kpm Schauspielhaus Frankfurt groses HausEin Versuch, die Frankfurter SPD aufzuklären

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Was ist Kultur? Relikt aus großbürgerlichen Zeiten? Oder Freizeitgestaltung für Event-Besessene? Es gibt eindeutige Antworten.

Sozialdemokraten und Sozialisten alter Schule, die protestierende Jugend von 1968 sowie die Mehrheit der Intellektuellen und Künstler haben sie in Anlehnung an die Schriften der Aufklärung, der marxistischen Philosophie und der Kritische Theorie als den bewusstseinsbildenden Bestandteil des gesellschaftlichen Überbaus verstanden.

In diesem Überbau spiegeln sich einerseits die Herrschaftsverhältnisse, die von den Eigentumsverhältnissen (vor allem an Produktionsmitteln und Kapital) geprägt sind, also der Staat, das Recht und die offizielle Politik. Im gleichen Maß aber ebenso das kritische Bewusstsein, nämlich Kritik und grundsätzliche Infragestellung der herrschenden Ordnung. Folglich wurden und werden die Ausbeutung des Menschen, seine Entfremdung von den Ergebnissen seiner Arbeit, die Zerstörung seiner sozialen Beziehungen und die Vernichtung der natürlichen Ressourcen in der Literatur, im Theater, in der Musik, in der Malerei und in der bildenden Kunst vorrangig und mit hohem Anspruch thematisiert.

Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann die kulturelle Karte, die naturgemäß eine rote ist, so erkennbar selten ausspielt. Mit eindeutigen Hinweisen auf die Befreiung des Menschen aus jeglicher Fremdbestimmung könnte er sowohl den rechten (und bildungsfernen) Flügel seiner eigenen Partei als auch die politische Konkurrenz demaskieren. Denn alles, was die Bürger dieser Stadt belastet, von Mietwucher über unzureichende Verkehrsinfrastruktur und Fluglärm bis zur Vergiftung durch Stickoxyde, widerspricht dem Humanitätsgedanken, also der Kultur. Allerdings: Man muss die Kulturtechniken des verstehenden Lesens und des ausdruckfähigen Schreibens beherrschen, muss denken und reflektieren können.

Würden linke Überzeugungen und Kultur wieder eine Einheit bilden, wäre beispielsweise die Frankfurter Kulturdezernentin zu einer eindeutigen, sprich kostengünstigen, Entscheidung in Sachen Theatersanierung ohne langes Zuwarten in der Lage. Und dies im Sinn der Inhalte, die auf die Bühne gebracht werden sollen. Die äußere Ästhetik des Gebäudekomplexes hingegen ist Nebensache, dieser muss lediglich seiner Funktion gerecht werden. Letzteres könnte durch die Wiederherstellung eines intakten Zustands von Bausubstanz und Technik erreicht werden.
Und der Planungsdezernent müsste auch keine Wohngebiete auf ökologisch wichtigen Grünflächen am Stadtrand bauen lassen, sondern könnte die Luxuswohnungen im Stadtkern gemäß Grundgesetz enteignen und dem Gemeinwohl zuführen.

Die Geschichte der Kultur ist eng verbunden mit dem Kampf zwischen Herrschern und Beherrschten, zwischen Böse und Gut, zwischen Dummheit und Vernunft. Somit ist die Kultur eine der schärfsten Waffen im Kampf um soziale Gerechtigkeit geworden. Deswegen versuchen die Gegner der solidarischen Gesellschaft sie zu okkupieren und zu einem Instrument ihrer Interessen zu machen. Kultur wird zum Event degradiert, Theater wird zur Bühne persönlicher Eitelkeiten, Literatur und Kunst werden zu Handelsobjekten mit hohen Renditeaussichten (Bestseller von der Stange).

Solange sich die politische Linke nicht dagegen wehrt und sich ihre ureigensten Errungenschaften durch die Vertreter der Mittelmäßigkeit aus der Hand nehmen lässt, werden sie auch keine Wahlen gewinnen können.

Foto:
Schauspielhaus Frankfurt, Zuschauersaal
© Städtische Bühnen Frankfurt a.M.