Die USA zeigen deftig ihre Verbundenheit mit Israel
Jacques Ungar
Jerusalem (Weltexpresso) - Der Auftritt von US-Vizepräsident Mike Pence sorgte im israelischen Parlament für Begeisterung – was von seinen zionistischen Visionen übrig bleibt, ist offen.
Verstohlen blickte gar mancher, der am Montagnachmittag im Plenarsaal der Knesset anwesenden israelischen Abgeordneten auf seinen oder ihren Taschenkalender. Nein, bis zum 70. Unabhängigkeitstag des Staates Israel dauert es noch ein paar kurze Monate. Der Redner jedoch, der am Montag die Zuhörer mit seiner dezenten, kaum je emotional werdenden Stimme ins erfreute oder erschreckte Delirium jagte, hätte, was den Inhalt seiner Botschaft betraf, problemlos und wahrscheinlich voller Erfolg als erzzionistischer Festredner an allen künftigen israelischen Jom-Haazmaut-Veranstaltungen auftreten können.
Begeisterungsstürme im Parlament
Es war zu erwarten gewesen, dass US-Vizepräsident Mike Pence mit seinem am Montagnachmittag vor der Knesset abgegebenen Versprechen, seine Administration würde keine Atomwaffen für Iran zulassen, die anwesenden Israeli bis hinauf zu Premier Binyamin Netanyahu und Präsident Reuven Rivlin ebenso vor lauter Begeisterung von den Sitzen reissen würde wie die Zusage, dass die USA das Nuklearabkommen mit Iran ohne nachhaltige Korrekturen aufkünden würden. Was allerdings nach dem Abklingen der Begeisterungsstürme konkret zurückbleiben würde, ausser dem handgreiflichen Rauswurf der mit Transparenten wie «Jerusalem is the Capital of Palestine» («Jerusalem ist die Hauptstadt von Palästina») demonstrierenden und sich letztlich auf lange Sicht einen Bärendienst erweisenden arabischen Parlamentarier, sei wiederum eine ganz andere Sache, wie Noa Landau in einer Analyse in «Haaretz» betont.
Wahrscheinlich zum Unmut der heute in Jerusalem den politisch-ideologischen Ton angebenden Mannschaft erinnert Landau daran, dass laut der evangelisch-christlichen Weltansicht, der auch Pence im Wesentlichen verpflichtet ist, die Rückkehr des jüdischen Volkes in sein verheissenes Land nötig sei, um den Tag des Letzten Gerichts und die Rückkehr Jesu zu beschleunigen. Schon Menachem Begin hatte seinerzeit, als die Annäherung der religiösen Fundamentalisten der USA an Israel ihre ersten Formen anzunehmen begann, recht leichtfertig auf das zeitlich in weitester Ferne liegende Letzte Gericht hingewiesen und gemeint, bis es so weit wäre, könne man mit den Evangelikalen doch problemlos geschäften.
«Prediger» Mike Pence
Kehren wir zurück zu Noa Landaus Ausführungen. «Wenn also die Ungläubigen», schreibt sie, «die, was kann man da tun, auch viele Juden einschliessen, das Joch Seines Königreichs nicht akzeptieren, wird das Ende viel weniger herzerwärmend sein, und hätte wahrscheinlich im Plenum der Knesset keinen derart donnernden Applaus erhalten wie Pence am Montag.» Ganz aus dem Häuschen gerieten die Anwesenden, als «der Prediger Pence» ihnen eröffnete, Donald Trump habe die Anweisung erteilt, unverzüglich mit den Vorbereitungen für die Botschaftsverlegung nach Jerusalem zu beginnen. Als dieser Schritt bis Ende 2019 zugesagt wurde, konnte Kulturministerin Miri Regev kaum davon abgehalten werden, im Plenum eine Solo-Tanzeinlage zu produzieren. Konzentrieren wir uns zwischen den himmlischen Prophezeihungen und dem christlichen Symbolismus aber auf die realpolitischen mittleren Teile der Rede des US-Vizepräsidenten, dann tönte es schon eher wie das bekannte Credo des US-State Department: Trumps Verpflichtung für einen dauerhaften Frieden zwischen Israel und den Palästinensern, die Anerkennung Jerusalems als die Basis für einen wahren Frieden, basierend auf Wahrheit, die Forderung nach der Bewahrung des Status quo in der Stadt, die Erwähnung des muslimischen Namens des Tempelbergs, was für Landau die Tatsache betont, dass die Anerkennung Jerusalems als Israels Kapitale keine Botschaft der USA bezüglich ihrer Position hinsichtlich der souveränen Grenzen der Stadt beinhaltet. Diese werden später in bilateralen Verhandlungen bestimmt werden.
Ein zionistischer Traum
Zu guter Letzt erhielt – auch das war zu erwarten gewesen – die Botschaft, die USA würden, das Einverständnis beider Seiten vorausgesetzt, eine Zweistaatenlösung unterstützen, in der Knesset schon viel weniger Applaus, als der ganze Rest des nicht verpflichtenden Hallelujahs des Vizepräsidenten. Schliesslich wird Pence auch mit seiner Andeutung, ein Friede erfordere Kompromisse (die allerdings keine Kompromisse Israels Sicherheit betreffend einschliessen würden), den Leuten um Netanyahu ein gerüttelt Mass an politischen Denkaufgaben zurückgelassen haben. Sicher mehr als dem nach dem indischen Hoch vor dem grauen Jerusalemer Alltag zurückschreckenden Netanyahu lieb sein kann. Das Aufwachen aus dem zionistischen Traum à la Pence dürfte der israelischen Polit-Elite Kopfschmerzen bereiten. Nicht weniger brummen dürften dabei allerdings die Köpfe der Europäer. Einerseits würden sie liebend gerne dem Drängen von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas nachgeben und das Zepter der nahöstlichen Friedensverhandlungen exklusiv an sich reissen. Andererseits gibt es in der EU trotz allem noch genügend Realpolitiker, die genau wissen, dass ungeachtet der palästinensischen Wut auf Trump letzten Endes kein Weg an den USA vorbeiführen wird, wenn es um den heute so illusorisch gewordenen Frieden zwischen Israeli und Palästinensern geht. Wie also lässt sich dieser Pelz reinigen, ohne ihn gleich nass zu machen? Mit dieser Frage wird sich EU-Aussenministerin Federica Mogherini auseinandersetzen müssen, wobei der im Hintergrund agierende greise Palästinenserpräsident nicht unbedingt ein Paradebeispiel für Geduld und Pragmatismus ist. Dass die Israeli ihn im Kielwasser der Administration Trump längstens schon abgeschrieben haben, trägt auch nicht unbedingt zur Versachlichung seiner Argumentationen bei.
Foto:
Nach seiner Rede in der Knesset kam Mike Pence (l.) mit Reuven Rivlin in dessen Residenz zusammen © tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 26. Januar 2018