FP 1950 Max Tau.jpg.618092anläßlich der Überreichung an Margaret Atwood, Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche 2017, Teil 3/4

Hans Weißhaar

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wir haben ein wenig in den Internetauftritten des Börsenvereins für den Deutschen Buchhandel gestöbert und festgestellt, daß es dort Aufzeichnungen gibt, die wir uns sonst immer selber zusammenklauben, die aber fundierter von der Stelle kommen, von der sie ausgegangen sind, als der Friedenspreis vom Deutschen Buchhandel erfunden wurde. 

Hören Sie selbst das Original.

"Bewegende Geschichte

Der Friedenspreis ist für die ausgezeichneten Intellektuellen und Künstler seit 1950 eine wichtige Plattform für die Auseinandersetzung zu Frieden und Verständigung. Im Laufe seiner bewegenden Geschichte hat er in der Gesellschaft große Debatten ausgelöst.

FP 1950 Max Tau und Frau klein Heinz Fremke.jpg.1106262Am Anfang des Friedenspreises stand eine Idee. Der Schriftsteller Hans Schwarz überzeugte im Jahr 1949 eine Gruppe von deutschen Verlegern und Buchhändlern von seinen Überlegungen, eine Stiftung für einen Friedenspreis zu gründen, der erstmalig an Max Tau und anschließend weiter an andere Humanisten und Schriftsteller vergeben werden sollte.

Die Gründer erhofften sich, dass der Preis dazu beitragen würde, Deutschland aus seiner kulturellen Isolation herauszuholen und das humanistische Gedankengut wieder in die Gesellschaft einzubringen. Im Statut des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels formulierten sie ihren Anspruch: „Die Stiftung dient dem Frieden, der Menschlichkeit und der Verständigung der Völker. Dies geschieht durch die Verleihung des Friedenspreises an eine Persönlichkeit, die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat. Der Preisträger wird ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Bekenntnisses gewählt.“

Die Formulierung orientiert sich an den Ansichten Immanuel Kants über den Menschen als freies Wesen mit weltweit gültigen Menschenrechten und den in seinem Werk „Zum ewigen Frieden“ aufgezeigten Thesen für ein friedliches Zusammenleben der Staaten.

FP Haus Buhbe.jpg.1106259Im Mai 1950 wurde Max Tau in einem Privathaus in Alsterdorf bei Hamburg mit dem „Friedenspreis Deutscher Verleger“ geehrt. Diese erste Preisverleihung, bei der der Rundfunkintendant Adolf Grimme die Laudatio hielt, traf nicht nur im Inland, sondern auch in Skandinavien und anderen Ländern auf unerwartet großes Interesse. Auf Vermittlung des späteren Börsenvereins-Vorstehers, Friedrich Wittig, wurde aus der privaten Stiftung von Hans Schwarz und den fünfzehn Verlegern und Buchhändlern eine Sache des gesamten Buchhandels: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nahm den Preis in seine Obhut.

Im September 1951 erhielt Albert Schweitzer den Preis – erstmals in der Frankfurter Paulskirche und mit dem neuen Namen „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“. Dank der in aller Welt bekannten und geschätzten Persönlichkeiten des Preisträgers und seines Laudators, Bundespräsident Theodor Heuss konnte sich der Friedenspreis schon in seinem zweiten Jahr zum wichtigsten deutschen Friedens- und Kulturpreis entwickeln, dessen Verleihung seitdem im Fernsehen und im Radio übertragen wird. Der Friedenspreis galt fortan für das isolierte, durch seine eigene Geschichte gedemütigte Deutschland als ein Zeichen der Hoffnung und Unterstützung für ein in kritischer Reflexion wieder entstehendes Selbstbewusstsein.


Große Debatten

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels lebt von der Botschaft der Preisträger-Persönlichkeiten. Ihre Namen stehen für die wichtigsten Strömungen der Kultur- und Geistesgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Mit ihren Reden, die sie bei den Friedenspreisverleihungen halten, sorgen die Preisträger für eine intellektuelle und künstlerische Auseinandersetzung über die aktuelle politische Lage, friedenspolitisches Engagement und historischer Verantwortung. Nicht zum ersten Mal hat im Jahr 1998 die Verleihung des Friedenspreises mit der Rede von Martin Walser über den Umgang mit der deutschen Geschichte zu einer großen Debatte in der Gesellschaft geführt. Auch die kontrovers geführten Auseinandersetzungen um Karl Jaspers (1958), Ernst Bloch (1967), Léopold Sédar Senghor (1968), Ernesto Cardenal (1980) und Annemarie Schimmel (1995) sowie die leidenschaftliche Diskussion um die Laudatio von Günter Grass auf Yasar Kemal (1997) haben dafür gesorgt, dass der Friedenspreis bis heute als bedeutende, wenn nicht gar wichtigste Plattform für die Diskussion über den Frieden und über die Verständigung zwischen den Menschen und Völkern angesehen wird.

So hat Jürgen Habermas im Oktober 2001, drei Wochen nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, versucht, ein erstes Erklärungsmodell für den religiösen Fanatismus zu finden. Susan Sontag hat 2003 ihre Ansicht über den „Zusammenstoß der Kulturen“ vermittelt, der zu den „Modernen Kriegen“ geführt habe. Claudio Magris hat 2009 vor dem anwachsenden Populismus in der Politik gewarnt und davor, Kriege als selbstverständlich anzusehen.

Bewegend waren die Preisverleihungen an Saul Friedländer, der 2007 die letzten Briefe seiner Familie vor ihrer brutalen Ermordung in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten verlesen hat, und an David Grossman, der in seiner Friedenspreisrede 2010 über den Tod seines Sohnes im Krieg zwischen Israel und dem Libanon sprach und zugleich begründete, warum er sich dennoch für eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern einsetzt. „Die Bürgerkrone der Menschlichkeit“, wie Carlo Schmid, der ehemalige Bundesminister und Laudator für Gabriel Marcel (1964), den Friedenspreis genannt hat, ist aufgrund der hohen Bedeutung der gehaltenen Reden einzigartig in der Welt. Für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels als dessen Stifter ist der Friedenspreis ein Bekenntnis für die Freiheit des Wortes und für den Frieden in der Welt."

Fotos: 
Titel: Max Tau liest seine Urkunde zur Verleihung des Friedenspreises 1950
© Archiv Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Max Tau und seine Frau Tove Filseth, die norwegische Repräsentantin der Nansen-Hilfe
© Friedenspreisarchiv/Heinz Fremke

Haus des Weinhändlers Buhbe in Hamburg, in dem der erste Friedenspreis verliehen wurde. © Michael Menard