Uni 2020 01 web cover jpgNeue Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ befasst sich mit dem Thema Digitalisierung / Interview mit Arbeitssoziologin Friedericke Hardering

Hubertus von Bramnitz

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Corona-Krise hat vieles verändert – auch in der Arbeitswelt. Die Digitalisierung ist auch hier einen großen Schritt vorangekommen. Defizite bei Ausstattung und Infrastruktur wurden dabei schmerzhaft deutlich, aber auch die Bereiche, in denen analoge Formen des Arbeitens nicht zu ersetzen sind. Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, die gestern erschien, trägt den Titel: „Wir in der digitalen Welt – Chancen Risiken Nebenwirkungen“.
Darin versammelt ist ein facettenreiches Spektrum an Beiträgen aus der Soziologie, der Rechtswissenschaft, der Psychologie, den Wirtschaftswissenschaften und natürlich auch der Informatik. Den Auftakt macht ein Interview mit der Arbeitssoziologin Friedericke Hardering, die auch Fragen zu den Entwicklungen des zurückliegenden Halbjahres beantwortet.

Deutschland hinke bei der Digitalisierung hinterher, diese weit verbreitete Kritik teilt Hardering – allerdings nur begrenzt: „Es gibt inzwischen durchaus genug Akteure, die Deutschland analog zum Silicon Valley zum Silicon Germany machen wollen. Die Relevanz des Themas wird gesehen.“ Deshalb sieht die Soziologin, die an der Goethe-Universität habilitiert wurde, durchaus optimistisch in die Zukunft. Wobei sie auch den Staat in der Pflicht sieht: „Auch das Silicon Valley hätte es ohne staatliche Hilfe so nicht gegeben: Das ist ja nicht durch die Initiative von Unternehmern entstanden, sondern nur auf der Basis massiver Fördergelder. Ohne eine gute Infrastruktur und die entsprechende Förderung kann es nicht funktionieren.“

Dass analoge Formen des Arbeitens und der Begegnung bald der Vergangenheit angehören könnten, diese Möglichkeit sieht Hardering nicht: „Unter normalen Bedingungen – ohne Corona-Krise – brauchen wir immer eine Verzahnung von Online und Offline, in der Arbeitswelt, aber auch darüber hinaus.“ Denn digitale Technologien seien keineswegs ein Allheilmittel für Krisen jeder Art, sondern sie brächten andere Risiken mit sich. Die in der Corona-Zeit vielgenutzte Möglichkeit des Homeoffice habe Hardering zufolge vor allem gezeigt, wie gespalten die Gesellschaft sei in Bezug auf materielle Ausstattung, aber auch in Bezug auf die Kenntnisse. Die Digitalisierung verschärfe die Ungleichheit zwischen den Menschen weiter.

Unabhängig von der Coronakrise bringt die Digitalisierung auch neue Formen der Arbeitsorganisation hervor, zum Beispiel Crowdworking-Plattformen. Dieser wachsende Bereich stelle auch die Gewerkschaften vor große Herausforderungen: „Soloselbstständigkeit ist ja auch unabhängig von Digitaltechnologie immer ein relativ ungeschützter Bereich mit vielen Unsicherheiten und Prekaritäten.“ Die Frage sei, wie man Soloselbstständige zum kollektiven Handeln bringen könne. Auch in anderer Hinsicht verschärfe die Digitalisierung prekäre Arbeitssituationen. Bei der Rasanz der Entwicklung könnten Regulierungsinstanzen oft nicht mithalten.

Hardering, die derzeit in einem Projekt zur Entfremdung der Menschen von der Arbeit forscht, spricht im Interview auch darüber, wie sich die Erfahrungen von Beschäftigten in Hinblick auf die Digitalisierung ändern, wie diese sich unter den Bedingungen neuer digitaler Technik die Arbeit aneignen. „Ein Phänomen der Entfremdung wäre zum Beispiel, wenn die Leute davon berichten, dass eine bestimmte Form des Zusammenseins früher in der Arbeit gegeben war, die jetzt, zum Beispiel durch Beschleunigungsprozesse, durch immer höheren Zeit- und Leistungsdruck, nicht mehr da ist“, erklärt die Soziologin. Arbeit sei immer auch ein Ort des sozialen Zusammenseins und somit wichtig für die Weltaneignung.

Auch die sonstigen Beiträge im aktuellen „Forschung Frankfurt“ betrachten die Digitalisierung vor allem unter dem Aspekt der Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft.

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Info:
www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de
Quelle: Uni Frankfurt