Neues aus ISRAEL
Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - In der U-Boot-Affäre stehen führende Politiker und Militärs des Landes im Fokus der laufenden Untersuchungen.
Während Israels Regierungschef Binyamin Ne-tanyahu seine wegen der dort fühlbaren antisemitischen Regungen nicht unproblematische Visite in Ungarn abwickelte (zeitlich gekürzt, inhaltlich aber erfolgreich), zeichnen sich zu Hause in der sich ausweitenden U-Boot-Affäre Entwicklungen ab, die führenden Politikern und Militärs des Landes Kopfschmerzen und vielleicht sogar Angst um ihre Karriere bereiten dürften.
Zwei Entwicklungen stechen dieser Tage insbesondere hervor: die mögliche Ausdehnung der Untersuchungen auf teils noch aktive israelische Marineoffiziere und die offensichtliche Verschiebung der Unterzeichnung einer Absichtserklärung durch die deutsche Seite.
Neue Informationen
Am Mittwoch verlautete, dass die israelische Polizei eine Ausweitung ihrer Untersuchungen in der Affäre vorbereitet und sich mit der Absicht trägt, heute noch in der Marine aktiv dienende Offiziere, oder solche, die erst vor kurzem den Dienst quittiert haben, zum Verhör aufzubieten. Offenbar kamen die zuständigen Beamten aufgrund von neuen Informationen, die ihnen vom inzwischen verhafteten Michael Ganor, dem Israel-Repräsentanten von Thyssenkrupp, zugespielt worden sein sollen (vgl. Kasten), zu diesem Entschluss.
Dass die Polizei diese Woche auch Amos Gilad verhörte, den ehemaligen Chef der Sicherheitsabteilung im Verteidigungsministerium, der vor kurzem nach über 13 Dienstjahren ausgeschieden ist, ist ein weiterer- deutlicher Hinweis darauf, dass man im Untersuchungs-Hauptquartier Lahav 433 in Lod einen Zahn zugelegt hat. Laut «Haaretz»- hat Gilad eine wichtige Rolle bei allen Kaufverträgen und bei der Meinungsbildung hinsichtlich der Auswirkungen der Deals auf die Region gespielt. Dem Vernehmen nach konzentrierte sich Gilads Zeugenaussage auf die Bewilligung des Verkaufs von modernen U-Booten von Thyssenkrupp an Ägypten. Bis unlängst hatte Israel sich vehement gegen dieses Ansinnen gestemmt, wobei vor allem Gilad und der damalige Verteidigungsminister Moshe Yaalon zu den Hauptopponen-ten gehörten. Als Gilad während eines Deutschlandbesuchs von der Absegnung des Ägypten-Deals (wahrscheinlich durch die zuständigen israelischen Politiker) hörte, soll er laut «Haaretz» «aus dem Staunen nicht herausgekommen sein».
Ahnungsloser Präsident
Inzwischen verlautete diese Woche in Jerusalem, dass kein geringerer als Staatspräsident Reuven Rivlin anlässlich eines Deutschlandbesuchs im Mai 2015 Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den geplanten U-Boot-Verkauf an Ägypten ansprach und sie von der Verwirklichung des Geschäfts abhalten wollte. Die Verlegenheit beider Politiker war denkbar gross, als Merkel ihrem Gast daraufhin Dokumente vorlegte, aus denen klar hervorging, dass die zuständigen israelischen Stellen dem Ägyptendeal Berlins zugestimmt hatten, offensichtlich gegen einen wesentlichen Preisnachlass für die eigenen U-Boote. Davon hatte Präsident Rivlin offenbar keine Ahnung gehabt.
Um die Lage noch verwirrender zu gestalten, ist die Unterzeichnung einer Absichtserklärung über den Verkauf von drei deutschen Unterseebooten und einigen Patrouillenbooten an Israel verschoben worden. Das teilte der nationale Sicherheitsrat Israels mit. Die offizielle Verlautbarung erfolgte auf einen Bericht in der Tageszeitung «Yediot Achronot», wonach Deutschland die Unterzeichnung der Absichtserklärung vor dem Hintergrund der in Israel laufenden Untersuchung über mögliche Korruption im Zusammenhang mit dem Fall hinausgezögert habe. Laut dem Blatt war die Unterzeichnung für nächste Woche in Deutschland vorgesehen, doch der Anlass sei auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Aus Kreisen der Reederei Thyssenkrupp, dem Vertragspartner der israelischen Seite, verlautete demgegenüber, interne Untersuchungen hätten nach ersten, provisorischen Untersuchungen keinerlei Hinweise auf Korruption rund um den Zwei-Milliarden-Dollar-Vertrag- erbracht. Allerdings wollte der Konzern zu-nächst keine Stellung zu Medienberichten über eine Verzögerung der Vertragsunterzeichnung beziehen. Im Rahmen des U-Boot-Deals sollen drei ältere U-Boote Israels durch neuere Exemplare ersetzt werden. Die Verschiebung der Vertragsunterzeichnung ist durch eine Klausel im Memorandum möglich geworden, wonach im Falle der Entdeckung von Korruption im Deal dieser annulliert würde. Thyssenkrupp beschränkte sich auf den Hinweis, dass es sich hier um Vereinbarungen zwischen den Regierungen der beiden Staaten handle.
Forsches Vorgehen
Aufgrund zahlreicher Diskussionen soll der Deal, wie «Haaretz» schreibt, erst im Laufe von zehn Jahren in die Tat umgesetzt werden, was den damaligen Verteidigungsminister Moshe Yaalon seinerzeit zur Frage veranlasste, warum der Deal derart vorangetrieben worden sei, wenn doch bis zu seiner effektiven Verwirklichung noch viel Zeit verstreichen würde. Premierminister Netanyahu und sein Team begründeten das forsche Vorgehen- damit, dass der Deal noch während der Lebenszeit der jetzigen Berliner Regierungskoalition unter Dach und Fach zu bringen sei. Da Deutschland im September nationale Wahlen durchführe, seien, verlautete aus Netanyahus Umgebung, die Einzelheiten des Deal vorher- zu fixieren. Angesichts der Möglichkeit, dass der vorläufig inhaftierte Michael Ganor, bisheriger Repräsentant von Thyssenkrupp in Israel, zum Kronzeugen der Anklage werden- könnte, kann man sich lebhaft vorstellen, dass Premier Netanyahu der weiteren Entwicklung in der Angelegenheit skeptisch entgegensieht. Es kann allerdings nicht oft genug unterstrichen werden, dass der Premierminister im der Angelegenheit bisher weder beschuldigt noch verhört worden ist.
Foto: Binyamin Netanyahu nach einer Besichtigung eines neuen U-Boots, kurz nachdem es im Januar 2016 im Hafen von Haifa eingetroffen war © tachles
Info: Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 21. Juli 2017