Weitere Verstrickungen im U-Boot-Skandal
Jacques Ungar
Tel Aviv (WEltexpresso) - Nachdem die beiden Anwälte Isaac Molho und David Shimron festgenommen worden sind, um im U-Boot-Skandal verhört zu werden, scheint die Situation in Israel Führungsebene immer verstrickter zu sein.
Mit den beiden Staranwälten David Shimron und Isaac Molho sind dieser Tage zwei zentrale Persönlichkeiten aus der engsten Umgebung von Premier Netanyahu in den Strudel der polizeilichen Untersuchungen geraten.
Soll Ihr Korrespondent seine Leser allwöchentlich mit den neuesten Enthüllungen über die den israelischen Alltag praktisch rund um die Uhr beschäftigenden (wirklichen oder vermeintlichen) Skandale und Affären konfrontieren? Oder wäre es vorzuziehen, einen Bogen um Themen dieser Art zu machen? Etwa im Bestreben, den Feinden Israels nicht noch mehr süffiges Material frei Haus zu liefern, wie die Gegner einer auch seriösen Skandal-Berichterstattung es zu formulieren belieben. Offiziell wird hier immer wieder Premier Binyamin Netanyahu zitiert, der in punkto der gegen ihn und andere Prominente laufenden polizeilichen Untersuchungen wiederholt und betont leichtfertig zu sagen pflegt, da werde es nichts geben, weil da nichts war.
Die Fragen zur Thematik widersprechen sich oft und sind so vielfältig, dass der Durchschnittsbeobachter vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, wie das geflügelte Wort die Situation der letzten Monate treffend charakterisiert. Mit logisch zwingenden und moralisch sich aufdrängenden Antworten tut man sich dagegen schon wesentlich schwerer.
Ein Skandal-Alltag
Und trotzdem: Als Journalist mit recht vielen Jahren Nahosterfahrung, der sich nur ungern von Interessengruppen verheizen und vor deren Propagandakarren spannen lässt, kommt Ihr Korrespondent immer wieder zur gleichen Schlussfolgerung: Nicht nur kann er, nein, er muss sogar den israelischen Skandal-Alltag aufmerksam, distanziert und kritisch beobachten und seinem Publikum auch dann die Sachverhalte schonungslos vor Augen führen, wenn er damit rechnen muss, von Blatt-Konsumenten als Nestbeschmutzer, Angehöriger einer fünften Kolonne oder was der gängigen Schlagwörter mehr sein mögen, beschimpft und an den Pranger gestellt zu werden. In den nun schon fast vier Jahrzehnten der Israel-Berichterstattung in Printmedien und am Radio legt man sich gegen derartige Vorwürfe eine Haut zu, die so dick ist, dass sie einerseits unsachliches Geschwätze an sich abprallen lässt, gleichzeitig aber wieder so durchlässig, dass für seriöse Kritik und gegenteilige Meinungen stets ein offenes Ohr und ein ebensolches Auge vorhanden bleibt.
Das zentrale Motiv für die professionelle Notwendigkeit einer kritisch-sachlichen und regelmässigen Darstellung der Entwicklungen liegt aber darin, dass kein ernsthaft sein wollender Medienschaffender sich den Luxus erlauben kann, bewusst und meist tendenziös gewisse Teile einer unbequemen Thematik aus seiner Berichterstattung auszuklammern aus Gründen, die mit dem journalistischen Auftrag nichts zu tun haben, ja ihm oft sogar eklatant widersprechen.
Dieses gesagt, sei dem Verfasser dieser Zeilen gestattet, die wichtigsten Entwicklungen der Berichtswoche in der sogenannten U-Boot-Affäre zu skizzieren.
Zwei Staranwälte unter Verdacht
Mit den beiden Staranwälten David Shimron und Isaac Molho sind dieser Tage zwei zentrale Persönlichkeiten aus der engsten Umgebung von Premier Netanyahu in den Strudel der polizeilichen Untersuchungen geraten. Keiner kann mit Bestimmtheit sagen, wann und unter welchen Umständen sie sich diesem Strudel wieder entziehen können, beziehungsweise welche Gegenleistungen (Aussagen als Kronzeugen der Anklage wäre einer der Möglichkeiten) sie zu diesem Zweck zu erbringen hätten. Dem Begriff «Gegenleistungen» haftet in diesem Zusammenhang immer eine recht zwielichtige Bedeutung an. Sind aber Zwielichtigkeiten und Grauzonen nicht die eigentlich zentralen Charakteristika in einem Drama, in dem es praktisch nur Gegner gibt? Andererseits wird sogar an integren Personen wie einem Staatspräsidenten Reuven Rivlin von gewissen Kreisen kein gutes Haar gelassen, auch wenn er in seiner aufrüttelnden Rede vor der Knesset nur versuchen wollte, wie weiland Münchhausen, das Volk Israel dazu zu bringen, sich am eigenen Zopf aus dem Dreck zu ziehen.
Vor allem der Person Isaac Molho haftet insofern höchste Tragik an, als der Mann seit 1996, bis zu seinem jetzt vielleicht nicht mehr so überraschenden Rücktritt vor zwei Wochen zu den engsten Vertrauten Premier Netanyahus zählte und im Namen seines Chefs die heikelsten Missionen von überragendem nationalen Interesse ausführte, sei es gegenüber Palästinensern, Ägyptern oder auch Amerikanern. Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat Molho ebenso selten wie ungern; das hatte er auch gar nicht nötig. Für «Haaretz» war der Anwalt «ein wenig Aussen- und ein wenig Verteidigungsminister, ein wenig Mossad- und ein wenig Shabak-Agent und ein Super-Botschafter in zahllosen Ländern», der für Netanyahu, also für den Staat, die heikelsten Missionen übernahm. «Details dieser Missionen werden für die kommenden Jahrzehnte unter Verschluss bleiben», meinte der Kommentator Yossi Verter in «Haaretz», wobei er die Abschiedsworte Netanyahus an Molho zitierte.
Ein Geheimnis?
Wenn Shimron, der auch Netanyahus persönlicher Anwalt ist, und Molho diese Woche stundenlange Verhöre über sich ergehen lassen mussten, die vielleicht nächste Woche fortgesetzt werden, dann könnte das damit zusammenhängen, dass sie über die fast unbeschränkte Macht strauchelten, die ihnen als Vertrauenspersonen hoher und höchstrangiger Persönlichkeiten in rechtlich und moralisch extrem komplexen Fällen, bildlich gesprochen, sozusagen auf dem silbernen Tablett offeriert wurde, oder noch wird. Das darf nicht als Entschuldigung oder gar Rechtfertigung aufgefasst werden; höchstens als der Versuch einer Erklärung und Begründung. Ohne deswegen derogativ über andere Personen zu denken, darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass diese Situation ganz besonders für Isaac Molho schwer zu ertragen war. Wahrscheinlich hat er auch deswegen um seine Entlassung aus Netanyahus Diensten gebeten.
«Im Licht der sensationellen jüngsten Entwicklung in dem Fall wirft sich eine offensichtliche Frage auf», schreibt Yossi Verter. «Gab es da ein anderes Geheimnis, das die beiden innerhalb der Wände ihres eleganten Büros in Jerusalem teilten? Eine andere Frage, die mit Molhos Festnahme am Sonntag noch irritierender wurde, ist diese: Ist es möglich, dass diese beiden, wenn überhaupt, auf eine Art handelten, die eine Verletzung des Gesetzes in einer megastrategischen, sicherheitsbezogenen politischen Sache hinter dem Rücken eines Premierministers darstellte, der bis über den Hals in genau die gleiche Thematik verwickelt war?».
Angesichts dieser oft labyrinthartig verwickelten Schilderungsversuche lässt sich immer unüberhörbarer die Vermutung vernehmen, dass Israel Führung letzten Endes nur noch eine drastische Rosskur wird helfen können. Vielleicht.
Foto: © tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 10. November 2017