katzbach klein Die letzten Zeugen1Als Arbeitslager der Vernichtung durch Arbeit war Lager Katzbach ein Deckname für ‚Natzweiler‘

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Evakuierung des KZ-Außenlagers Frankfurt am Main ist an jedem 24. März eines Jahres Anlass, sich eines dunklen Kapitels der Stadt Frankfurt zu erinnern. Das Lager bestand vom 22. August 1944 bis 24 März 1945.

Dieser Zeitabschnitt steht für eine unrühmliche Geschichte der Adlerwerke AG (vormals Heinrich Kleyer AG). Hier wurde im Zuge der Kriegsproduktion von der Produktion ziviler Güter wie Fahrräder und Nähmaschinen auf die Herstellung von Rädern für Schützenpanzer umgestellt. Die Konfrontation mit den grausamen Praktiken, die sich in diesem KZ abspielten, wurde von offizieller Seite lang behindert und durchkreuzt. Es war ein langer Kampf, bis die Erinnerung an das KZ, in dem Menschen zu Tode ausgebeutet und gequält wurden, den angemessenen öffentlichen Status erlangte.

Werk und Beschäftigte wachten über eine Nichtaufarbeitung

Selbst die Beschäftigten der Adlerwerke wachten argwöhnisch darüber, dass die Marke Adler nicht durch ‚unangenehme Erinnerungen beschädigt‘ wurde. Seit September 1999 ist das Gedenken, das im Jahresrhythmus begangen wird, fest verankert. Die Adlerwerke wurden 1993 dichtgemacht. Ab 2005 erging aufgrund der Initiative des Fördervereins Gedenkstätte KZ Katzbach in den Adlerwerken der Ruf zum ersten öffentlich anerkannten Gedenken. Damals riefen sämtliche Glocken der Umgebung auf, zusammenzukommen. Am 14.12.1994 war die Gedenktafel zur Erinnerung an den 50 Jahrestag der Errichtung des KZ-Außenlagers enthüllt worden, das unter dem volkstümlichen Decknamen "Katzbach" am 22.08.1944 ‚seinen Betrieb aufnahm‘.

Erschreckend auch, wie die Adlerwerke mit der SS eine Überlassungsübereinkunft zu ihren Gunsten eingingen, die zum eigenen Vorteil gereichte, der eine Niedertracht kennzeichnet. Die Vorteilsnahme wurde bereitwillig angenommen. Menschen wurden geschunden, bis auf die Knochen gedemütigt und, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig waren, wie eine Sache weggeworfen, d.h. auf jede nur erdenkliche Art auch gemordet. Die Dresdner Bank war der zweitgrößte Aktionär der Adlerwerke, sie vergab auch Kredite. Die Literatur beurkundet einzusehende Abrechnungen zwischen den Adlerwerken und der „KL.“-Kommandantur.

„Katzbach“ war nur eines von 14 Ausweichlagern des Konzentrationslagers Natzweiler, in das über 1600 Häftlinge des Warschauer Aufstandes verschleppt wurden. Von diesen Frankfurter Häftlingen überlebten nur wenige. Und von diesen wenigen nehmen nur ganz wenige noch die Stellvertretung als direkt beteiligte Zeitzeugen ein, sie bilden bis in die gegenwärtige Zeit lebendige Kontaktbrücken für die Aufarbeitung der unzähligen Verbrechen des Nationalsozialismus.


Die Gedenkveranstaltung „Todesmarsch der KZ Katzbach Häftlinge“

Das Gedenken zum 24. März 2018 18.00 Uhr im Gallus Theater, Kleyerstr. 15 war diesmal geprägt durch das Zeigen der Filme des schulischen Filmkreises PoWi; LKE 1/2017, die unter dem Motto ‚Die Letzten Zeugen‘ entstanden. SchülerInnen des Goethe Gymnasiums stellten sich der verdrängten Vergangenheit des Gallus-Viertels. Dieses bildet mit dem geschäftigen Frankfurt eine kommunizierende Röhre. Es wurden auch spontan angesprochene Passanten gezeigt, die sich herausfordern ließen und ihre Kommentare abgaben. Die Filmklasse hatte für ihre Arbeit eine Woche Zeit.

Die zugrundeliegende Datenlage ist folgende: 1600 Häftlinge wurden ins ‚Außenlager‘ Katzbach (Adlerwerke Frankfurt) „eingeliefert“, 528 starben im Lager (der Adlerfabrik). Diese belegen noch heute ein Massengrab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.

„245 Häftlinge wurden wegen Arbeitsunfähigkeit abgeschoben, etwa 530 Todkranke und Marschunfähige wurden mit dem Zug nach Bergen Belsen evakuiert“. Die Begriffe ‚eingeliefert‘, ‚abgeschoben‘, ‚wurden evakuiert‘ müssen als Todesandrohungen verstanden werden, die auch gewissenlos vollzogen wurden. Dasselbe gilt für den Begriff ‚endgültige Räumung‘. Der Nationalsozialismus war ein System des Todes, vorher wurde geraubt und geschunden. Die generelle Sucht der Mörder auf den Tod hin war eine Konstituante.

Der Vorbericht zur Ankündigung des Abends informiert weiter: „Am 24 März 1945 erfolgte die endgültige Räumung [auch als Evakuierung bezeichnet] des KZ-Außenlagers [...]. Etwa 350 Häftlinge wurden, eskortiert von der SS, am Main entlang Richtung Hanau, Gelnhausen, Fulda bis nach Hünfeld getrieben. Für die ausgezehrten Häftlinge war es ein Todesmarsch, denn nur 280 erreichten das Ziel KZ Buchenwald, wo sie weiteres Leiden erwartete. Nur 60 der 1600 Häftlinge der Adlerwerke erlebten das Kriegsende“.


Die Filme der Jugendlichen standen im Zentrum des Abends

Die Begrüßung zum Abend des Gedenkens fand durch Winfried Becker, Leiter des Gallus Theaters und Horst Koch-Panzner, Vorsitzender des Fördervereins Gedenkstätte KZ Katzbach in den Adlerwerken statt. Es gab Grußworte von Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig und dem Vizekonsul der Republik Polen, Andrzej Dudzinski. Dr. Monika Hölscher von der Landeszentrale für politische Bildung hielt Ansprache. Für die musikalische Begleitung war Emil Mangelsdorf im gewohnt besten Einsatz. Im Hauptteil des Abends aber stellten die SchülerInnen des Goethe-Gymnasiums ihre Videos über das KZ Katzbach vor.

1. Das Leben in einem Konzentrationslager war schwierig, nicht der Tod
2. Die Zeit mildert vieles
3. Ich bin wider die Logik geflüchtet

(Die Filme können über: www.galluszentrum.de gesehen werden).


Die Schilderungen des Grauens vermitteln die Erkenntnis der Beliebigkeit des Tötens

Besonders nahegehend sind einzelne Schilderungen der Zeugen - der letzten Überlebenden. Mit diesen wird schrecklich offenbar, wie sehr das Überleben vom reinen Zufall, den man auch als Glück bezeichnen kann, abhing. Dem Glück aber musste nachgeholfen werden.

Um nur ein Beispiel zu geben; es betrifft Zygmunt Świstak und spielt in den letzten Tagen des sogenannten Tausendjährigen Reiches: „Nach vielen Tagen erreichten wir schließlich KZ Dachau. Der Waggon wurde geöffnet. Wegen des grauenvollen Gestanks trugen die SS-Männer einen Mundschutz. Sie fragten, ob es noch Lebende gäbe. Jemand meldete sich, und gleich danach hörte ich einen Schuss. [...] Auch mich haben sie auf den Leichenstoß geworfen. [...] Als die Nacht kam, bin ich herausgekrochen und in die nächstgelegene Baracke gegangen. Die Gefangenen haben sich für mich überhaupt nicht interessiert [...] Am folgenden Tag haben die Deutschen beim Appell zweimal gezählt, weil sie gemerkt haben, dass es eine Leiche zu wenig oder einen Gefangenen zu viel gab. Letztendlich sind sie wohl zu dem Schluss gelangt, dass die früheren Berechnungen nicht stimmten und sie haben die Zählerei beendet. So ist es mir gelungen, mein Leben zu retten“ (zitiert aus Literaturangabe 2 - wie unten verzeichnet -, S. 26)


Foto: SchülerInnen des Goethe Gymnasiums · Gallus Zentrum Jugendkultur und Neue Medien

Info:
Die Künstlerin Ulrike Streck-Plath zeigte ihm Rahmen ihrer 6. Gedenkwoche (die erste fand 2012 statt) zur Erinnerung an den Todesmarsch der Häftlinge aus dem KZ Katzbach am 25. März 2018 mittags, 14.00 Uhr, die 'Kollektive Performance' in Ahl/Bad Soden-Salmünster und gab am 27. März 2018, 20.00 Uhr, einen Abend mit Liedern und Texten von Ilse Weber ‚Wann wohl das Leid ein Ende hat‘ im Evangelischen Gemeindezentrum Maintal-Dörnigheim.

Literatur:
1. ‚Wir lebten und schliefen zwischen den Toten‘, Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken, Ernst Kaiser · Michael Knorn. Mitarbeit: Korn, Salomon, 3. erweiterte. Auflage, Campus Verlag, 1998
2. ‚Katzbach – geheimes Arbeitslager‘, Die Warschauer Aufständischen in Frankfurt am Main 1944-45, Ośrodek KARTA, 2016 · Schilderungen der letzten Überlebenden