Frankfurts Oberbürgermeister unterliegt vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann habe die AfD mit einem FACEBOOK-Eintrag "sowohl in ihrem Recht auf Chancengleichheit als auch in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt".
Das entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof am 11. Juli in einer einstweiligen Anordnung. Er habe die Autorität seines Amtes dazu genutzt, um die AfD zu diskreditieren und Stimmung gegen sie zu machen.
Innerhalb seines offiziellen Accounts hatte Peter Feldmann am 16. März dieses Jahres den Wirtschaftsclub Rhein-Main heftig dafür kritisiert, die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry eingeladen zu haben. So schrieb er u.a.: "Die ganze Aktion gibt völlig unnötig den Rechtspopulisten eine Plattform und wirft einen Schatten auf die anständigen Frankfurter Unternehmer und unsere liberale Stadt." Die Mitglieder des Wirtschaftsclubs rief er dazu auf, sich "schleunigst [zu] überlegen, wie sie damit umgehen" wollten. Und er forderte von ihnen "ein klares Zeichen zu setzen!".
Auch innerhalb des Wirtschaftsclubs war die Einladung von Frauke Petry umstritten, ein Mitglied des Beirats trat zurück. Schließlich wurde die Veranstaltung wegen „Sicherheitsbedenken“ abgesagt. Die AfD war im April zunächst mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Frankfurt gescheitert. Da die Veranstaltung bereits abgesagt war, bestünde keine Eile mehr. Danach war die Sache zur grundsätzlichen juristischen Klärung dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel vorgelegt worden. Dort hatte die AfD argumentiert, dass "kein Grund ersichtlich" sei, "warum der Staat eine politische Partei öffentlich diskreditieren und diese Handlung mitunter jahrelang fortsetzen dürfe". Die Stadt Frankfurt hatte dem entgegengehalten, dass es Aufgabe des Bürgermeisters sei, "die Einheit des Gemeinwesens seiner Stadt sichtbar" zu machen "und mit der Autorität seines Amtes" zu fördern. Die "erhebliche Diskussion in der Stadtgesellschaft" habe eine Positionierung des Bürgermeisters verlangt.
Der Eintrag wurde unmittelbar nach der Entscheidung gelöscht. Als - wie er sagte - Privatmann äußerte sich Feldmann anschließend: "Wenn Sie mich als Mensch Peter Feldmann fragen, bleibe ich bei meiner Meinung."
Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung stellt sich die Frage nach dem Bild, das der Hessische Verwaltungsgerichtshof von der AfD gewonnen hat und das er seiner Entscheidung zugrunde legte. Er scheint keine Gründe gefunden zu haben, die Anlass zur Besorgnis gäben. Viele Frankfurter Bürger haben hingegen einen Eindruck gewonnen, der die Vorbehalte und Warnungen Peter Feldmanns bestätigt.
So wird der Vorsitzende eines Fördervereins der Frankfurter Stadtbücherei seit August 2016 mit Droh- und Hassbriefen traktiert, die sich auf eine Veranstaltung mit den nazi-kritischen Brüdern Ralf und Reiner Bender in Limburg beziehen. Der anonyme Verfasser schrieb beispielsweise: „Die AfD wird euch hinwegfegen wie einst.“ Aus dem Kontext der Pamphlete lässt sich erkennen, was gemeint ist. Nämlich eine Art „Schutzhaft“ für politische Gegner, wie sie vom NS-Regime praktiziert wurde.
Sowohl der Vorstand des Fördervereins PRO LESEN e.V. als auch die Leitung des städtischen Bibliothekszentrums Frankfurt-Sachsenhausen nahmen diese und andere Drohungen sehr ernst und verstärkten daraufhin die Sicherheitsvorkehrungen bei Veranstaltungen.
Die Staatsschutzabteilung im Frankfurter Polizeipräsidium konnte den Schreiber ermitteln. Es handelt sich um den in Frankfurt a. M. lebenden frühpensionierten Lehrer Horst Jürgen Schäfer, der bereits 2016 vom Amtsgericht Wetzlar und vom Landgericht Limburg a. d. Lahn wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu Geldstrafen verurteilt worden war. Am 5. Juli 2017 verurteilte ihn das Amtsgericht Limburg zu einer weiteren Geldstrafe wegen Beleidigung politisch Andersdenkender und bezeichnete ihn in der Urteilsbegründung als Schreibtischtäter.
Schäfer ist zumindest Sympathisant der AfD; denn mehrfach benutzte er eine schriftliche Stellungnahme der AfD Limburg-Weilburg, die sich auf eine Demonstration gegen Rechtsradikalismus am 12.07.2017 bezog, als Vorlage für seine Schmähungen.
Die Kasseler Verwaltungsrichter hätten, falls ihnen die AfD-Szene in Frankfurt oder im Landkreis Limburg-Weilburg als nicht hinreichend aussagekräftig erschienen sein sollte, einen Blick auf die überregionalen Aktivitäten dieser Partei werfen können. Denn diese sind ähnlich eindeutig.
Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte wies dem AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringischen Landtag, Björn Höcke, nach, er „verbreite völkisches Gedankengut, wie es das in Deutschland schon mal in den 1920er- und 1930er-Jahren gegeben habe“. Korte bezeichnete den Duktus in den Reden Höckes als „dumpf“ und „auch rechtsextrem völkisch“.
Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber hielt der AfD vor, sie distanziere sich zwar offiziell von Antisemitismus, schaue man aber genauer hin, fänden sich jedoch immer wieder antisemitische Äußerungen. Ein anderer Politologe, Gideon Botsch, sieht antisemitische Tendenzen in der Partei bei vorgeprägten Sprachbildern wie denen vom „verratenen Volk“, von der „Lügenpresse“, die eine „Meinungsdiktatur“ errichte, oder vom „christlichen Abendland, das bedroht sei“. All das gehöre zum klassischen Antisemitismus.
Das sind nur wenige von sehr zahlreichen Beispielen, die über die Archive der Presse und des Rundfunks recherchierbar sind. Wer einer solchen Partei „ein Recht auf Chancengleichheit“ einräumt oder die Kritik sowohl an ihren Führungspersonen als auch an ihren Mitläufern als „Verletzung der Persönlichkeitsrechte“ einstuft, hat das Wesen der Demokratie nicht verstanden.
Foto: © KPM