kpm Historisches Palmengarten Gesellschaftshaus in FrankfurtDas Elend der Frankfurter Wohnungspolitik

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Frankfurter Planungsdezernent Mike Josef (SPD) könnte in beispielhafter Weise Sozialgeschichte schreiben. Wenn er es denn wollte.

Einen ersten Schritt auf diesem Weg ist er bereits gegangen, als er eine Absichtserklärung zwischen dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt über den Verkauf öffentlichen Bodens in der Nähe des Palmengartens aufkündigte. Diese Grundstücke gehören dem Land und der Stadt. Und sie beflügeln wegen ihrer Lage derzeit die Phantasie aller Spekulanten.

Im Juli 2016, drei Monate nach der Kommunalwahl, hatten der noch amtierende, aber bereits abgewählte grüne Bürgermeister und Planungsdezernent Olaf Cunitz und die der CDU angehörende Finanzstaatssekretärin Bernadette Weyland, die sich 2018 als Oberbürgermeister-Kandidatin zur Wahl stellt, einen Deal nach Gutsherrenart verabredet.

Die exklusiven Flächen am Ende der Siesmayerstraße sollten demnach zu 70 Prozent mit Eigentumswohnungen bebaut werden. Der verbleibende Rest würde für öffentlich geförderte Mietwohnungen und Appartements für Studierende frei gehalten werden. Mike Josef möchte jetzt darauf verzichten und lediglich eine Grundschule, eine Turnhalle und eine Kindertagesstätte errichten. Diese waren ursprünglich auch beabsichtigt und sie sind in Frankfurt auch bitter notwendig.

Doch warum will er im selben Zug den Bau öffentlich geförderten Wohnraums ausbremsen? Entspricht es nicht dem Auftrag seiner Wähler, endlich dem Trend zu Luxuswohnungen ein Ende zu machen? Verstößt das Wohnen von Durchschnittsbürgern in der Nachbarschaft einer Anlage wie dem Palmengarten mittlerweile gegen sozialdemokratische Grundsätze? Will man gar die Kreise der Bessergestellten nicht stören?

Ich verkenne nicht, dass Mike Josef von seinem Vorgänger, der als Lakai der Immobilienmafia berüchtigt war, ein schweres Erbe übernommen hat. Aber eine bürgernahe Politik darf nicht den Angepassten und den Mutlosen überlassen werden.

Es kann nicht angehen, dass man Menschen mit normalem Einkommen bei der Wohnungssuche auf die grüne Wiese schickt, während in der Stadt palastähnliche Refugien entstehen, für die man Eigentümer in China, Japan, in den Emiraten oder in Russland suchen muss, weil die Preise hier kaum noch einer bezahlen kann.

Spekulanten, die zu Lasten des Volkes in China Millionen anhäuften, dort aber kein Wohneigentum erlangen dürfen, weil die Grundstücke nur für einen Zeitraum von 70 Jahren gepachtet werden können, bestimmen zunehmend die Struktur Frankfurts. Ein Europa-Viertel, in dem kaum noch ein Europäer und schon gar kein Frankfurter mehr wohnt oder ein Neuer Henninger Turm in Sachsenhausen, in dem Arabisch und Russisch die Verkehrssprachen zu sein scheinen, sind nicht nur Beispiele für die brutalste Form der Gentrifizierung. Sie zeigen auch, dass ein verantwortungsvoller Lokalpolitiker über mehr verfügen muss als lediglich über ein Parteibuch mit eingelegter Karriereaussicht. Eine Politik, die nichts ändern will und die vor den vermeintlichen Sachzwängen kapituliert, hat ihre Legitimation verloren. Der Fußballtrainer Giovanni Trapattoni sprach einst von ausgelutschten Flaschen, als er einige seiner Spieler kritisierte. Heute träfe eine solche Charakterisierung auch auf manche unwilligen Politiker zu.

Vor etwa 40 Jahren forderten die Jungsozialisten in der SPD ein Berufsverbot für Grundstücksmakler und einschneidende Beschränkungen beim Immobilienverkauf. Denn, so die Begründung, das Lebensnotwendige dürfte nicht der Spekulation unterworfen sein, andernfalls wäre bald das Leben selbst ein Artikel des allzu freien Marktes. Helmut Schmidt und die rechtslastige SPD-Parteikamarilla, die er hervorgebracht hat, distanzierten sich eilfertig von solchen Vorstellungen. In Großstädten wie Frankfurt, München, Köln, Hamburg oder Berlin könnte man diese Fehleinschätzungen heute korrigieren und die Sozialdemokratie hätte eine Gelegenheit, sich mit der Mehrheit des Volkes zu versöhnen. Man müsste es nur wollen.

Foto:
Historisches Palmengarten-Gesellschaftshaus in Frankfurt a.M. , abfotografiert in einer Ausstellung im Bibliothekszentrum Sachsenhausen, Frankfurt 2009 © Peter Heinrich