Der anhaltende deutsche Groll auf Israel trat bei der Hundertjahrfeier der Balfour-Erklärung erneut zutage, zum Beispiel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Teil 3/5
Matthias Küntzel
Hamburg (Weltexpresso) - So ist es auch kein Wunder, dass sich die Siegermächte des Ersten Weltkriegs bei der Pariser Friedenskonferenz im Februar 1919 hinsichtlich der jüdischen Heimstätte einig waren. Doch erst im April 1922, als man Großbritannien mit dem Mandat des Völkerbundes für Palästina betraute, wurde die Balfour-Erklärung zum völkerrechtlich bindenden Dokument.
„Die Hohen Alliierten Mächte stimmen darin überein, dass die Mandatsmacht für die Verwirklichung der ursprünglich am 2. November 1917 von der britischen Regierung gemachten Erklärung verantwortlich sein soll, die von den oben genannten Mächten übernommen wurde“, heißt es in der Präambel des britischen Mandats.
Hier wurde nicht nur die Balfour-Erklärung vollständig zitiert, sondern gleichzeitig „die historische Verbindung des jüdischen Volkes mit Palästina“ als Grund „für die Wiedererrichtung ihrer nationalen Heimstätte in diesem Land“, so der Wortlaut der Präambel, anerkannt. Artikel 2 und 6 des Mandats verpflichteten Großbritannien, dafür zu sorgen, dass die Bedingungen für „die Etablierung der jüdischen nationalen Heimstätte, wie in der Präambel niedergelegt“ geschaffen werden und dass „die jüdische Einwanderung unter geeigneten Bedingungen erleichtert“ und die „dichte Ansiedlung von Juden“ ermutigt wird.[6]
Dieser Ablauf der Ereignisse führt vor Augen, dass es nicht der Holocaust war, der die jüdische Heimstätte legitimierte, sondern die internationale Anerkennung der Tatsache, dass das jüdische Volk mit Palästina verbunden war und ist. Dass Großbritannien ausgerechnet während des Holocaust die jüdische Einwanderung nach Palästina mit allen Mitteln bekämpfte, seine Mandatsverpflichtung also massiv verletzte, ist der Skandal, der während der Feiern zum hundertjährigen Bestehen der Balfour-Erklärung zu wenig zur Sprache kam.
Und die „Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften“?
Am umstrittensten ist der zweite Teil der Balfour-Erklärung, der besagt, dass „nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina ... beeinträchtigen könnte.“ Hier fällt in der Tat eine Asymmetrie ins Auge: Während bei den Juden vom „Volk“ gesprochen wurde, ist hier lediglich von „Gemeinschaften“ die Rede; während es im ersten Fall um „nationale“ Interessen ging, ist hier allein von „bürgerlichen und religiösen Rechten“ die Rede.
Allerdings war diese Asymmetrie am 2. November 1917, als Großbritanniens General Edmund Allenby gerade durch Beerscheba in Richtung Jerusalem ritt, um die restlichen Truppen des osmanischen Reichs zu besiegen, eine Realität.
Damals wurde das Ideal der nationalen Selbstbestimmung zum Organisationsprinzip internationaler Politik: Aus der Asche des zerfallenen Osmanischen Reichs gingen Nationalstaaten hervor, die auf dem Weg in ihrer Unabhängigkeit vorübergehend unter der Kontrolle der vom Völkerbund beauftragten Mandatsmächte standen: Libanon, Syrien, Irak, Saudi-Arabien, Jordanien, Kuwait, Bahrein, Qatar und Jemen.
Während sich in dieser Zeitepoche auch die zionistische Nationalbewegung formiert und profiliert hatte, war jedoch von einer Nationalbewegung arabischer Palästinenser nichts zu erkennen.
FORTSETZUNG FOLGT
Anmerkung:
[6] Der Text des Mandats, den der Rat des Völkerbundes am 24. Juli 1922 verabschiedete und der im September 1923 in Kraft trat, ist vollständig dokumentiert in: Walter Laqueur und Barry Rubin, The Israel-Arab Reader, New York (Penguin Books) 2001, S. 30-36.
Foto: Postkarte zum Völkerbund von 1920 © dhm.de
Info: Dieser Artikel erschien erstmals am 11. November in mena-watch. Wir entnehmen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors seiner Webseite
Unser Autor Matthias Künzel ist mit Vorträgen unterwegs und schreibt:
Am Mittwoch, den 22. November werde ich in Bonn zum Thema „Von der Muslimbruderschaft zum Islamischen Staat – Über die Geschichte des Islamismus und seine Folgen“ sprechen. Beginn: 20.00 Uhr, Veranstalter: AStA der Universität Bonn, Ort: Uni-Hauptgebäude, Hörsaal 8, Regina-Pacis-Weg, 53113 Bonn.
Am Donnerstag, den 23. November werde ich in Münster auf Einladung der dortigen Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum Thema „Woher kommt der Judenhass in der arabisch-islamischen Welt?“ sprechen. Beginn: 19.30 Uhr. Franz-Hitze-Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50, Münster.
Am Dienstag, den 28. November werde ich an der Hochschule Emden zum Thema „Woher kommt der Judenhass in der arabisch-islamischen Welt?“ vortragen. Beginn: 18.00 Uhr.
Am Mittwoch, den 17. Januar 2018 werde ich in Stuttgart auf Einladung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum Thema „Lässt sich Irans Atombewaffnung noch verhindern? Zum transatlantischen Streit über das Atomabkommen mit Iran“ referieren.