d6e737e8391Zur Geschichte von jüdischen Dingen in Frankfurt – im Museum Judengasse und im Museum für Angewandte Kunst

Heinz Markert
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Anlässlich des Abschlusses der 16jährigen Wanderschaft von ‚Legalisierter Raub‘ wurden Besucher der letzten Station dieser Ausstellung - in Frankfurt - auch zu 10 Zeremonial- und Kultgegenständen im Frankfurter Museum Judengasse geführt (besonders mit Kiddusch-Kelch, Tora-Schild und Chanukka-Leuchter).
Auch das Museum für Angewandte Kunst ergänzte die Forschung zu Objekten aus privatem jüdischem Besitz, die zur Zeit des Nationalsozialismus unrechtmäßig angeeignet und staatlicherseits „verwertet“ wurden.
 
Geraubt.Zerstört.Verstreut (Jüdisches Museum Frankfurt)
 
Eine kleine Broschüre des Museums Judengasse liefert Informationen zum gegenwärtigen Stand, der über das Ursprungsjahr 1988 zur Forschung über Herkunft und Verbleib von Gegenständen hinausweist. An begleitenden Markierungen entlang kann den Umständen und Gegebenheiten der Provenienz und Restitution nachgegangen werden, denn es handelt sich um Dinge, „die über den Kunsthandel, aus Privatbesitz oder aus Sammlungen anderer Museen ins Museum Judengasse gelangt sind“. Die Artefakte sind immer zugleich Sinnbilder einer gefährdeten und periodisch angefeindeten Kultur und Religion.
 
Die Ausstellung „geht dem Weg von Gegenständen nach, die sich einst in der 1938 zerstörten Börneplatz-Synagoge befanden“. Sie „thematisiert auch Fragen der Provenienz von Exponaten, deren Herkunft bislang nicht eindeutig geklärt werden konnten“. Als von besonderem Rang lassen sich „Fragmente hebräischer Schriften, die im Zusammenhang mit frühneuzeitlichen Pogromen geraubt und von christlichen Buchbindern weiterverwendet wurden“ sehen. Die Sammlung des Museums Jüdischer Altertümer, das 1922 in Frankfurt eröffnete „wurde in der Pogromnacht 1938 vandalisiert, seine Sammlung in Teilen beschlagnahmt, in Teilen zerstört“.

Geraubt.Gesammelt.Getäuscht, stolen.collected.obscured (Museum Angewandte Kunst)
 
image manager max web 2 objektgruppe provenienzforschung museumangewandtekunst foto anja jahn c museum angewandte kunst 2Das Museum für Angewandte Kunst prüfte seit 2016 seine Bestände auf unrechtmäßig angeeignete Objekte aus jüdischem Besitz. Die Sammlung Pinkus/Ehrlich erzählt exemplarisch von der Geschichte einer Kollektion von Silberobjekten aus dem 17. Und 18. Jahrhundert des jüdischen Sammlers Joseph Pinkus (1829-1909) aus Neustadt in Oberschlesien. Diese Sammlung erbte seine Tochter Hedwig Ehrlich (geb. Pinkus, 1864-1948) gemeinsam mit ihrem Mann, dem bedeutenden Mediziner und Forscher Prof. Dr.Paul Ehrlich (1854-1915).
 
„Als Hedwig Ehrlich 1939 in die Schweiz emigrieren musste, deponierte sie das Silber bei der Dresdner Bank in Frankfurt. Dort wurden die kunsthandwerklichen Gegenstände im Mai 1940 im Zuge der Zwangsabgabe von Edelmetallen für Juden beschlagnahmt, schließlich an die Städtische Darlehensanstalt überführt und ‚verwertet‘“.

Ausgewählte Objekte dieser Sammlung, die in den Besitz des Museums für Kunsthandwerk (Vorläufer des Museums für Angewandte Kunst) kamen und 1949 – bis auf zwölf Positionen, die laut Inventarbuch im Krieg verbrannt waren – vom damaligen Museum restituiert wurden, konnten 2017 im Zuge der Provenienzforschung als die angeblich verbrannten Kunstgegenstände identifiziert werden.
 
„Wie man heute weiß, hat das Museum die Provenienz der Objekte nach dem Krieg bewusst manipuliert, um ihnen eine unbedenkliche Herkunft zu verschaffen“. Die Anordnungen gingen von den Direktoren aus. Die Verhältnisse um Rückerstattungsansprüche, Entschädigung, Ankauf, ggf. Dauerleihgabe können in einer Vitrine mit Inventarband und Karteikarte (ein Konstrukt zwecks Täuschung - danebenliegend) im Studium vor Ort nachvollzogen werden.
 
Frankfurt war eine Hochburg der Beraubung der Juden, da es eine umfangreiche jüdische Gemeinde hatte. Und Frankfurt war schon damals eine Stadt der Künste, der Förderung der Künste und des Mäzenatentums, mit dem die deutsch-jüdische Gesellschaft ihrer Heimatstadt und der Kunst Förderung erteilen und ihr Bestätigung erweisen wollte.
 
Gesammelt.Gekauft.Geraubt?
 
Das Weltkulturen Museum in Frankfurt wird ab 15. August 2018 mit seiner Ausstellung ‚Gesammelt.Gekauft.Geraubt?‘ Fallbeispiele zu den Umständen der Aneignung der Weltkulturen-Objekte in kolonialem und nationalsozialistischem Kontext beleuchten. Handelt es sich im Fall des ‚günstigen Ankaufs‘ eines Waffengurts aus Südafrika in Paris oder Amsterdam um eine Kriegsbeute oder einen zivilrechtlich gesicherten Erwerb?
 
Fotos:
Museum Judengasse, Frankfurt
Museum Angewandte Kunst

Info:
Museum Judengasse, Battonnstraße 47, 60311 Frankfurt am Main (17. Mai bis 14. Oktober 2018)
Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt (7. Juni bis 14. Oktober 2018)
Museum der Weltkulturen, Schaumainkai 29-37,60594 Frankfurt am Main (16. August 2018 bis 27. Januar 2019)

Die Teile der Serie in WELTEXPRESSO

1. Der Nationalsozialismus erhob den Raub zum Staatsakt
https://weltexpresso.de/index.php/wissen-bildung/13071-der-nationalsozialismus-erhob-den-raub-zum-staatsakt
2. Geraubt.Zerstört.Verstreut + Geraubt.Gesammelt.Getäuscht