mufti 4Wie der Mufti von Jerusalem seiner Verhaftung entging, Teil 3/4

Matthias Küntzel

Hamburg (Weltexpresso) - Nach dem OK aus London schritt man bereits am Folgetag, am Samstag, den 17. Juli, zur Tat. An diesem Tag sollte das Arabische Hochkomitee in seinem Jerusalemer Hauptquartier um 17.00 Uhr zusammenkommen. Der Mufti sollte auf seinem üblichen Weg dorthin abgefangen und verhaftet werden.

Doch el-Husseini wurde offenkundig gewarnt. Er betrat das Hauptquartier an jenem Nachmittag durch einen Hintereingang des Gebäudes, von dem die britische Polizei in Palästina nichts gewusst haben will, wie es in den nachträglichen Rechtfertigungsschriften der Polizeiführung heißt. Während die beiden Haupteingänge des Gebäudes unter ständiger polizeilicher Beobachtung standen, blieb der Hinterausgang, durch den der Mufti entwischen konnte, unkontrolliert.[7] El-Husseini floh direkt in den Moscheebezirk des Tempelbergs und hielt sich dort die kommenden Monate über versteckt.

Interessanterweise wird in all den peniblen polizeilichen Untersuchungen, die dieser peinlichen Episode folgten, die Frage, wer den Mufti im Vorab hätte warnen können, nicht einmal gestellt. Mehrere Kandidaten kommen hier in Betracht. So kam der Mufti am Vortrag seiner geplanten Verhaftung mit dem deutschen Generalkonsul in Jerusalem, Walter Döhle, einem eingefleischten Nazi mit besten Kontakten zu Angehörigen der britischen Mandatsverwaltung, zusammen.[8] Zweitens soll auch Sir Wauchope, der Hochkommissar höchstpersönlich, „stets seine schützende Hand über den Mufti gehalten“ haben, wie es in einem Bericht des deutschen Generalkonsulats heißt.[9] Schließlich kommt auch ein gewisser Sergeant Campbell in Frage, der an dem Verhaftungsversuch direkt beteiligt war. „Sergeant Campbell knew the Mufti well“, heißt es in einem der Untersuchungsberichte.[10]

London weicht zurück

Am 21. Juli, vier Tage nach diesem Verhaftungsversuch, änderte London seinen Kurs: Eine Festnahme inmitten des heiligen Tempelbezirks sei zu unterlassen, darüber hinaus seien die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für den Mufti aufzuheben.[11]

„Der [Verhaftungs-] Versuch scheiterte, wir stehen jetzt vor einer neuen Situation“, bekräftigte Ormsby-Gore in seinem Schreiben vom 30. Juli an Wauchope. Inzwischen sei es so, „dass sich alle arabischen Akteure in Palästina der Teilung widersetzten und dass bislang kein ,moderater‘ Meinungsträger aufgetaucht sei“.[12]

Während also zuvor noch die Meinungsunterdrückung in Palästina das zentrale Argument für die Entfernung des Mufti war, leitete man nunmehr aus der erzwungenen Zustimmung zum Mufti-Kurs das Gegenteil ab: „Die Anordnungen zur Verhaftung sind zu widerrufen und dem Mufti ist volle Freiheit zu gewähren, wobei dessen Aktionen genau zu observieren sind.“[13]
Fortsetzung folgt


Anmerkungen:

[7] BNA, CO733/352/3, High Commissioner For Palestine to His Majesty’s Principal Secretary of State for the Colonies, 16th August, 1937 mit anliegenden Polizeiberichten und einer Skizze.

[8] Taggar, a.a.0., S. 451.

[9] BNA, GFM 33/611, Serial 1525, Deutsches Generalkonsulat Jerusalem, Scharfe Massnahmen der Mandatsregierung gegen die arabische Nationalbewegung, Jerusalem, den 6. Oktober 1937.

[10] BNA, CO733/352/3, Sgd M. Fitzgerald, Mufti of Jerusalem, most secret, 28th July, 1937.

[11] BNA, Co733/352/3 Cypher Telegram from the Secretary of State for the Colonies to the High Commissioner for Palestine, 21st July, 1937.

[12] BNA, CO733/352/3 Cypher Telegram from the Secretary of State for the Colonies to the High Commissioner for Palestine, 30st July, 1937.

[13] Ebd.

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Info: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Veröffentlicht auch in Mena-Watch Wien, 05.07.2017.0