Conrad Taler
Bremen (Weltexpresso) - Dass der Neonazismus immer noch und schlimmer denn je sein Unwesen treibt, wird man schwerlich den Antifaschisten anlasten können. Dafür haben andere geradezustehen, auch jene, die dem Antifaschismus einen Platz in der Gesellschaft verwehren möchten und dabei fragwürdige intellektuelle Allianzen nicht scheuen.
Angefangen vom ehemaligen SS-Untersturmführer Erich Kernmayer über Franz Josef Strauß bis hin zur Politikwissenschaftlerin und ehemaligen Adorno- Schülerin Antonia Grunenberg spannt sich der Bogen derer, die im Antifaschismus nicht den Reflex auf die Bedrohung der Welt durch den Faschismus sehen, sondern das Phantasieprodukt antideutscher kommunistischer Weltverschwörer.
Für Erich Kernmayer, unter dem Schriftstellernamen Erich Kern Verfasser rechtsradikaler Bücher und zeitweiliger Bundespressereferent der Waffen-SS-Hilfsorganisation HIAG, hatten Hitlergegner seit ihrer Emigrationszeit „ein innerlich gestörtes Verhältnis zum deutschen Volk, das ja in seiner erdrückenden Masse weder emigriert ist noch sich in einem Widerstand befand“ (Erich Kern, „SPD ohne Maske“, National-Verlag, Hannover 1971, S. 42). Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Strauß erklärte: „Diese Volksfront- und Antifa-Mythologie birgt die Gefahr der Selbstzerstörung eines normalen Geschichtsbildes.“ (Frankfurter Rundschau, 14. Januar 1987).
Bei Antonia Grunenberg heißt es: „Der Antifaschist war innerlich zerrissen ... Der Antifaschist war im Grunde ein unpolitischer Mensch ... er war heimatlos, nicht nur weil man ihm die Heimat genommen hatte, sondern weil er die demokratische Republik zugrunde gerichtet hatte, das sozialistische Reich der Zukunft nicht hatte aufbauen können und schließlich Opfer und Täter im Stalinismus wurde.“ („Antifaschismus - ein deutscher Mythos“, Rowohlt Taschenbuchverlag 1993).
Für Antonia Grunenberg sind Antifaschismus und Kommunismus beliebig austauschbar. Sie argumentiert damit im Grunde wie einst die SED, die sich für die Inkarnation des Antifaschismus hielt. Kühn behauptet die Politikwissenschaftlerin in Anspielung auf die Prozesse gegen Stalins Widersacher Bucharin, Sinowjew, Radek und Kamenew, ihre Ermordung sei „auch im Namen der anti-faschistischen Moral“ erfolgt. (S. 68) Stalins antijüdische Affekte sind ihrer Ansicht nach Ausdruck eines „antifaschistischen Antisemitismus“ (S. 190). Wer wie Antonia Grunenberg meint, sein Publikum mit der banalen Botschaft beeindrucken zu können, für die Kommunisten sei „die Niederlage des nationalsozialistischen Terrorsystems ein Sieg“ gewesen, der übersieht, dass „alle Hoffnung der Menschheit auf der Niederlage Hitlers beruhen musste“, wie Thomas Mann sich 1941 ausdrückte. Für ihn war das Wort antifaschistisch noch fünf Jahre nach Kriegsende eine geläufige Metapher zur Kennzeichnung einer konsequent demokratischen Einstellung. Als der Kalte Krieg weltweit Unheil zu stiften begann, warnte er sein Gastland USA vor der Versuchung, „den Faschismus als Waffenbruder zu akzeptieren. Alles wäre besser, wenn Amerika ernsthaft antifaschistisch wäre.“ (Aus: „Frage und Antwort“, Albrecht Knaus Verlag, Hamburg 1983, S. 317). Erika und Klaus Mann verstanden unter Antifaschismus die Zusammenarbeit „aller edleren Elemente des deutschen Geistes, ... die sich einig sind in ihrer unbedingten, leidenschaftlichen Ablehnung des Naziungeistes“.
Lange bevor in Deutschland Ausländer wieder um ihr Leben fürchten mussten, hatte sich 1981 in Paris ein internationaler Schriftsteller-Kongress mit der Renaissance von Ideologien und totalitären Haltungen beschäftigt, die sich der Geschichtsfälschung bedienten und Rassismus gegenüber ausländischen Arbeitern, Antisemitismus und Fremdenhass namentlich gegenüber politischen Flüchtlingen begünstigten.
In einer Resolution erklärten die Teilnehmer: „Der Faschismus beginnt immer mit der Intoleranz und der Missachtung des anderen.“ Lenkt die Beschäftigung mit der Vergangenheit wirklich ab von den Problemen der Gegenwart, wie manche behaupten? Ist die Beschäftigung mit dem Faschismus nur die Sache von Leuten, die ein Feindbild brauchten, um „das Abgründige in sich selbst nicht ausloten zu müssen“, wie der Psychologe Arno Plack in seinem Buch „Die Gesellschaft und das Böse“ schreibt? Die Mordanschläge auf Ausländer sind der grauenvolle Beweis, dass es der Fixierung auf ein eingebildetes Feindbild nicht bedarf, um eine Gänsehaut zu bekommen. Der Antifaschismus hat sich nicht überlebt. Nach allem, was sich seit der Wiedervereinigung in Deutschland zugetragen hat, kann nicht mehr zweifelhaft sein, was mehr zu schelten ist - die Unwilligkeit, sich mit dem Rechtsextremismus auseinanderzusetzen, oder das - wie „Die Zeit“ 1984 formuliert hat - Bestreben vieler Antifaschisten, die Gefahr von rechts zu dämonisieren.
Foto: Ralph Giordano © deutschlandfunk.de
Info:
Aus Conrad Taler: Gegen den Wind, PapyRossa Verlag, Köln 2017, 20-.Euro.
Bei Antonia Grunenberg heißt es: „Der Antifaschist war innerlich zerrissen ... Der Antifaschist war im Grunde ein unpolitischer Mensch ... er war heimatlos, nicht nur weil man ihm die Heimat genommen hatte, sondern weil er die demokratische Republik zugrunde gerichtet hatte, das sozialistische Reich der Zukunft nicht hatte aufbauen können und schließlich Opfer und Täter im Stalinismus wurde.“ („Antifaschismus - ein deutscher Mythos“, Rowohlt Taschenbuchverlag 1993).
Für Antonia Grunenberg sind Antifaschismus und Kommunismus beliebig austauschbar. Sie argumentiert damit im Grunde wie einst die SED, die sich für die Inkarnation des Antifaschismus hielt. Kühn behauptet die Politikwissenschaftlerin in Anspielung auf die Prozesse gegen Stalins Widersacher Bucharin, Sinowjew, Radek und Kamenew, ihre Ermordung sei „auch im Namen der anti-faschistischen Moral“ erfolgt. (S. 68) Stalins antijüdische Affekte sind ihrer Ansicht nach Ausdruck eines „antifaschistischen Antisemitismus“ (S. 190). Wer wie Antonia Grunenberg meint, sein Publikum mit der banalen Botschaft beeindrucken zu können, für die Kommunisten sei „die Niederlage des nationalsozialistischen Terrorsystems ein Sieg“ gewesen, der übersieht, dass „alle Hoffnung der Menschheit auf der Niederlage Hitlers beruhen musste“, wie Thomas Mann sich 1941 ausdrückte. Für ihn war das Wort antifaschistisch noch fünf Jahre nach Kriegsende eine geläufige Metapher zur Kennzeichnung einer konsequent demokratischen Einstellung. Als der Kalte Krieg weltweit Unheil zu stiften begann, warnte er sein Gastland USA vor der Versuchung, „den Faschismus als Waffenbruder zu akzeptieren. Alles wäre besser, wenn Amerika ernsthaft antifaschistisch wäre.“ (Aus: „Frage und Antwort“, Albrecht Knaus Verlag, Hamburg 1983, S. 317). Erika und Klaus Mann verstanden unter Antifaschismus die Zusammenarbeit „aller edleren Elemente des deutschen Geistes, ... die sich einig sind in ihrer unbedingten, leidenschaftlichen Ablehnung des Naziungeistes“.
Lange bevor in Deutschland Ausländer wieder um ihr Leben fürchten mussten, hatte sich 1981 in Paris ein internationaler Schriftsteller-Kongress mit der Renaissance von Ideologien und totalitären Haltungen beschäftigt, die sich der Geschichtsfälschung bedienten und Rassismus gegenüber ausländischen Arbeitern, Antisemitismus und Fremdenhass namentlich gegenüber politischen Flüchtlingen begünstigten.
In einer Resolution erklärten die Teilnehmer: „Der Faschismus beginnt immer mit der Intoleranz und der Missachtung des anderen.“ Lenkt die Beschäftigung mit der Vergangenheit wirklich ab von den Problemen der Gegenwart, wie manche behaupten? Ist die Beschäftigung mit dem Faschismus nur die Sache von Leuten, die ein Feindbild brauchten, um „das Abgründige in sich selbst nicht ausloten zu müssen“, wie der Psychologe Arno Plack in seinem Buch „Die Gesellschaft und das Böse“ schreibt? Die Mordanschläge auf Ausländer sind der grauenvolle Beweis, dass es der Fixierung auf ein eingebildetes Feindbild nicht bedarf, um eine Gänsehaut zu bekommen. Der Antifaschismus hat sich nicht überlebt. Nach allem, was sich seit der Wiedervereinigung in Deutschland zugetragen hat, kann nicht mehr zweifelhaft sein, was mehr zu schelten ist - die Unwilligkeit, sich mit dem Rechtsextremismus auseinanderzusetzen, oder das - wie „Die Zeit“ 1984 formuliert hat - Bestreben vieler Antifaschisten, die Gefahr von rechts zu dämonisieren.
Foto: Ralph Giordano © deutschlandfunk.de
Info:
Aus Conrad Taler: Gegen den Wind, PapyRossa Verlag, Köln 2017, 20-.Euro.