert applaudiert.
 
Anders als in den letzten Jahren konnte diesmal auch das Madloch angefahren werden. Dort waren die Bedingungen etwas schwieriger. Der Wind blies den Rennfahrern auf 2.438 Metern Höhe eiskalt ins Gesicht. Aus mehreren Teilen des Bodens ragten Felsteile hervor. Einzelne Passagen waren vereist.
 


"Anstrengend und irre schön"
 
Die meisten Teilnehmer fanden das Rennen "anstrengend", "teilweise anspruchsvoll", aber auch "irre schön". Erschwerend kam diesmal die klirrende Kälte trotz Sonnenscheins hinzu. Im Ziel zeigten sich alle Rennläufer sichtlich stolz, die 22 Kilometer lange Strecke ohne Blessuren überstanden zu haben. Zwei Kollisionen blieben ohne schwere Folgen.
 
Wer den "Weißen Ring" fahren will, ohne am Rennen teilzunehmen, kann dies an normalen Tagen tun. Gemächlich ohne Zeitdruck lässt sich die teils ausgeschilderte 22 Kilometer lange nachfahren. Allerdings ist die Direktverbindung zum Madloch nicht immer gewährleistet.


 
Gepflegtes Après-Ski
 
Abends lässt sich der Tag beim Après-Ski in der Krone Bar, im s'Pfefferkorn oder in der Archiv Bar ausklingen. Besonders beliebt ist der K-Club. Die etwas missmutigen Türsteher verlangen aber einen Eintritt von fünf Euro. Ein Geheimtipp ist die Schneggarei, eine Nobelhütte, in der Mercedes abends zur "White Winners Night" einlud.
 
Tagsüber trifft man sich zum Glas Schampus in der Open-Air-Bar der Krone. Oder lässt's oben auf BalmAlp krachen. Da wackeln selbst die Tische. Nur vor 17 Uhr sollte man die Hütte verlassen. Sonst kann die Abfahrt ins Tal dunkel und schwierig werden…

 

Foto: (a) lech-zuerst.at

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