f matildeeidingerf ladymacbethKURIOSITÄTEN zum gleichzeitigen Anlaufen zweier Filme über russische Frauen, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nach der Premiere am Dienstag in St. Petersburg ist am Donnerstag nun MATHILDE offiziell in den russischen Kinos angelaufen. Vor allem in Moskau war man auf die Reaktionen gespannt. Aber, es gab keine Ausschreitungen oder negativen Auftritte, andersherum ist es richtig:
der Widerstand gegen den Film können Regisseur Alexej Utschitel, der sein eigener Produzent ist, nur nützen, denn der Film ist jetzt durch den öffentlichen Aufruhr so bekannt geworden, daß man ihm einen blühenden wirtschaftlichen Erfolg voraussagt, wieder einmal wurde die Werbung für einen Film von denen gemacht, die eigentlich dagegen sind.

Das hat Alexej Utschitel auch genüßlich ausgeführt, der von seinen Gegnern als „orthodoxen Extremisten“ spricht und das normale Anlaufen des Films als „Sieg aller gesunden Menschen in diesem Land, der, davon bin ich überzeugt, überwältigenden Mehrheit“ ansieht, so auf der Pressekonferenz der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Wir haben keine Ahnung, warum mit Lars Eidinger ein deutscher Schauspieler den im Film vom Zarewitsch zum Zar werdenden Nikolaus II. spielt. Die hellen Augen sind tatsächlich ein Bindeglied zwischen den beiden. Die Primaballerina spielt eine Polin. Die Darmstädter Prinzession wieder eine Deutsche und den obskuren Arzt sogar...aber das alles nächste Woche.

Ob die Darstellerin der MATHILDE bei der Premiere anwesend war, wissen wir nicht. Aber daß Lars Eidinger „Ich habe Angst“ sagte und nicht zur Premiere fuhr, ist erstaunlich und wird auch nicht dadurch wirklich verständlich, daß er offen seine Gründe nannte: „Mir ist bewußt, daß man sagen könnte, ich hätte das Feld und die Macht diesen Leuten um Poklonskaja überlassen und sie habe den Kampf gewonnen...Aber ich kämpfe nicht. Das ist mir viel zu gefährlich.“ Sicher ist das für einige wiederum sympathisch.

Und die Russische Orthodoxe Kirche nimmt eine Zwitterposition ein. Sie spricht sich einerseits für künstlerische Freiheiten aus, wendet sich dann dagegen, daß historische Fakten frei interpretiert werden, ermahnt stattdessen zum sorgfältigen Umgang mit diesen. Larifari also. Das ist aber nur der eine Film, der, der in Rußland zur nationalen Sache erklärt wurde. Der andere Film dagegen, der in unseren Augen genauso russisch oder sogar russischer anmutet, wird behandelt, als sei er nicht existent. Es ist schon erstaunlich wie locker Rußland nämlich damit umgeht, daß sich westliche Länder, hier England, ihrer literarischen Vorlagen bedienen, wenn William Oldroyd es wagt, die berühmt- berüchtigte Novelle von Nikolai Leskow LADY MACBETH VON MZENK nicht nur zu verfilmen, sondern dabei auch noch ins viktorianische England zu verlegen.

Warum geschieht dies? Weil sich ein in England spielender Film besser verkaufen läßt als einer, der in Rußland zu Hause ist? Dabei ist die großartige und echt spannende Geschichte erst einmal nur im zaristischen Rußland denkbar. Das hatte auch Schostakowitsch im Sinn, als er diese geschundene und sich wehrende Frauenfigur zur Titelfigur seiner gleichnamigen Oper machte, die allein schon deshalb auch in westlichen Ländern bekannt wurde, weil sie den (simulierten) Beischlaf auf offener Bühne in der Musik zum Höhepunkt (Orgasmus) bringt, was Stalin, der sich sehr mit Schostakowitsch auseinandersetzte, einerseits amüsierte, andererseits zum Wahnsinn getrieben hat.

Natürlich ging es dabei nicht nur um die Oper, Schostakowitsch hatte für die UdSSR ausgedient und daß er der Komponist die UdSSR, die Russen liebte und diese ihn, war ein Stachel in Stalins Fleisch. Auf der ganzen Welt allerdings liebten die Menschen Schostakowitschs DIE LADY, sie trat einen musikalischen und musikdramatischen Siegeszu an, die auch die Ausgangsgeschichte von Leskow warm hielt, die nun ein englischer Regisseur mit dem Film aufwärmt. Und da die Geschichte gut ist, weil elementare Wesenszüge von Menschen angesprochen sind, ist sie auch überall adaptierbar. Aber trotzdem seltsam, daß nicht die Russen diesen dramatischen Stoff nutzen und ihn den Engländern überlassen, die doch mit ihren weiblichen Erzählerinnen des Viktorianischen Zeitalters genug Filmvorlagen hätten. Mehr dazu nächste Woche in der Filmkritik.

Foto:  links: Eidinger in MATHILDE; rechts: Florence Pugh als Lady © jeweiliger Verleih


Info:

MATHILDE

Ein Film von Alexey Uchitel
Produzenten Alexey Uchitel, Alexander Dostman
Drehbuch Alexander Terekhov
Kamera Yury Klimenko

Genre Historischer Thriller
Land Russland

BESETZUNG

Lars Eidinger als Zar Nikolaus II
Michalina Olszanska als Mathilde
Luise Wolfram als Alix von Hessen
Danila Koslowski als Vorontsov
Sarah Stern als Pierina Legnani
Grigory Dobrygin als Prinz Andrey
Ingeborga Dapkunaite als Maria Feodorovna
Thomas Ostermeier als Dr. Fische


LADY MACBETH

Regie William Oldroyd
Drehbuch Alice Birch nach einer Novelle von Nikolai Leskow

Besetzung

Katherine      Florence Pugh
Sebastian     Cosmo Jarvis
Alexander     Paul Hilton
Anna             Naomi Ackie
Boris             Christopher Fairbank
Agnes           Golda Rosheuvel
Teddy           Anton Palmer
Mary             Rebecca Manley
Tessa            Fleur Houdijk
Father Peter Cliff Burnett