a martinschulzWas die eigenmächtige Entscheidung der CSU für eine zukünftige deutsche Regierung bedeute könnte, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Unter der Überschrift: „Die überreizte SPD schreit auf“, hat ein gewisser Torsten Krauel in DIE WELT vom 29. November gleich auf Seite 2 im Kommentar nicht den Skandal um die eigenmächtige Pro-Glyphosat-Entscheidung durch den CSU-Minister angegriffen, sondern er zielte allein schon von der Logik des Geschehens unverständlich und von der politischen Absicht her perfide, schon wieder mal auf die SPD.

Man kann allerhand Einwände zur Politik und dem Auftreten der SPD haben, aber wie seit dem Selbsttor einer als Jamaika-Koalition von der veröffentlichen Meinung schon liebgehabten zukünftigen Regierung, fast die gesamte deutsche Presse unisono für diese Situation jetzt die SPD verantwortlich macht, das ist schon ein Wahnsinn, der Methode hat. Was ist hier eigentlich los? Dieser Kollege schreibt tatsächlich „Der Aufschrei der SPD nach dem Ja von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zu Glyphosat ist die überzogene Aufgeregtheit einer überreizten Partei.“ Dann geht es weiter: „Das gilt ungeachtet der Rüge durch Angela Merkel.“

Ja, wie, die darf das – und hat milde einen Tadel ausgesprochen, wo eine Entlassung aus dem Amt die Folge hätte sein müssen - und die SPD, hier insbesondere die betroffene Fachministerin darf das im mentalen und moralischen Gerüst des Weltkorrespondenten nicht? Denn daß man der soliden, jeweils extrem sachlichen SPD-Ministerin Barbara Hendricks je Überreizung, Aufschrei oder überzogene Aufgeregtheit andichten könnte, das traut sich nicht mal dieser Weltschreiber. Wen also meint er? Es gibt niemanden, aber er hat schon mal auf das Nichtausgesprochene reagiert. Peinlich für den Autor, peinlich für DIE WELT.

Kurz zusammengefaßt der Vorgang: Am Montag, 26. November hatte der CSU-Landwirtschaftsminister die bisherige Haltung der Bundesregierung – nach der Geschäftsordnung bei internationalen Abstimmungen bei unterschiedlicher Meinung der beiden Parteien nicht mitabzustimmen, bzw. sich zu enthalten – eigenmächtig außer Kraft gesetzt und in Brüssel das absolut umstrittene Pestizid Glyphosat für fünf weitere Jahre zugelassen. In der Kritik war Glyphosat seit Jahren, weil es alles Grün vernichtet, was mit verantwortlich für das massive Insektensterben ist, weil die nämlich kein Futter mehr finden und zudem Glyphosat nicht vertragen, kein Wunder, es ist ein Gift. Darum soll dieses Pestizid auch krebserregend sein, was derzeit erforscht wird, weshalb es die Weltgesundheitsorganisation WHO 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ beurteilte.

Es zeigt sich eindeutig, daß die Meinung zu Glyphosat von der Interessenlage abhängt. Wer mit Grund und Boden Geld verdienen will, läßt das Pflanzengift zu, wer den Erdboden als lebendige Fläche für Flora und Fauna bestehen lassen will, der ist gegen das Pflanzengift. Auf europäischer Ebene haben sich das Institut für Risikobewertung sowie die europäische Lebensmittelbehörde Efsa für die Zulassung ausgesprochen und jetzt die europäische Kommission durch die Stimme von Christian Schmidt, die ausschlaggebend war, weil zuvor ein Patt bestand, also keine Mehrheit. Das Unglaubliche und der kaum öffentlich diskutierte Skandal ist nun, daß sich in den Abstimmungspapieren der europäischen Behörden häufig wortwörtliche Übernahmen aus den Stellungnahmen des Konzerns Monsanto feststellen lassen. Das muß man sich mal vorstellen.

Das deutsche Umweltbundesamt hatte seit Jahren eigenständige Untersuchungen angestellt und sich aufgrund der Ergebnisse dagegen dringend für das Ende der Zulassung von Glyphosat ausgesprochen.

Es gibt auch einen weiteren, eher peinlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der infamen Abstimmung des deutschen Ministers. Glyphosat wurde in den 70er Jahren vom US-Konzern Monsanto entwickelt. Diesen Konzern will Bayer übernehmen, wobei Glyphosat eines der umsatzstärksten Produkte ist: 2017 wurden mehr als eine Million Tonnen Glyphosat verkauft. Für Deutschland sind die Zahlen: 5500 Tonnen landen auf den Äckern, rund 500 Tonnen in Grünanlagen und Privatgärten. Nicht überall!!! In Frankfurt z.B. wird schon seit Jahren auf Glyphosat verzichtet; die Stadt hatte auch seinen Bürgern empfohlen, auf dies Gift zu verzichten; zudem wurde in der Kleingartenverordnung der Stadt der Einsatz überhaupt der Einsatz von Herbiziden verboten.

Die Unterschrift des Ministers macht zudem die interessanten französischen Vorschläge, die diese Woche Präsident Macron vortrug, zunichte. Denn der hatte die europäischen Staaten zu einer Interimslösung auf drei Jahre verpflichten wollen, in denen ernsthaft die Forschungsergebnisse Grundlage der europäischen Entscheidung sein sollten.

Klaus Staeck, der es Gottseidank immer noch nicht aufgegeben hat, mitzumischen, hat unter der Überschrift NACH DEM GLYPHOSATANGRIFF in der FR vom 30. November Richtung SPD folgendes gesagt: „Ich lasse mir jedenfalls meinen Respekt vor dem couragierten Wahlkämpfer Martin Schulz von niemandem ausreden. Was ist nicht alles in den letzten Tagen über ihn geschrieben worden, welche Kübel wurden da ausgeleert. Als ob nicht Lindners FDP-One-man-show mit feistem Kalkül den Bettel hingeschmissen hätte, sondern einzig die SPD Schuld- und Verantwortung trüge, hatten die meisten Autoren in der Kommentarspalten sofort den Kopf von Schulz auf die Zielscheibe geklebt.“

Das hat uns, die wir diese Artikel schon fertig hatten, gut getan. Denn das Entscheidende ist der nächste Beitrag  zur SPD, der den Vorschlag für eine neue Koalition auf Bundesebene unter dem Tenor "Weg mit der CSU" enthält.

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