
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) – Manche kapieren es einfach nicht: Der 27. Januar wird in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Holocaustgedenktag begangen, sondern als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Das ist gesetzlich so verankert. Was sich Bundespräsident Roman Herzog dabei gedacht hat, als er 1996 mit Zustimmung aller Parteien diesen Gedenktag einführte, erläuterte er am 19. Januar 1996 im Deutschen Bundestag mit folgenden Worten:

Dass der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, den Tag zum Anlass nahm, der jüdischen Opfer zu gedenken, ist verständlich, zumal da der 27. Januar weltweit seit 2005 auf Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen als „Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ begangen wird. Weniger verständlich ist, dass sich der geschäftsführende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und sein Kabinettskollege, der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas, darauf beschränkten, das Erstarken antijüdischer Ressentiments zu kritisieren, statt auch einmal danach zu fragen, wie mit den vielen anderen Opfern des Nationalsozialismus umgegangen wird, etwa mit den ehemaligen Soldaten der deutschen Wehrmacht, die an den Verbrechen der Nazis nicht teilnehmen wollten und deshalb desertierten.
Denen muss auch eine Stimme gegeben werden. Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist doch auch ihnen gewidmet. Ebenso den Hinterbliebenen der Opfer aus den Reihen der Sinti und Roma, den Opfern aus den Reihen der beiden Arbeiterparteien, die als erste aus politischen Gründen Widerstand gegen die Naziherrschaft geleistet haben und dafür mit ihrem Leben oder langjähriger Gefängnis- oder KZ-Haft büßen mussten. Warum lassen die beiden großen Kirchen den Gedenktag verstreichen, ohne an ihre Märtyrer Alfred Delp und Dietrich Bonhoeffer zu erinnern, die - wie viele andere Geistliche - der Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus zum Opfer fielen?

„Geschichte verblasst schnell, wenn sie nicht Teil des eigenen Erlebens war“, sagte Bundespräsident Herzog in seiner Rede zur Einführung eines Gedenktages für die Opfer Nationalsozialismus...Wir wollen nicht unser Entsetzen konservieren. Wir wollen Lehren ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind.“ Ist das so schwer zu kapieren?
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