Gesammelt und zusammengestellt von Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Als Erstes beschloss die neue Arbeiter- und Bauernregierung das „Dekret über den Frieden“. Es erklärte den Krieg für beendet und ebnete den Weg zu Friedensverhandlungen mit Deutschland.
In seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ notierte Thomas Mann: „Ich schließe die Aufzeichnungen an dem Tage, an dem der Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Deutschland und Russland gemeldet wird. Wenn nicht alles täuscht, soll der lange, fast seit Beginn des Krieges gehegte Wunsch meines Herzens sich erfüllen: Friede mit Russland! Friede zuerst mit ihm.“
Der Preis, den die junge Sowjetmacht zu entrichten hatte, war hoch. Russland verlor durch den Friedensvertrag von Brest-Litowsk 26 Prozent seines europäischen Territoriums, 27 Prozent seines anbaufähigen Landes, 73 Prozent der Eisenindustrie und 73 Prozent seiner Kohlegruben. Später schrieb Thomas Mann: „Ich möchte keinen Zweifel lassen an meiner Ehrerbietung vor dem meiner Zeit angehörigen, historischen Ereignis der russischen Revolution. Sie hat in ihrem Lande längst unmöglich gewordene, anachronistische Zustände beendet, ein zu 90 Prozent analphabetisches Volk intellektuell gehoben, das Lebensniveau seiner Massen unendlich menschlicher gestaltet. Sie ist die große soziale Revolution nach der politischen von 1789 und wird wie diese ihre Spuren zurücklassen in allem menschlichen Zusammenleben.“
Alfred Kerr, einer der bedeutendsten Kritiker seiner Zeit, schrieb nach Lenins Tod: „Lenin, vereint mit seinen Helfern, unternahm das grandioseste soziale Experiment, das seit zweitausend Jahren gemacht worden ist. Nachdem es zweitausend Jahre immer missglückt war, hat er es auf neue Art und grundsätzlich versucht. Als Mann der Tat ist Lenin eine weltgeschichtliche Erscheinung. Gegner beschuldigen ihn der Härte. Das ist irrig. Er war der radikal-konsequente Verwirklicher einer ungeheuren Idee. Dieser Tote wird immer wieder auferstehen – in hundert Formen - , bis im Chaos der Erde Gerechtigkeit herrscht“.
Ähnlich äußerte sich 1924 Heinrich Mann: „Im Leben Lenins verbindet sich Treue zu einem ungeheuren Werk notwendigerweise mit Unerbittlichkeit gegen alle, die ihn stören wollten. Um der Treue willen muss ich die Unerbittlichkeit gelten lassen. Dies ward mir leichter, seitdem ich gesehen habe, dass er fähig war, sein Werk umzugestalten nach den jeweiligen Bedürfnissen lebender Menschen. Er liebte also die Menschen wie das Werk und handelte daher groß. Seine Größe ward mir übrigens immer begreiflicher, wenn ich dagegen sah, was aus Deutschland wurde. Hier war nur blinder Hass gegen Idee und Werk. Lenin, es sei in Russland geschehen was immer, hat sein Volk jedenfalls glücklicher gemacht.“ In seinem Lebensbericht „Ein Zeitalter wird besichtigt“ schreibt Heinrich Mann Jahre später: „Die Sympathien, deren die Sowjetunion sich außerhalb ihres Gebietes erfreut, gelten, so gut wie ohne Rest, einer Idee, der Idee der neu verstandenen Freiheit.“ (S. 45).
Der französische Nobelpreisträger Romain Rolland prophezeite am 2. November 1918 in einem Brief an seinen Schriftstellerkollegen Stefan Zweig: „Es ist nur allzu offensichtlich, dass wir in Bälde einen abscheulichen Kreuzzug der gesamten ‚liberalen’, ‚demokratischen’, ‚republikanischen’ Bourgeoisie gegen die große Revolution erleben werden. Und nachdem diese Schande erfüllt ist, wird sich das entehrte Europa in seinem Schmutz wieder wohl fühlen: die bürgerliche Heuchelei der großen Grundsätze und des ‚demokratischen’ Großkapitals wird sich dann nicht nur die Massen, sondern auch die Elite unterwerfen – den Körper und den Geist.“ In seiner Antwort schwärmte Stefan Zweig am 18. November 1918: „Ich fühle eine Trunkenheit in der Luft, eine heilige Trunkenheit der Freude und gleichzeitig jene Trunkenheit der Massen, die vom Blutgeruch berauscht sind. Es leuchtet rot am Horizont: ist es die neue Morgenröte, ist es der Widerschein eines riesigen Scheiterhaufens, auf dem unsere ganze Kultur zu Asche verbrennt? Ich weiß es nicht. Doch fühle ich mit allen meinen Nerven: eine solche Krise kann nicht mit einer einfachen Beruhigung enden...Ich blicke in die Ferne, wo das Rot am Horizont mir den Beginn von etwas Neuem ankündigt.“ („Von Welt zu Welt – Briefe einer Freundschaft“, S.403-406).
Wie viele seiner Schriftsteller- und Journalistenkollegen bereiste auch Joseph Roth die junge Sowjetunion, um sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen von den Ergebnissen der Oktoberrevolution. In seinen Reportagen für die „Frankfurter Zeitung“ lobte er die Anstrengungen, das Land zu industrialisieren, die Bildung voranzutreiben und der Gleichberechtigung der Frau zum Durchbruch zu verhelfen. Er konstatierte aber auch: "Wer in den Ländern der westlichen Welt den Blick nach dem Osten erhebt, um den roten Feuerschein einer geistigen Revolution zu betrachten, der muss sich schon die Mühe nehmen, ihn selbst an den Horizont zu malen. Viele tun es. Sie sind weniger Revolutionäre als Romantiker der Revolution. Indessen ist die russische Revolution schon längst in das Stadium einer gewissen Stabilität gekommen. Der illuminierte laute Feiertag ist ausgeklungen. Der nüchterne, graue, mühselige Wochentag hat angefangen.“
FORTSETZUNG FOLGT
Foto: 7.11.1917: In Petrograd beginnt die Oktoberrevolution , Lenin spricht dort zu den Arbeiter- und Soldatenräten © swr.de
Alfred Kerr, einer der bedeutendsten Kritiker seiner Zeit, schrieb nach Lenins Tod: „Lenin, vereint mit seinen Helfern, unternahm das grandioseste soziale Experiment, das seit zweitausend Jahren gemacht worden ist. Nachdem es zweitausend Jahre immer missglückt war, hat er es auf neue Art und grundsätzlich versucht. Als Mann der Tat ist Lenin eine weltgeschichtliche Erscheinung. Gegner beschuldigen ihn der Härte. Das ist irrig. Er war der radikal-konsequente Verwirklicher einer ungeheuren Idee. Dieser Tote wird immer wieder auferstehen – in hundert Formen - , bis im Chaos der Erde Gerechtigkeit herrscht“.
Ähnlich äußerte sich 1924 Heinrich Mann: „Im Leben Lenins verbindet sich Treue zu einem ungeheuren Werk notwendigerweise mit Unerbittlichkeit gegen alle, die ihn stören wollten. Um der Treue willen muss ich die Unerbittlichkeit gelten lassen. Dies ward mir leichter, seitdem ich gesehen habe, dass er fähig war, sein Werk umzugestalten nach den jeweiligen Bedürfnissen lebender Menschen. Er liebte also die Menschen wie das Werk und handelte daher groß. Seine Größe ward mir übrigens immer begreiflicher, wenn ich dagegen sah, was aus Deutschland wurde. Hier war nur blinder Hass gegen Idee und Werk. Lenin, es sei in Russland geschehen was immer, hat sein Volk jedenfalls glücklicher gemacht.“ In seinem Lebensbericht „Ein Zeitalter wird besichtigt“ schreibt Heinrich Mann Jahre später: „Die Sympathien, deren die Sowjetunion sich außerhalb ihres Gebietes erfreut, gelten, so gut wie ohne Rest, einer Idee, der Idee der neu verstandenen Freiheit.“ (S. 45).
Der französische Nobelpreisträger Romain Rolland prophezeite am 2. November 1918 in einem Brief an seinen Schriftstellerkollegen Stefan Zweig: „Es ist nur allzu offensichtlich, dass wir in Bälde einen abscheulichen Kreuzzug der gesamten ‚liberalen’, ‚demokratischen’, ‚republikanischen’ Bourgeoisie gegen die große Revolution erleben werden. Und nachdem diese Schande erfüllt ist, wird sich das entehrte Europa in seinem Schmutz wieder wohl fühlen: die bürgerliche Heuchelei der großen Grundsätze und des ‚demokratischen’ Großkapitals wird sich dann nicht nur die Massen, sondern auch die Elite unterwerfen – den Körper und den Geist.“ In seiner Antwort schwärmte Stefan Zweig am 18. November 1918: „Ich fühle eine Trunkenheit in der Luft, eine heilige Trunkenheit der Freude und gleichzeitig jene Trunkenheit der Massen, die vom Blutgeruch berauscht sind. Es leuchtet rot am Horizont: ist es die neue Morgenröte, ist es der Widerschein eines riesigen Scheiterhaufens, auf dem unsere ganze Kultur zu Asche verbrennt? Ich weiß es nicht. Doch fühle ich mit allen meinen Nerven: eine solche Krise kann nicht mit einer einfachen Beruhigung enden...Ich blicke in die Ferne, wo das Rot am Horizont mir den Beginn von etwas Neuem ankündigt.“ („Von Welt zu Welt – Briefe einer Freundschaft“, S.403-406).
Wie viele seiner Schriftsteller- und Journalistenkollegen bereiste auch Joseph Roth die junge Sowjetunion, um sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen von den Ergebnissen der Oktoberrevolution. In seinen Reportagen für die „Frankfurter Zeitung“ lobte er die Anstrengungen, das Land zu industrialisieren, die Bildung voranzutreiben und der Gleichberechtigung der Frau zum Durchbruch zu verhelfen. Er konstatierte aber auch: "Wer in den Ländern der westlichen Welt den Blick nach dem Osten erhebt, um den roten Feuerschein einer geistigen Revolution zu betrachten, der muss sich schon die Mühe nehmen, ihn selbst an den Horizont zu malen. Viele tun es. Sie sind weniger Revolutionäre als Romantiker der Revolution. Indessen ist die russische Revolution schon längst in das Stadium einer gewissen Stabilität gekommen. Der illuminierte laute Feiertag ist ausgeklungen. Der nüchterne, graue, mühselige Wochentag hat angefangen.“
FORTSETZUNG FOLGT
Foto: 7.11.1917: In Petrograd beginnt die Oktoberrevolution , Lenin spricht dort zu den Arbeiter- und Soldatenräten © swr.de