p spdklingbeilAngst vor der eigenen Courage

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Eine Frage vorweg: Von wem erwartet man am ehesten Aufschluss über den Kurs einer politischen Partei? Antwort: Vom Generalsekretär. Nicht so bei der SPD. Der neue Mann in diesem Amt, Lars Klingbeil, eiert genau so herum, wie das sein Vorgänger Hubertus Heil getan hat, und wie das die meisten Sozialdemokraten in Spitzenpositionen leider tun.

Thorsten Schäfer-Gümbel zum Beispiel schien peinlich berührt, als er im Deutschlandfunk gefragt wurde, was er von den neuen Vorschlägen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet zum Familienachzug halte. Der CDU-Politiker hatte angeregt, den Familiennachzug für Flüchtlinge ohne Rücksicht auf die Obergrenze von 200 000 Zuwanderern zu ermöglichen, wenn humanitäre Gründe dafür sprächen und wenn die Flüchtlinge Arbeit und Wohnung hätten.

Für einen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD sollte es nicht schwierig sein, darauf zu antworten. Aber Schäfer-Gümbel druckste herum. Er wisse ja nicht, was die Position der Union sei. Einige Unionspolitiker hätten dem Vorschlag widersprochen, andere sogar eine Verschärfung gefordert. Als ob es darauf ankäme! Man muss die Haltung der anderen Seite nicht kennen, um seinen eigenen Standpunkt darzulegen. Aber das ist ja das große Problem der SPD: Sie möchte nicht anecken. Sie macht ihren Kurs davon abhängig, was mit Frau Merkel geht und was nicht. Selber weiß sie offenbar nicht, welche Richtung sie einschlagen soll.

Damit sind wir beim Generalsekretär der SPD. Gefragt nach der Haltung der Sozialdemokraten in den bevorstehenden Sondierungsgesprächen über die Bildung einer neuen Bundesregierung erwiderte Lars Klingbeil im „Weser-Kurier“ vom 20. 12. 2017: „Es ist aber schwierig, in diese Gespräche zu gehen, wenn man nicht weiß, was die andere Seite eigentlich will.“ Auch Klingbeil umging eine klare Antwort auf eine einfache Frage. Ein Generalsekretär darf sich nicht darauf hinausreden, weil er die Haltung der anderen Seite nicht kenne, könne er die eigene Haltung nicht beschreiben. Gerade wenn man nicht weiß, worauf die andere Seite hinaus will, muss man den eigenen Standpunkt umso deutlicher klarlegen.

Angst vor der eigenen Courage offenbarte Klingbeil auch an anderer Stelle des Interviews. Er sagte, das Bundestagswahlergebnis von 20,5 Prozent zeige, „dass wir uns fragen müssen, was wir anders machen können und wie die SPD wieder zu einer selbstbewussten, kraftvollen Partei werden kann.“ Man muss den Satz zweimal lesen. Nicht was die Partei anders machen muss, sondern was sie anders machen kann, sagte der Generalsekretär. So als seien ihre Möglichkeiten begrenzt. In Wirklichkeit kann jede Partei machen, was sie will, solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegt. So lange die SPD das eherne Muss nicht anerkennt, solange wird sie verloren gegangenes Vertrauen nicht zurückgewinnen.

Ein Generalsekretär, der unter Erneuerung versteht, dass die Mitglieder Gelegenheit bekommen, „sich auch stärker auf digitalem Weg in die Partei einzubringen“, der wird die Partei schwerlich aus dem Tal der Tränen herausführen. Dass der langjährige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel einen grundlegenden Kurswechsel verlangt, dass er von der SPD überzeugende Antworten auf den fundamentalen Wandel in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung einfordert, macht die Sache nicht besser. Gabriel hatte als Vorsitzender Zeit genug, diese Antworten zu formulieren. Er ist sie schuldig geblieben. Jetzt Martin Schulz mit der Aussage zu zitieren, die Sozialdemokratie müsse ihr zentrales Versprechen einlösen, „den Kapitalismus zu zähmen und soziale, auf Solidarität ausgerichtete Marktwirtschaft zu erzeugen“, ist billig und unredlich, so lange daraus nicht konkrete Handlungen abgeleitet werden.

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