hz Hypo1 unbewertetDie Mühlen der deutschen Justiz leiden an Antriebsschwäche – Grund: Praxis- und Wirklichkeitsfremdheit

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die packende Vorgeschichte: In der Folge des Subprime-Immobilien Crashs des Jahres 2008 und der Pleite der HRE-Bank - eine weit gestreute Anzahl weiterer ‚notleidender‘ Banken gerieten (selbstverschuldet) ebenfalls unter die Räder des ‚running collaps‘ der Finanzmärkte - wurden im Frühjahr 2011 174 Milliarden Euro in die ‚Bad Bank Hypo Real Estate‘ ausgelagert.

Die Aufgabe der FMS, der für diese Fälle zuständigen bundeseigenen ‚Wertmanagement‘-Abwicklungsanstalt war es, die Risikopapiere möglichst verlustfrei wieder in den Kapitalmarkt überzuführen.

Die Finanzkrise hat weltweit 10 Billionen Dollar Kosten verursacht, indirekt aber viel mehr. Das Leid von Menschen, das sich daraus ableitet, wollen wir an dieser Stelle nur mal als Randnotiz stehen lassen. Was oben verzockt wird, fehlt unten. Die Bankenrettung hat in Deutschland 74 Milliarden gekostet, europaweit waren es 400 Milliarden. Deutschland kostete der Beinahe-Zusammenbruch der Finanzmärkte 190 Mrd. Euro. Die Wirtschaft brach ein, Kurzarbeitergeld wurde gezahlt, die Abwrackprämie brachte wieder Sonne in die Herzen und Heime und die Hotel-Steuer wurde von der FDP gesenkt. Entscheidend aber waren die Fern- und Langzeitwirkungen des fundamentalen Jahrhundert-Einschnittes.


Investment- und Schattenbanken zocken weiter

Der leitende Idee „Zocken bis der Staat hilft“ (ARD 14.09.2010) gilt noch immer, zumal und solange die Ära der Flut überreichlichen Geldes anhält. Denn diese wird für spekulative Anlagemodelle eingesetzt. Zocken geht sogar, ohne Geld und Titel zu besitzen, mit dem Kredithebel (‚leveraged loans‘) und mit Leerverkäufen (wurden nur bedingt eingeschränkt).

Der aufgestiegene Drache Subprime-Immobilien-Crash, u.a. mit HRE, Depfa (Dublin)

Eines ist klar. Eine Großbank ist eine gemeingefährliche Klitsche, denn sie weiß nicht, was in ihrem Hause vorgeht oder tut zumindest so. Das Gericht, das über ein Fehlverhalten urteilen und dieses ahnden sollte, hält sich irgendwie fern der Realität; aber das hat Gründe, die in der Kultur der Gerichtsbarkeit liegen: Fehlen der landeseigenen kritischen Tradition dem Bankengeschäft wie auch den trickreichen Geschäften der Finanzwelt des überreichlichen Geldes, sprich Spekulationen, gegenüber, zum einen; das Phänomen einer unbegreiflichen Art von Unkenntnis der Wirklichkeit und einer Lebensferne des gerichtlichen Standes, zum anderen. Der richterliche Stand will selbst die ungeheuerlichste Missetat in die formaljuristische Jacke zwängen und dort halten, lässt damit Geist und Sinn der Zugehörigkeit des Umgangs mit Geld zu einer leibhaftigen Gesellschaft vermissen. Die Geschichte des neueren Finanzmarkts wurde abgehandelt in: „Das Kapitalverbrechen“, Der Spiegel 17.11.2008 und „Die Zocker AG“ - gemeint: Deutsche Bank, Der Spiegel 30.1.2012).

Die US-amerikanische Gerichtsbarkeit wie auch die US-amerikanische Politik sind im Verfolgen von Finanzbetrug ungleich fitter als deutsche Gerichte oder auch deutsche Politik. Beispiel: der Verkauf von 600 Mill. Timberwolf-Aktien. Sie wurden noch kurz vor dem großen Zusammenbruch als das, was von ihnen übrig war - nämlich fast nichts - als Finance-“Scrab“, nach dem Wortlaut einer bankinternen Mail, vertickt. Nachzuvollziehen in dem weltweit durch die Sender und Beiträge gegangenen Bild-Mitschnitt der schneidenden Befragung des Vorstands und der Händlerabteilung von Goldman Sachs durch den US-amerikanischen Senat („Tanz der Geier“, arte 19.11.13).


Die Münchener Justiz versagt im Prozess gegen HRE-Funke

Ende September 2017 erging die Meldung, dass das Finanzverbrechen um die HRE unaufgearbeitet bleiben wird. Es ging im Prozess, der im Frühjahr begann, um die Aufrollung des größten deutschen Bankenrettungsfalls. Noch 2007 verbreitete die Deutsche Bank den Slogan: „Giftpapierrisiko überschaubar“. Das Gericht setzt dem nun im Fall der HRE eins drauf: dass die Aufarbeitung einer gigantischen Verfehlung nicht mal von der Gerichtsbarkeit geleistet wird und somit das Vertrauen in den Rechtsstaat Schaden erleidet.


Die Politik hat mitgemacht – Europa war dumm

Spätestens seit den Bimbes-Republik-Tagen Helmut Kohls kam ein Finanzmarkthype auf, ein Tanz um das Goldene Kalb, an dem sich auch die Kleinen Leute beteiligten – und dabei das kleine Erbe ihrer Oma verzockten. Die Telekom-Aktie war nur ein minderer Fall. Die Politik ist seit 1997 mit Nachdruck zu Werk gegangen: Eigenkapitalregeln wurden gelockert, 1997 die Briefkastenfirmen erlaubt, 1999 die Geschäfte mit den Kreditversicherungen genehmigt, 2001 wurden Hedgefonds und der Handel mit spekulativen Papieren durch ein ‚Nicht in der Bilanz‘ - auszuweisen - ermöglicht. Legendär wurden die CDO und CDS, jene sagenhaft unglaubwürdigen Papiere (‚Bündelungen‘) zur Hypothekenbesicherung, die als Derivate um die Welt kursierten. Verräterisch war schon der Begriff: ‚Finanzinnovationen‘.

2003 schon waren 300 Milliarden an faulen Kredite in den Beständen von deutschen Banken. Befüllt wurden die Finanzmärkte auch mit dem Fiskal-, Lohn- und Sozialdumping, das die Politik munter eingefädelt und betrieben hat. Und vergessen wir nicht, machen wir uns nichts vor: das veruntreute Geld fehlt jetzt den Staatshaushalten der Staaten, und zwar aller der ganzen Welt. Wer das begreift, merkt, in welcher verkommenen Epoche wir leben.


Die HRE-Aufarbeitung endet im juristischen Debakel

Generell lag der Grund des Scheiterns darin begründet, dass das Münchener Landgericht schlampig, nachlässig und ohne Ambition vorgegangen ist. Und dies bei 2008/09 ehemals ausgesetzten Garantien über 100 Milliarden Euro. Weil erforderliche Beweisführungen nicht mehr „vor Ablauf der absoluten Verjährung abgeschlossen werden können“ (so das Gericht), wird das Verfahren endgültig eingestellt; wobei, weil die Staatsanwaltschaft zugestimmt hat, auch keine Revision möglich ist. Für das Verfahren war eine zu kurze Zeit eingeplant und es kamen während des Verfahrens noch Daten riesigen Ausmaßes unerwartet zum Vorschein.

Am Ende ging es nicht mehr um Schuld oder Schuldige – wir warten in diesem Kontext auf ein international einzusetzendes Weltgericht -, sondern nur noch um die Frage, ob Chef Georg Funke und Finanzchef Markus Fell (beide HRE) die Lage der Bank öffentlich zu positiv dargestellt und somit Anleger auf den Leim gelockt hätten. Unter dem Begriff der Ermessenseinstellung endete damit ein Prozess ohne Urteil, der einen finanzpolitischen Exzess und Abgrund begräbt, der trotz allem nun zu den Akten kommt.

Foto: Hypo-unterbewertet© duckduckgo.de