Assoziationen zum vermeintlichen Volkswillen
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - 2 x Schwarz plus Gelb plus Grün. Daraus könnte eine Regierung gebildet werden.
Denn Blassrot plus Tiefrot plus Blaubraun auf der Gegenseite sind zur Bildung einer Alternative nicht in der Lage, nicht nur wegen der geringeren Anzahl an Mandaten, sondern auch wegen der Braunen im blauen Gewand, deren politikunfähige Barkasse von einer Wut-Welle nach oben getragen wurde. Und die mit mindestens einem Anker unverrückbar im Morast der Geschichte festsitzt. Alle zusammen bilden sie den Willen des Volkes ab, stellen die „Gesamtheit der Tatsachen“ dar (um aus dem „Tractatus logico-philosophicus" von Ludwig Wittgenstein zu zitieren).
Doch dieses Volk scheint tief gespalten zu sein, denn sonst hätte der Souverän mit strategischer Klugheit votiert. Dann hätte er denen eine Chance gegeben, die aus tieferer Überzeugung miteinander harmonieren – und nicht nur im Bestreben nach einflussreichen Regierungsämtern vereint sind.
Jetzt droht also eine Koalition, die mit Jamaika absolut nichts, aber mit einem unbekömmlichen Rum-Cocktail inklusive irreparabler Langzeitnachwirkungen alles zu tun hat. Die Ingredienzien sind bereits allein ziemlich unbekömmlich: Trübes Wasser aus schwarzen Kanälen und dem Ausguss bayerischer Stammtische, vermengt mit je einem Schuss gelber Eliten- und Steuervermeider-Brause sowie grüner Wellness-Biolimonade für Öko-Aufsteiger.
Eigentlich schlüge jetzt die Stunde der Rot-Parteien. Aber die eine wird von Perspektivlosigkeit geführt und die andere steht ständig vorm Spiegel und fragt sich, ob Sahra oder Katja die Schönste im Land ist.
So bleibt nur die Hoffnung, dass es den Berliner Jamaikanern nach dem ersten Schluck ihres Gesöffs so übel wird, dass entweder der schwarz-gelbe Kern auf das grüne Alibi verzichtet und den Möchtegernpartner sowie die Rotparteien um Toleranz für eine Minderheitsregierung ersucht. Oder alle gemeinsam das Volk um ein überlegtes Votum bitten, also Neuwahlen ansetzen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Deutschen noch ihrem Anspruch, das Volk der Dichter und Denker zu sein, gerecht werden oder sich ins Grab der Lebendigen zurückgezogen haben.
Foto: Der künftige Berliner Regierungsstander. © Medien-RedaktionsGemeinschaft