Ein Vergleich zwischen den Gewaltexzessen von Hamburg (2017) und Frankfurt (2015)
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Hinterher ist man häufig klüger, doch in Hamburg hätte man es bereits lange vor den Gewaltexzessen sein können.
Schließlich lagen sowohl dem Bundeskriminalamt als auch dem Landeskriminalamt der Hansestadt seit Monaten valide Informationen über geplante Attacken der so genannten linksautonomen Szene inklusive Störmanöver diverser „schwarzen Blocks“ vor. Der Vorsitzende des „Bundes deutscher Kriminalbeamter“ hat das in einem von der dpa verbreiteten Interview bestätigt. Das Sicherheitskonzept sei schlichtweg nicht aufgegangen. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz hätte Kanzlerin Angela Merkel deutlich sagen müssen, dass das Risiko aufgrund der Rahmenbedingungen in Hamburg zu groß sei. Auch mehr Polizei hätte nichts genutzt.
Als einer, der das Geschehen nur über die Berichterstattung in den Medien verfolgt hat, wundere ich mich nach wie vor darüber, warum man die Plakatierung „Wellcome to Hell“ offensichtlich völlig negiert hat. Schließlich handelte es sich um die Ankündigung von Randale.
Zudem erinnern mich die Vorgänge im Hamburger Schanzenviertel an die Straßenschlacht vom 18. März 2015 vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Damals waren die Flammensäulen brennender Autos weithin sichtbar und die tief fliegenden Polizeihubschrauber unüberhörbar. Die über 200 Personen starke Gruppe, die dieses Chaos im Wortsinn zelebrierte, setzte sich ausweislich von Augenzeugenberichten, Tonaufnahmen und Fotos mehrheitlich aus italienischen Schlägertrupps zusammen. Auf einigen schwarzen Hemden war deutlich ein Fascis zu erkennen, also jenes Rutenbündel mit Axt, das sich der Mussolini-Faschismus zu eigen machte.
An diesem Vormittag befanden sich etwa vierzig Blockupy-Sympathisanten, zumeist Studierende der Johann Wolfgang Goethe-Universität, zufällig im Bereich der Flößerbrücke unweit des EZB-Gebäudes und wurden Augenzeugen der Krawalle. Ihre Bemühungen, schlichtend einzugreifen, blieben erfolglos.
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Thorsten Schäfer-Gümbel, machte für die Ausschreitungen den Abgeordneten der Linken, Ulrich Wilken, mitverantwortlich, der die demokratische Demonstration von Gewerkschaften, Linken, SPD und Friedensgruppen auf dem Römerberg, die am Nachmittag stattfand, mit organisiert hatte. Diese Schuldzuweisungen stimmen im Trend mit jenen überein, die jetzt im Zusammenhang mit Hamburg erhoben werden. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der unlängst vor dem NSU-Untersuchungsausschuss durch Erinnerungslücken glänzte, konnte zwar in einem Fernsehinterview den Namen der Co-Vorsitzenden der Linken, Katja Kipping, nicht korrekt aussprechen, aber mit direkten und indirekten Vorwürfen gegen diese Partei war er schnell bei Hand.
Die „Rote Flora“ ist übrigens auch in linken Kreisen hoch umstritten. Durch die kulturellen Aktivitäten dieses nach eigenen Angaben „linksautonomen Zentrums“ hat sich im Schanzenviertel eine Szene etabliert, die Gutverdienende anlockt und Ärmere vertreibt.
Die Instrumentalisierung der Hamburger Krawalle durch eine Einheitsfront aus CDU/CSU und Teilen der SPD hat gerade erst begonnen. Ihr offensichtliches Ziel ist die Diskreditierung linker Bewegungen, denen es um Gerechtigkeit und Solidarität geht. Und diese Absicht liegt vollständig auf der Linie der meisten Staaten, die am G20-Gipfel teilnahmen.
Im legendären KURSBUCH 9 von 1967 lese ich einen Text von Herbert Marcuse:
„Eine herrschende Klasse, die fähig ist, eine Nation zu ruinieren, ohne dass ihr das auch nur übelgenommen worden wäre, und die diese Nation so gut wie unangefochten weiterregieren kann, verdient es, dass man sie ernst nimmt. [...] Sie verdankt ihren Erfolg [...] ihrer Entschlossenheit, [...] ihrer Kooperation mit dem internationalen Kapital [...] und ihrer Skrupellosigkeit. Ihre Gegner verdanken ihre Niederlage ihrem Mangel an Kühnheit, ihrer Zersplitterung, [...] ihrer hilflosen Taktik, [...] ihrer Resignation.“ Die Linken sollten das nach 50 Jahren endlich beherzigen und handeln.
Kurz nach der Straßenschlacht vor der neuen EZB-Zentrale am 18. März 2015 entstand die Idee, die Vorgänge auf die Theaterbühne, namentlich auf die der BOX im Frankfurter Schauspiel, zu bringen. Da die Spielzeit 2014/2015 im Juni zu Ende gehen und die nächste erst im September beginnen würde, ließ sich der Plan während der Theaterferien nicht realisieren. Zu den zahlreich eingereichten Materialien zählt auch die abgebildete Postkarte. Deren Text lautet:
„Ostend, Ostend,
ein Lichtlein brennt.
Erst eins,
dann zwei,
dann drei,
dann vier,
zum Schluss
tritt Mario vor die Tür,
der lauthals lacht:
Es ist vollbracht!“
Foto: Postkarte © M&M2015
Linke, Autonome oder lediglich Büttel des internationalen Kapitalismus?
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