p turkischer ministerpp deutschlandfunk.deEine Hoffnung auf die Freilassung von Deniz Yücel deutet der türkische Premier Yildirim bei seinem Deutschlandbesuch an, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – #FREEDENIZ hatte sich zur Gesamtaktion: Prostest und Lesung rote Luftballons ausgedacht, so rund 700 in Herzform mit dem Konterfei des aufmüpfigen Journalisten aus dem hessischen Flörsheim, mit denen ein ‚Korso der Herzen‘ als Autokorso gen Kreuzberg zog.

Diese - Autokorsi wollte ich gerade schreiben, der Duden sagt aber, ich müsse Autokorsos verwenden – also diese Autokorsos haben in Frankfurt und Flörsheim direkt nach der Gefangennahme und lange danach Wunder gewirkt, weil sich so der politische Protest eben nicht nur in Worten, sondern auch Taten niederschlug, bei denen man noch dazu Spaß hatte, den Spaß, den Yücel eben im Gefängnis nicht haben soll – und auch nicht hat. Nur den intellektuellen und auch moralischen Spaß, nicht gefügig gemacht worden zu sein, sondern die Häscher zu verlachen. Zumindest insgeheim und so weit wie möglich auch in Worten. Das kann ihm niemand nehmen und eigentlich möchte man laut mit anderen gemeinsam singen: DIE GEDANKEN SIND FREI. Anrührend, daß Deniz Yücel dieses alte deutsche Volkslied, das ja aus gutem Grund entstand, heute lebt.

Warum der türkische Ministerpräsident der ARD gegenüber Stellung bezog: „Ich hoffe, daß er in kurzer Zeit freigelassen wird. Ich bin der Meinung, daß es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird.“, hat dennoch weniger mit den öffentlichen Protesten zu tun, als mit dem Einbruch der wirtschaftlichen Lage in der Türkei. Dazu gleich mehr. Erst einmal verwies der türkische Ministerpräsident auf die leider nur formale und nicht tatsächliche Gewaltenteilung in der Türkei, wie man im Fernsehen hören konnte: „Die Türkei ist ein Rechtsstaat. In Rechtsstaaten entscheiden die Gerichte über Prozesse. Wir können aussprechen, was wir fühlen, was wir denken. Aber wir können uns nicht in die Position der Gerichte versetzen.“

Damit spricht er an, daß Deniz Yücel ja nicht ein Jahr im Gefängnis als Verurteilter eingesperrt ist, sondern als Untersuchungshäftling, der seit einem Jahr auf seine Anklageschrift wartet. Erst dann kann er ja dagegen juristisch vorgehen. Ohne Anklageschrift kein Prozeß, ohne Verfahren keine Freilassung durch das Gericht. Und Außenminister Sigmar Gabriel betont dabei, daß es neben Yücel noch um fünf weitere Deutsche ginge, die immer noch in Haft sind, was sein Außenministerkollege Cavusoglu schon im Januar bedauerte.

Welch eine Schmierenkomödie, die ja eine Tragödie ist. Schließlich war die Türkei ein weit entwickeltes Land, das unter Atatürk vielleicht zu große Schritte einer Reform unternahm, die ein Zurückrollen möglich machen, ohne daß das Volk dagegen lautstark protestiert. Warum das so ist, hat mir heute in der Berliner S-Bahn eine hier geborene Türkin erklärt. Es habe unter Recep Tayyip Erdogan einen so großen wirtschaftlichen Aufschwung gegeben, den normalen, den einfachen Leuten wäre es so viel besser als früher gegangen, daß sie zu Erdogan halten und die politischen Dimensionen nicht so wichtig nähmen. Diese Zustimmung sei aber gerade am Kippen, sagte sie, und man sei erbittert über die Korruption und den Protz, den Erdogan um sich und seine Familie schare.

Gleiches, nämlich daß es der Türkei wirtschaftliche nicht gut, ja immer schlechter gehe, konnte man schon die letzen Jahre von der Frankfurter Messe hören, wo in manchen Bereichen wie der Textilindustrie noch vor Jahren die Aussteller aus der Türkei die führenden Positionen einnahmen. Das brach weg. Wenn aber Aussteller nicht kommen, werden ihre Waren auch nicht geordert etc. Die Produktion muß angesichts fehlender Aufträge gedrosselt werden. Arbeiter und Angestellte werden entlassen oder machen Kurzarbeit, Fabriken schließen....

Diesen Aspekt wollen wir ein andermal vertiefen, denn jetzt muß endlich das am Mittwoch vorgestellte Buch unsererseits vorgestellt werden.

Fotos:
türkische Premier Yildirim © tagesschau.de
Yücel © deutschlandfunk.de