„Rahn ist AfD-Spitzenkandidat“ - „AfD bedient extremen Flügel“ *)
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wenn der ausgewiesene Vertreter der Neuen Rechten Andreas Lichert - ausgestattet mit dem Listenplatz 5 der Bewerber der AfD für ein Mandat im Hessischen Landesparlament - die Drohbotschaft aussendet: „Wir müssen die Altparteien vor uns hertreiben“, dann erinnert das verdächtig an die Vor-sich-hertreib-Phantasien der Naziverbrecher und deren Meuchelmorde, die am 24. März 1945 vom Stadtteil Frankfurt am Main-Gallus ausgehend realisiert wurden.
Sie fanden ‚im Zuge‘ der Räumung des KZ-Außenlagers Katzbach (Adlerwerke) und des darauffolgenden Vorantreibens ausgemergelter Häftlinge auf einem Todesmarsch am Main entlang Richtung Hanau, Gelnhausen und Fulda bis nach Hünfeld und ins KZ-Buchenwald statt..
Am 24. März 2018 wurde des Todesmarschs der Katzbach-Häftlinge gedacht, Frankfurt liest in diesen Tagen den Roman „Das Siebte Kreuz“ der Schriftstellerin Anna Seghers im Rahmen von ‚Frankfurt liest ein Buch. Dieses Buch handelt von der Gewalt und der Willkür, die in Konzentrationslagern jederzeit, auch anlaßlos, zu gewärtigen war, beschreibt, wie Bevölkerungen und politische Gegner, zu denen auch die Gewerkschaften zählten, lückenlos überwacht und gfls.ohne Vorwarnung rücksichtslos verfolgt und verhaftet wurden (unter Hinzuziehung auch der Denuntiationen seitens der Hauswarte) und vermittelt einen schockierende Vorstellung von den ausgesuchten Praktiken der Demütigung und Entrechtung von Menschen durch ein hemmungslos wirkendes Nazipersonal, den willigen Schergen des Systems.
Auf Phantasien folgen Taten
Einen Treibmarsch nach nationalsozialistischem Vorbild würde der Kandidat der AfD für einen Sitz im Hessischen Landtag wohl gern seinen verhassten Gegnern in anderen politischen Lagern bereiten. Vorläufig scheint es ihm noch zu genügen, Gewaltphantasien in der Vorstellung auszuagieren, mit einem Spruch, dessen sich auch schon der im menschlichen Abstieg befindliche Herr Gauland bediente. Derartige Sprüche sind Vorboten weit rücksichtsloserer Vorgehensweisen.
Die Phantasie des menschlichen Abgrunds malt sich ihre Taten zunächst in der Vorstellung aus. Über die Jahre wurde klar: der Nationalsozialismus terminiert in Raub, Mord und Totschlag, ggfs. der Akteure auch gegeneinander, bis in den gegenseitig bereiteten Tod, denn die rechte Gesinnung ist todessüchtig. Die rechte Ideenwelt ist Teil einer dem Tod verschworenen Geisteskrankheit, die tödliche Vorstellungswelten gebiert und umsetzt.
Am Anfang steht der Sozial- und Futterneid, der kleine Neid zumal, der sich jetzt in Österreich etabliert hat und weite Kreise des zeitgenössischen Spießbürgertums im Geifer hält. Er füttert den Mechanismus auch des Antisemitismus. Dieser ist die eigentliche Matrix, denn der Antisemitismus ist wohlfeil. Wie kommt es zu alldem? Fehlt es den Rechten an einem gefestigten Selbstbild, weil der untergegangene, kulturell mächtige Vielvölkerstaat Donaumonarchie mit seiner großartigen Kunst und Literatur sie jetzt noch überfordert und sie daher eine genügende Eigenidentität nicht herausgearbeitet haben? Wirre Lehren und Rechts(pseudo)rock verdienen nur die Note ungenügend.
Bildungsbewegte versetzen sich üblicherweise in die Lage, auf der Basis von bedeutender Kunst und Literatur, geistiger Leistung also - die ursprünglich an fremden Gestaden aufstieg -, eine Identität zu begründen, die nicht in beschränkter Weise auftrumpft. Monotonie und geistige Schlichtheit ist vielleicht das eigentliche Problem der Rechtsbewegten.
Die Rechten, überwiegend männlich und von archaischen Mannbarkeitsriten und quälenden Profilneurosen überwältigt, haben ein Problem mit der Eignung zur Gesellschaft. Eine eingeschränkte Gesellschaftsfähigkeit, eine nur bedingte Berufsfähigkeit und eine durch die Spätpubertät eingespielte Sozialisationsresistenz ist das zentrale Manko der Fälle politischer Rechtsausleger. Die Dreifach-Fälle sind augenscheinlich weit verbreitet. So wird ein garstig' Lied aus alter Zeit getönt.
Ärzte, legt sie auf die Couch! Verordnet ihnen Arznei von Karl Kraus (wenn´s hilft), Joseph Roth, Alfred Polgar, Ödön von Horvath (‚Der ewige Spießer‘), Friedrich Torberg, Franz Werfel, Robert Musil, Egon Erwin Kisch und Ernst Jandl. Und nicht vergessen, legt ihnen auch die Deutsche Zeitgeschichte: „Der Hass“, von Heinrich Mann dazu. Der geistige Brandstifter ist der Philister von nebenan.
*) FR 09.04.2018 und FR 10.04.2018
Foto: tazlab.de