Heinrich Böll steht zu seinem Hundertsten Pate für die Diskussion um die Frage des Einmischens im politischen Tohuwabohu: ein Abend in Frankfurt, Teil 1/2
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Heute kann so mancher sagen, was er will, meist liegen tief liegende Eigeninteressen hinter der Interessenvertreter-Fassade verborgen. Die FDP ist hierfür das Paradebeispiel. Sie ist die Partei der Egotrip-Vertreter, schert sich wenig um die globale Verantwortung für Klima und Artenvielfalt, richtet sich strikt klientelbezogen aus, ohne dass sie dazu beordert worden wäre; sie übernimmt das devote Geschäft des Machtgruppenklientelismus vorauseilend; verschmäht die Waffe der Kritik (die liberale Geister wie Röpke und Eucken gegen wirtschaftliche Vermachtung wendeten), nur um sich zu den ‚Besseren Leuten‘ hinzuzugesellen, während ihr Tun von sehr bescheidener Art ist.
Das Fehlen von intellektueller und moralischer Autorität war der Anlass für eine durch die Heinrich-Böll-Stiftung angesetzte Debatte unter dem Titel: „Einmischung heute. Haltung und Orientierung in unsicheren Zeiten.“ Der gut besuchte Abend fand im neu gestalteten Haus der Evangelischen Akademie am Frankfurter Römerberg statt.
Die Heinrich-Böll-Stiftung ist eine parteinahe Stiftung der Grünen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts liegt die Finanzierung der politischen Stiftungen im öffentlichen Interesse. Die Initiative zur Gründung der Heinrich-Böll-Stiftung konstituierte sich am 14. September 1986 in Köln. In ihrer jetzigen Form existiert die Heinrich-Böll-Stiftung seit 1996/1997. Die Stiftung unterhält 32 Auslandsbüros.
Auf dem Podium argumentierten der Schriftststeller Feridun Zaimoglu, Martin Saar, Professor für Sozialphilosophie an der Goethe-Universität und Ellen Üeberschär vom Vorstand der Heinrich Böll Stiftung in Berlin und die ehemalige Bürgermeisterin Jutta Ebeling.
Ansichten eines Unabhängigen
Heinrich Böll steht noch immer paradigmatisch für die Gestalt des Intellektuellen, der eine entschiedene Form der Haltung einnimmt, die gegen eingefleischte Interessen des klerikal-konservativen Milieus und seiner politischen Verbündeten, die das christlich Konservative willkommen kapitalistisch ummünzen, gerichtet ist. Böll darf als der exemplarisch repräsentative Intellektuelle der neu errichteten Gesellschaft der Bundesrepublik bezeichnet werden. Er tat stets Einspruch, wenn etwas zum Himmel stank, bezog klar Position, begab sich auch ins Kreuzfeuer und ließ sich im gegebenen Fall auch als Nestbeschmutzer ausschimpfen. Das war ihm Bestätigung. Seine Form der politischen Einmischung war bespielhaft, sehr eigentümlich vom Typ des Einmischers - der auch ein Schriftsteller ist.
Von Beginn der Diskussion an war allen Anwesenden bewusst, dass Böll nicht reproduzierbar ist, die Zeiten von Böll sind nicht mehr, die politisch-gesellschaftliche Moral ist im Eimer, wenn man bedenkt, wie sehr heute unter weitgehender Selbstverleugnung der politischen Klasse egoistischen Interessen wirtschaftlicher Klienteln gedient und geopfert wird, auf Kosten und zum Schaden des Gemeinwesens, das immer größeren Bedrohungen durch die Macht der Wenigen ausgesetzt ist (siehe Paradise Papers).
FORTSETZUNG FOLGT
Foto: © boell.de
Perdu die Zeiten der moralischen Instanz und profilierter öffentlicher Kritik
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