Itach gewalt9 17srael in Schwierigkeiten

Jacques Ungar


Tel Aviv (Weltexpresso) - Nach dem terroristischen Anschlag in Har Adar, dem drei Israeli zum Opfer fielen, stehen die Zeichen in Israel während der hohen Feiertage auf Sturm.

Die Ermordung eines Grenzschutzsoldaten und zweier weiterer Sicherheitswachen am Dienstagmorgen vor den Toren der Westbanksiedlung Har Adar westlich von Jerusalem könnte von den Palästinensern als Signal für die Reaktivierung der terroristischen Aktivität während der jüdischen Feiertage interpretiert werden. Während die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas zunächst Stillschweigen bewahrte, waren Sprecher der fundamentalistischen Hamas-Bewegung rasch zur Hand mit Lobeshymnen auf den von Israeli erschossenen Terroristen – einen 37-jährigen Vater von vier Kindern und Inhaber einer Arbeitsbewilligung für Israel – und sprachen bereits von einer «neuen Phase der Jerusalem-Intifada».


Ein palästinensisches Dilemma

Erste Reaktionen aus Har Adar waren geprägt von einem Dilemma der israelischen Ortsbevölkerung: Einerseits von der Trauer über den Verlust dreier Israeli, andererseits aber auch von der Sorge über eine Beeinträchtigung der bisher funktionierenden Koexistenz von Har Adar und dem Palästinenserdorf Bidu. Jeden Tag wurden bis jetzt die Grenztore von Palästinensern passiert, die entweder in Har Adar oder an anderen Orten in Israel arbeiten.

Der Anschlag vom Dienstag wirft aber auch grelles Licht auf ein weiteres palästinensisches Dilemma. Etwa zur gleichen Zeit, da die israelischen Medien am Dienstag von einer möglichen Annäherung zwischen der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und der Hamas im Gazastreifen berichteten, platzte die Nachricht von dem schweren Terroranschlag in die laufenden Sendungen. Das Dilemma könnte die für nächste Woche im Rahmen von Versöhnungsbemühungen zum ersten Mal seit drei Jahren wieder nach Gaza anberaumte Kabinettssitzung der Palästinenser negativ belasten.

Dass sich die beiden Seiten ideologisch trotz aller Äusserungen guten Willens noch längst nicht auf der gleichen Ebene befinden, zeigen auch die unterschiedlichen Reaktionen auf den Anschlag von Har Adar. Während die Fatah anfänglich zumindest Stillschweigen bewahrte, überboten die Sprecher der Hamas sich, wie bereits geschildert, in Komplimenten für den bei dem Verbrechen erschossenen Terroristen. Nicht auszuschliessen, dass die aus der Ecke der Hamas sich über die Gebiete wie auch über Israel ausbreitende Welle der Begeisterung für potenzielle Nachahmungstäter als Startsignal für eine intensivere Tätigkeit während der Zeit von Jom Kippur und Sukkot aufgefasst werden kann. Israelische Touristen im Sinai, aber auch in anderen Staaten der arabischen Welt und Europa seien jedenfalls zu verstärkter Vorsicht aufgefordert, wenn möglich auch zur sofortigen Rückkehr in die israelische Heimat.


Ein Einzelfall?

Die Sachdienlichkeit der von Politikern der nationalen Rechten Israels erhobenen Forderung nach einer generellen Annullierung der Arbeitsbewilligungen für Palästinenser wird allerdings vor allem von Armee- und anderen Sicherheitskreisen wie der Einheit zur Terrorbekämpfung angezweifelt oder offen als kontraproduktiv kritisiert. Drastische Massnahmen dieser Art würden, so heisst es, die Frustration auch unter jenen die Mehrheit bildenden Palästinensern wachsen lassen, die nicht dem Kreis der Gewalttäter angehören, und sie womöglich veranlassen, sich diesem Kreis anzuschliessen.

Um dieser Entwicklung vorzubeugen stehen Experten der Terrorbekämpfung auf dem Standpunkt, Israel solle den Palästinensern weiter Arbeitsbewilligungen ausgeben. Gilad Erdan dagegen, Minister für innere Sicherheit, befürwortet eine eingehende Kontrolle des ganzen Konzepts, warnt aber auch vor übereilten Massnahmen. Ob allerdings die von der israelischen Zivil---
verwaltung angestrebte Förderung der Pläne für 2000 weitere neue Wohneinheiten in Westbanksiedlungen das richtige Rezept für eine Beruhigung der Lage ist, darf angezweifelt werden. Premier Binyamin Netanyahu soll die Behandlung der Sache bis nach Beendigung der Gespräche der US-Delegation unter Leitung von Jason Greenblatt in Israel und den Palästinensergebieten aufgeschoben haben.

Einen thematisch weiter gespannten Zusammenhang deutete am Dienstag Yaacov Katz (Likud), Minister für Verkehr und Geheimdienste an. Er sieht einen direkten Kontext zwischen der hetzerischen Rede von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas letzte Woche vor der Uno-Vollversammlung und dem Terroranschlag von Har Adar. Schon die nächsten Tage werden zeigen, ob dieser Anschlag ein Einzelfall gewesen ist oder der Auftakt zu einer neuen Runde der Gewalt.


Keine Entspannung in Sicht

Bereits am Dienstag hat Premier Netanyahu die Zerstörung des Hauses der Familie des Terroristen angekündigt und das Dorf, in dem der Terrorist gelebt hatte, abriegeln lassen und alle Arbeitsbewilligungen der Familienangehörigen für ungültig erklärt. Die mörderische Attacke sei, so führte Netanyahu vor dem Kabinett aus, unter anderem das Resultat einer «systematischen Hetze der palästinensischen Behörde und anderer Elemente». Er erwarte von Abbas eine Verurteilung der Attacke und nicht einen Versuch, sie zu rechtfertigen. Die Fatah beschränkte sich zunächst darauf, Israel die Alleinver--
antwortung für den Zwischenfall zu geben.

Eine denkbar schlechte Atmosphäre für die erneuten Bemühungen der USA, die Friedensgespräche in Gang zu bringen. Mit seinem erneuten Vorstoss zugunsten der Einführung der Todesstrafe für Terroristen – er will ihn nach den parlamentarischen Sommerferien dem Plenum vorlegen lassen – dürfte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman auch kaum etwas zur Entspannung des bilateralen Verhältnisses beitragen.

Foto: © tachles

Info: 
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 28. September 2017