Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Wie die begossenen Pudel saßen sie da in der so genannten Elefantenrunde der ARD und des ZDF – nur einer feixte, Jörg Meuthen von der AfD, die es auf Anhieb geschafft hat, drittstärkste Fraktion im Bundestag zu werden. Die Alternative für Deutschland sei eine „bürgerlich-konservative Partei“, sagte er.
Es sei beleidigend, sie als rechtsextrem zu bezeichnen. Saß da ein „Wolf im Schafspelz“ oder ist der Wirtschaftsprofessor nur ein Wohlmeinender, der sich von den Unionsparteien nicht mehr vertreten fühlt?
Angela Merkel, zu Beginn sichtlich angespannt, hielt sich nicht lange bei eigenen Fehlern auf. Sie werde alles daran setzen, die zur AfD abgewanderten Wähler durch „gute Politik“ zurückzugewinnen. Was sie darunter versteht, beschrieb sie mit wenigen Worten. Für wirtschaftlichen Wohlstand sorgen, illegale Einwanderung bekämpfen, die Ängste der Menschen ernst nehmen. Ob ihr gelingen wird, was Horst Seehofer zur selben Zeit in München gefordert hat, nämlich den „Spuk auf der rechten Seite“ schnell zu beseitigen, muss bezweifelt werden. Was sich bei der Bundestagswahl Bahn gebrochen hat, kam nicht von heute auf morgen.
Den Boden, auf dem die AfD gedeihen konnte, haben die demokratischen Parteien bereitet. Sie ignorierten das Unbehagen in großen Teilen der Bevölkerung über die Zuwanderung von Menschen aus einem anderen Kulturkreis. Es war ein Fehler, dieses Unbehagen nur für Fremdenfeindlichkeit zu halten und als Gegenreaktion eine Willkommenskultur zu entwickeln, die von den Menschen auf der Schattenseite des deutschen Wohlstands nicht verstanden wurde. Die bürgerlich-liberalen und die sozialdemokratischen Milieus in den großen Städten haben auf diese Weise der AfD Wähler zugeführt.
Die Aufgeregtheit, mit der Martin Schulz die von seiner Partei mit zu verantwortende Politik der Großen Koalition während des Wahlkampfes angegriffen hat, wirkte vor diesem Hintergrund unglaubwürdig und ebenso wenig überzeugend, wie deren Aufkündigung kurz nach Bekanntwerden des eigenen Scheiterns. Ähnliches gilt für den Spitzenkandidaten der CSU, Herrmann, dessen rechtes Getöse seine Parte nicht vor den schwersten Verlusten ihrer Geschichte bewahrt hat. Er, der selbst im Glashaus sitzt, machte das öffentlich-rechtliche Fernsehen mitverantwortlich für das Erstarken der AfD. Deren Spitzenkandidat Alexander Gauland verkündete siegestrunken: „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“ Das klingt verräterisch und unterscheidet sich nicht von der Tonlage eines Franz Josef Strauß, der, um Willy Brandt zu schaden, den Vertrag gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen als ein „Versailles von kosmischen Ausmaßen“ bezeichnete.
Was als Rechtsruck jetzt auch bei uns augenfällig geworden ist, hat sich über die Jahrzehnte hinweg in vielen europäischen Ländern vollzogen. Überall haben rechtspopulistische oder national-konservative Parteien an Einfluss gewonnen. Es ist an der Zeit, über die Gründe zu sprechen. Für die osteuropäischen Länder sind sie am leichtesten zu erkennen. Sie haben die Fremdbestimmung durch Nazideutschland und die Sowjetunion noch allzu sehr in Erinnerung, als dass sie die Fremdbestimmung durch die EU-Kommission in Brüssel ungeachtet aller Wohltaten nicht als neue Variante der Unterdrückung empfänden, maßgeblich beeinflusst obendrein von einem wieder erstarkten reichen Deutschland. Europa – eine Brutstätte des Rechtspopulismus? Ein atemberaubender Gedanke. Ihm sollte sich Martin Schulz zuwenden, sieht er die SPD doch „in der Mitte der europäischen Demokratie“. Aber auch alle anderen, die dem Übel auf den Grund gehen wollen, sind dazu aufgerufen.
Foto: © Katapult Magazin.de